Eine von der Bundesregierung geplante Änderung des Deutschen Richtergesetzes (20/8761) war Thema einer öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss am Mittwoch. Laut Entwurf sollen ehrenamtliche Richter, also Schöffinnen und Schöffen, künftig zwingend nicht berufen werden dürfen, wenn an ihrer Verfassungstreue Zweifel bestehen. Die Sachverständigen begrüßten die Änderung übereinstimmend, vor allem die von der Unionsfraktion benannten sahen aber revisionsrechtliche Probleme. Die Bundesregierung will mit der Regelung nach eigenem Bekunden explizit ein politisches Signal senden, da rechte und rechtsextreme Gruppen ihre Anhänger dazu aufrufen würden, sich als Schöffinnen oder Schöffen zu bewerben.

Kathrin Dingemann vom Deutschen Anwaltverein erklärte, mit der im Gesetzesentwurf vorgesehenen einfachrechtlichen Verankerung in Paragraf 44a Absatz 1 des Entwurfs werde diese verfassungsrechtlich begründete Pflicht auch der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter, für die Verfassungsordnung, auf die sie vereidigt sind, einzutreten, stärker sichtbar gemacht und damit in ihrer Bedeutung unterstrichen. Revisionsrechtlich sieht die von der SPD-Fraktion benannte Anwältin keine Notwendigkeit einer weitergehenden Klarstellung. Sie wäre angesichts der Heterogenität der Regelungen auch mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Auf längere Sicht erschiene jedoch eine Harmonisierung der Regelungen über ehrenamtliche Richterinnen und Richtern angesichts der auch in diesem Gesetzgebungsvorhabens zu Tage tretenden Inkonsistenzen durchaus sinnvoll und lohnend.

Ebenfalls von der SPD-Fraktion benannt wurde Andreas Höhne vom Bundesverband ehrenamtlicher Richterinnen und Richter, Deutsche Vereinigung der Schöffinnen und Schöffen. Der Verband begrüße ausdrücklich, so Höhne, die Stellung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter so zu festigen, dass nur solche Bürger in dieses Amt vorgeschlagen und gewählt werden und dieses Amt ausfüllen können, an denen keine Zweifel an der Verfassungstreue besteht. Er verwies auf Lücken im Schöffenbewerbungsprozess und regte an, die Wahl noch besser zu begleiten.

Tim Hühnert, Referatsleiter beim Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), sagte, Verfassungsfeinde in der Rechtsprechung seien schlichtweg nicht hinnehmbar. Deswegen werde der Entwurf begrüßt. Wenn aber ein absoluter Revisionsgrund geschaffen werden solle, sehe der DGB dies kritisch wegen möglicher Folgen für die Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit. Dies sei nicht hilfreich gerade auch im Hinblick auf eine mögliche Nichtigkeitsklage, dass also rechtskräftige Urteile innerhalb von fünf Jahren noch angegriffen werden können. Im Entwurf werde zwar die Schaffung eines Revisisonsgrunds für die Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit ausgeschlossen, dies sei aber nicht zwingend. Deswegen plädiere der DGB dafür, diesbezügliche Unsicherheiten zu verhindern und bei der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit einen Revisionsgrund auszuschließen, sagte Hühnert, der ebenfalls von der SPD-Fraktion nominiert worden war.

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nahm Marc Petit von der Neuen Richtervereinigung, Vorsitzender Richter am Landgericht Lübeck, an der Anhörung teil. Auch er wies auf die Unterschiede zwischen Arbeits-, Sozial- und Verwaltungsgerichtsbarkeit auf der einen Seite und dem Strafverfahren auf der anderen hin. Bei letzterem solle die Möglichkeit bestehen, im Verfahren Besetzungsrügen zu erheben und dies dann in die Berufung oder Revision zu tragen. In Kenntnis der zurecht aufgeführten Problematiken würde er gleichwohl empfehlen, der Bundesregierung zu folgen.

Sophie Borkel, Referentin für Rechtsextremismusprävention bei dem Verein Gesicht Zeigen!, erklärte in ihrer Stellungnahme, Rechtsextreme in der Justiz, ob haupt- oder ehrenamtlich, seien eine ernste Bedrohung. Das Vertrauen der Bevölkerung in eine unabhängige und neutrale Justiz sei zentral für den Rechtsstaat. Rechtsextreme, die Recht sprechen, gefährdeten dieses Vertrauen massiv. Die Gesetzesänderungen reichten jedoch nicht aus. Sie müssten mit weiteren Maßnahmen für eine resilientere Justiz kombiniert werden, erklärte die ebenfalls von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen benannte Sachverständige.

Für Franz-Wilhelm Dollinger, Richter am Bundesverwaltungsgericht, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, die geltende Rechtslage ausdrücklich zu kodifizieren. Soweit die Begründung des Gesetzentwurfs allerdings davon ausgehe, dass die Neuregelung in Paragraf 44a Absatz 1 zur Konsequenz hat, dass im Strafverfahren das Gericht bei einem Verstoß gegen ein Berufungshindernis fehlerhaft besetzt ist und dies zu einem absoluten Revisionsgrund im Sinne der Strafprozessordnung führt, löse dies „ein gewisses verfassungsrechtliches Unbehagen“ aus, so Dollinger in seiner schriftlichen Stellungnahme. Die Rechtsgemeinschaft müsse darauf vertrauen können, dass gerichtliche Entscheidungen grundsätzlich Bestand haben.

Der Strafrechtler Michael Kubiciel von der Universität Augsburg betonte, dass die Unabhängigkeit der Justiz auch gegenüber Gefahren von innen gestärkt werden müsse. Dringend überdacht werden sollte aber die strafverfahrensrechtliche Konsequenz der für Paragraf 44a gewählten Formulierung. Dies sei ein absoluter Revisionsgrund, meinte auch Kubiciel. Künftig seien Strafverfahren mit der Dauergefahr belastet, dass sie wegen eines fehlerhaft berufenen Schöffen wiederholt werden müssen.

Wolfram Nettersheim, Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof, erklärte, der Entwurf unterstreiche die Bereitschaft und Verpflichtung des Staates, sich allen etwaigen Versuchen der Unterminierung der Justiz wirksam zu erwehren. Erheblichen Bedenken begegne allein die vorgeschlagene Ausgestaltung von Paragraf 44a Absatz 1 als „Muss-Regelung“. Er empfehle, diesen als Soll-Vorschrift auszugestalten und in der Begründung ausdrücklich hervorzuheben, dass die fehlende Verfassungstreue einer Schöffin oder eines Schöffen nicht die Möglichkeit einer Besetzungsrüge im Strafverfahren eröffnet. Nettersheim, Kubiciel und Dollinger waren von der CDU/CSU-Fraktion für die Anhörung vorgeschlagen worden.

(c) HiB Nr. 30, 17.01.2024

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