Mit Beschlüssen vom 26. März 2024 hat das Hanseatische Oberlandesgericht die Beschwerden der Antragsteller in den beiden einstweiligen Verfügungsverfahren betreffend die Correctiv-Berichterstattung „Geheimplan gegen Deutschland“ zurückgewiesen. Die Antragsteller hatten mit ihren Rechtmitteln die Entscheidungen des Landgerichts angegriffen, das die Anträge auf Erlass einstweiliger Verfügungen zu bestimmten Passagen des Artikels am 26. bzw. 27. Februar 2024 – im Fall des Juristen Ulrich Vosgerau teilweise –zurückgewiesen hatte. Im Fall Vosgerau hatte das Landgericht mit Beschluss vom 26. Februar 2024 eine Unterlassungsverfügung in Bezug auf die Darstellung einer angeblichen Äußerung Vosgeraus zu Wahlprüfungsbeschwerden erlassen und den darüber hinaus gehenden Antrag zu weiteren Passagen des Artikels zurückgewiesen.

Nach der heute bekanntgegebenen Entscheidung im Fall Vosgerau (7 W 34/24) besteht – ebenso wie nach der landgerichtlichen Entscheidung – kein Unterlassungsanspruch in Bezug auf die Wiedergabe von Antworten auf eine Correctiv-Anfrage vor der Veröffentlichung. Die im Artikel verwendete Formulierung „an die Sache mit der Ausbürgerungsidee von Staatsbürgern in Sellners Vortrag will er sich aber nicht erinnern können“ erwecke weder einen unzutreffenden Eindruck vom Inhalt der Rechercheanfrage, noch werde die Antwort dadurch verfälschend dargestellt. Die Antwort Vosgeraus, nach seiner Erinnerung sei von niemandem gesagt worden, es sollten Personen, die die deutsche Staatsbürgerschaft haben, irgendwie repatriiert oder ausgebürgert worden, dies wäre ja rechtlich normalerweise auch gar nicht möglich, sei zwar nur ausschnitthaft, und zwar bezogen auf den Vortrag Sellners, wiedergegeben. Jedoch werde der Sachverhalt durch das Weglassen der zusätzlichen Angabe, dass „niemand“ gesagt habe, dass deutsche Staatsbürger „irgendwie repatriiert oder ausgebürgert“ werden sollten, und der Einschätzung, dass das „rechtlich normalerweise auch gar nicht möglich sei“, nicht in unzulässiger Weise entstellend geschildert.

Auch die weiter angegriffene Passage zum Inhalt des Vortrags Vosgeraus zu Briefwahlen und zu „Bedenken in Bezug auf junge Wählerinnen türkischer Herkunft, die sich keine unabhängige Meinung bilden könnten“ sowie die Formulierung „Auf Correctiv-Fragen hin bestätigt er diesen Satz später“ stellten eine zulässige Zusammenfassung der Antwort Vosgeraus auf die vorherige Rechercheanfrage dar. Für den Leser sei erkennbar, dass es sich bei der Aufzählung von Themen des Vortrags nicht um ein wörtliches Zitat handele, das Vosgerau im Nachhinein bestätigt habe. Es entstehe auch nicht der Eindruck, dass der Antragsteller die Meinung geäußert habe, Jungwählerinnen türkischer Herkunft und/oder Abstammung könnten sich generell keine unabhängige Meinung bilden. Dagegen spreche vor allem der Kontext der Äußerung in der Berichterstattung: Dem Artikel zufolge habe Vosgerau über Briefwahlen gesprochen, es sei um „Prozesse“ gegangen und „um das Wahlgeheimnis“. In diesem Zusammenhang werde deutlich, dass die Bedenken, ob sich „junge Wählerinnen türkischer Herkunft unabhängig eine Meinung bilden könnten“, gerade wegen der Besonderheiten des Wählens per Brief geäußert worden seien. Der Leser verstehe die Formulierung als Umschreibung der Befürchtung, dass Briefwählerinnen wegen der konkreten Situation bei der Stimmenabgabe Einflüssen ausgesetzt sein könnten, die einer unabhängigen Wahlentscheidung entgegenstehen könnten.

