Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Ehenamens- und Geburtsnamensrechts (20/9041) war Gegenstand einer öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss am Montag, 11. Dezember 2023. Die eingeladenen neun Expertinnen und Experten unterstützten einzelne Aspekte des Vorhabens, mahnten aber gleichzeitig eine grundsätzliche Reform an. Der Entwurf sieht unter anderem vor, dass auch ein Doppelname als Ehename geführt werden kann. Bisher führt in der Praxis nur einer der beiden Ehepartner einen Doppelnamen. Laut Vorlage ist das geltende Namensrecht gerade im internationalen Vergleich „sehr restriktiv“ und wird „aufgrund der vielfältigen Lebenswirklichkeit der Gegenwart den Bedürfnissen von Familien“ nicht mehr gerecht.

Christiane von Bary von der juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München erklärte in ihrer Stellungnahme, dass im deutschen Namensrecht ein kohärentes System kaum noch erkennbar und der Reformbedarf hoch sei. Der vorliegende Gesetzentwurf setze allerdings den bisherigen Weg fort und führe dazu, dass die Komplexität weiter steigt. Viele der durch den Entwurf adressierten Einzelfälle seien tatsächlich reformbedürftig und daher grundsätzlich zu befürworten. Allerdings wäre eine grundlegende Reform erforderlich, wie sie eine Arbeitsgruppe 2020 im Auftrag von Justiz- und Innenministerien vorgeschlagen habe. Die Expertin nahm auf Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion an der Anhörung teil.

Tobias Helms von der Philipps-Universität Marburg erklärte in seiner Stellungnahme, alle neuen Gestaltungsoptionen besäßen ihre Berechtigung. Problematisch sei allerdings, dass nach wie vor kein kohärentes und widerspruchsfreies System geschaffen werde. So würden die namensrechtlichen Anliegen, die der Gesetzgeber aufgreife, in jeweils strikt getrennten komplizierten Einzeltatbeständen normiert, die noch nicht ausreichend aufeinander abgestimmt seien. Auch frage sich, warum es für andere namensrechtliche Gestaltungswünsche bei den restriktiven Regelungen des Namensänderungsgesetzes bleiben solle. Es sei nicht stimmig, so der auch von der Unionsfraktion eingeladene Experte, im Bundesgesetzbuch liberale bis sehr liberale Gestaltungsoptionen punktuell zu eröffnen und gleichzeitig an der restriktiven Regelung des Namensänderungsgesetzes festzuhalten.

Der ebenfalls von der Unionsfraktion als Experte vorgeschlagene Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten, Volker Weber, erklärte, die angedachte Reform im Gesetzentwurf komme dem Wunsch nach Vereinfachung nicht nach, sondern erweitere die bestehenden Regelungen um ein Vielfaches in kaum nachvollziehbare und in sich wiederum widersprüchliche Normen. Er wünsche sich für die Standesbeamtinnen und Standesbeamten, aber vor allem auch für die Bürgerinnen und Bürger eine klare und verständliche Gesetzesgrundlage der im Koalitionsvertrag festgelegten Liberalisierung des Namensrechts. Der Bundesverband befürworte eine grundlegende Reform des Namensrechts, die die Trennung der Zuständigkeiten beim Standesamt und den öffentlich-rechtlichen Namensänderungsbehörden aufgibt.

Matthias Hettich, Richter am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, begrüßte die Novellierungen grundsätzlich, verwies aber wie andere Sachverständige auf die von der Arbeitsgruppe vorgeschlagenen Reform-Eckpunkte. Dass eine grundhafte Neuregelung des Namensrechts ausbleibe, habe nicht nur zur Folge, dass sich die Liberalisierung des Namensrechts auf einzelne, wenn auch durchaus bedeutende Teilbereiche beschränke. Auch für Hettich, der von der SPD-Fraktion für die Anhörung vorgeschlagen wurde, nimmt die Komplexität des Namensrechts deutlich zu. Das größte Versäumnis des Entwurfs ist laut Hettich, das öffentlich-rechtliche Namensrecht nicht zu reformieren. Durch dieses Unterlassen entstehe ein „windschiefes“ Verhältnis zwischen zivilrechtlichem und öffentlich-rechtlichem Namensrecht, das dringend der Korrektur bedürfe.