Auch im Fall des im Correctiv-Artikel als „ein Mittelständler aus NRW und AfD-Großspender“ bezeichneten Antragstellers bleibt es nach der heute bekanntgegeben Entscheidung (7 W 33/24) bei der Zurückweisung seines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Durch die angegriffene Passage werde nicht der Eindruck erweckt, dass der Antragsteller Spenden gegeben oder zugesagt habe, um direkt oder indirekt „Organisationen“ von Martin Sellner oder allgemein die Identitäre Bewegung zu unterstützen. Der Artikel enthalte keine Aussage dazu, für welche konkreten Zwecke der Antragsteller gespendet oder eine Spende zugesagt habe. Auch die Stellungnahme des Antragstellers auf die Rechercheanfrage von Correctiv werde im Artikel nicht in unzulässiger Weise verfälscht oder verkürzt wiedergegeben. Zudem habe der Antragsteller – angesichts mehrerer Spenden fünfstelliger Beträge in den Jahren 2014 bis 2016 – keinen Anspruch auf isolierte Unterlassung der Bezeichnung als „AfD-Großspender“.

Ebenso wie das Landgericht hat das Beschwerdegericht schließlich auch einen Anspruch des Antragstellers auf eine anonymisierte Berichterstattung verneint. Am Gegenstand der Berichterstattung – der Veranstaltung verschiedener Akteure aus dem Spektrum der sog. Identitären Bewegung bis hin zu Mitgliedern der Parteien AfD und CDU – habe wegen der dort vorgestellten Planungen unter dem Stichwort der sog. „Remigration“ ein überragendes öffentliches Interesse bestanden. Damit bestehe auch ein äußerst gewichtiges öffentliches Interesse daran, wer außer den Teilnehmern die dort diskutierten Maßnahmen unterstützt habe oder unterstützen wolle. Dazu gehöre auch der Antragsteller, der unstreitig durch eine aktuelle Spende für die Durchführung eines Wahleinspruchs und einer Wahlprüfungsbeschwerde eines der auf der Veranstaltung diskutierten Anliegen unterstützt habe. Hinzu komme neben seiner Eigenschaft als AfD-Spender der Umstand, dass der Antragsteller sich gegenüber mehreren Medien öffentlich positiv zu dieser Partei geäußert habe.

Auf die vom Antragsteller vorgetragene Argumentation, in dem Artikel werde „mit sprachlich verdichteten Wertungen, die für sich genommen als Meinungsäußerung juristisch nicht angreifbar sind, dennoch bei Lesern und Medien die tatsächliche Fehlvorstellung erweckt […], auf dem Treffen sei die Ausweisung deutscher Staatsbürger nach rassistischen Kriterien besprochen worden“, kam es nach der Beschwerdeentscheidung nicht an: Zum Einen werde der Antragsteller mit derartigen Äußerungen nicht in Verbindung gebracht, sondern nehme in der Berichterstattung lediglich eine „Nebenrolle“ ein, zum Anderen bestünde ein erheblich überwiegendes öffentliches Interesse an der Namhaftmachung, selbst wenn die Berichterstattung in diesem Punkt unzutreffend oder unscharf gewesen sein sollte. Dass – wie der Antragsteller geltend gemacht hat – die „Vorstellung von Lesern und Medien, auf dem Treffen sei die Ausweisung deutscher Staatsbürger nach rassistischen Kriterien, wie Hautfarbe, besprochen worden, falsch“ sei, habe Correctiv allerdings keineswegs eingeräumt.

Gegen die Beschwerdeentscheidungen im Rahmen der einstweiligen Verfügungsverfahren sind keine Rechtsmittel gegeben.

(c) OLG Hamburg, 27.03.2024

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