Saskia Lettmaier von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel erklärte ihre uneingeschränkte Zustimmung zum Grundanliegen des Entwurfs und den Grundzügen der vorgesehenen Änderungen. Gegenüber dem Referentenentwurf gebe es signifikante Verbesserungen. Zusammenfassend enthalte der Entwurf viel Licht, aber durchaus auch einige Schatten. Zu oft würden unkritisch die alten Regelungen fortgeschrieben, erklärte die auf Vorschlag der SPD-Fraktion eingeladene Sachverständige, die auch eine Reihe von Korrekturen vorschlug. Sie bemängelte unter anderem das schwerfällige familiengerichtliche Prozedere bei Dissens der gemeinsam sorgeberechtigten Eltern über den Kindesnamen.

Ebenfalls auf Vorschlag der SPD nahm Alexander Sixt, Stellvertretender Leiter des Standesamts Nürnberg, teil. Er stellte fest, dass aus Sicht der Praxis eine Reform des deutschen Namensrechts längst überfällig sei. Grundsatz könne nur die autonome Entscheidung der Betroffenen sein. Dem Entwurf liege noch immer der Grundsatz der Namenskontinuität zugrunde. Man müsse sich aber fragen, welche Berechtigung dieser Grundsatz überhaupt noch habe. Es würden mit dem Entwurf einige sehr offenkundige Probleme angegangen, die Konstruktion des deutschen Namensrechts werde aber beibehalten. Wie andere Sachverständige kritisierte Sixt, dass der Entwurf klar hinter den Empfehlungen der Arbeitsgruppe zum Namensrecht zurückbleibe. Allerdings würden einige Lücken nun endlich geschlossen.

Katharina Lugani von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf erklärte, der Entwurf sei gekennzeichnet von einer doppelten, überaus begrüßenswerten Zielsetzung. Er erweitere die Möglichkeiten zur autonomen Gestaltung des Namens und liberalisiere das Namensrecht. Die begrenzt erscheinende Reichweite des Entwurfs dürfe nicht den Blick darauf verstellen, dass das Erreichte richtig und wichtig sowie quantitativ alles andere als unbedeutend sei. In Ermangelung einer umfassenden Reform könne der Entwurf nicht anders, als zur Unübersichtlichkeit des geltenden Namensrechts beizutragen. Daher seien weitere Reformschritte nötig, betonte die von der FDP-Fraktion für die Anhörung vorgeschlagene Professorin.

Auf Vorschlag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nahm Anatol Dutta von der Ludwig-Maximilians-Universität München Stellung zu dem Entwurf. Für alle diejenigen, die gehofft hatten, dass der Gesetzgeber das Namensrecht endlich vereinfacht und liberalisiert, sei der Entwurf eine herbe Enttäuschung und Anlass für eine gewisse Frustration, sagte Dutta mit Blick auf die Mitglieder der Arbeitsgruppe, die 2020 das Eckpunktepapier für die Bundesregierung ausgearbeitet hätten, das Vorschläge für eine deutliche Vereinfachung des Namensrechts enthalte. Diese hätten die Freiheit des Namensträgers in den Mittelpunkt gerückt. Diese Ideen greife der Entwurf nicht einmal ansatzweise auf, sondern füge dem bisherigen komplexen System weitere Komponenten hinzu, die für deutlich mehr Komplexität sorgten. Mit dem Entwurf baue das deutsche Namensrecht, was Umfang und Komplexität anbelange, „auch international seinen traurigen, unangefochtenen Spitzenplatz weiter aus“, so Dutta.

Der ebenfalls auf Vorschlag der Grünen teilnehmende Leiter des Minderheitensekretariates der vier autochthonen nationalen Minderheiten und Volksgruppen Deutschlands, Gösta Nissen, sieht die Ergänzungsvorschläge der Minderheitenverbände des sorbischen Volkes, der dänischen Minderheit und der friesischen Volksgruppe im Entwurf weitgehend berücksichtigt. Dennoch reiche aus Sicht der Verbände vor allem die Beachtung der Bekenntnisfreiheit bei der Umsetzung des Gesetzes in der Praxis nicht aus. Es müsse künftig sichergestellt werden, dass die Bekenntnisfreiheit gewahrt wird und die Zugehörigkeit von Antragstellenden zu einer nationalen Minderheit oder Volksgruppe von Standesämtern nicht überprüft, registriert oder bestritten wird. Zudem müssten die Regelungen auch außerhalb von anerkannten Siedlungsgebieten gelten.

(c) HiB Nr. 927, 11.12.2023

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