Ersatzfreiheitsstrafen nicht mehr zeitgemäß
Statement von Rechtsanwalt Swen Walentowski, Leiter Politische Kommunikation und Medien des Deutschen Anwaltvereins (DAV)

Medienberichten zufolge soll ein Entwurf aus dem Bundesjustizministerium in der Ressortabstimmung sein, der sich unter anderem mit dem Konzept der Ersatzfreiheitsstrafen beschäftigt: So soll künftig ein Tag Freiheitsstrafe als Ausgleich für zwei Tagessätze Geldstrafe gelten, statt bislang im Verhältnis 1:1. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) steht dieser Regelung zwiespältig gegenüber:

„Dass das Thema Ersatzfreiheitsstrafe überhaupt angegangen wird, ist erst mal ein wichtiger Schritt. Auch die Halbierung der ersatzweise abzusitzenden Haftzeit durch die geplante Regelung geht in eine gute Richtung. Nach unserer Auffassung gehört das Konzept der Ersatzfreiheitsstrafen jedoch generell auf den Prüfstand – und in letzter Instanz abgeschafft.

Eine Freiheitsstrafe unterscheidet sich in ihrem grundrechtlichen Eingriff fundamental von der (eigentlich als schuldangemessen bewerteten) Geldstrafe – zumal Ersatzfreiheitsstrafen meist für sehr geringfügige Taten verhängt werden, etwa für kleine Diebstähle oder das Fahren ohne Fahrschein im ÖPNV. Besonders problematisch ist dabei, dass die Geldstrafen, an deren Stelle dann Ersatzfreiheitsstrafen treten, meist im Wege des Strafbefehlsverfahrens verhängt werden. Dadurch werden solche Personen benachteiligt, die nicht in der Lage sind, den Strafbefehl oder seine Konsequenzen richtig zu verstehen – geschweige denn, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Dies darf keinesfalls unterschätzt werden. Es bedarf hier konsequenter Beratungs- und Aufklärungsangebote.

Generell ist das Nichtzahlen von Geldstrafen oft ein Fall des Nicht-Könnens. Dies kann aufgrund finanzieller Not(-lagen) der Fall sein, aber auch aufgrund psychischer und/oder Suchtprobleme. Das Strafrecht darf aber weder Armut noch soziale Ausgegrenztheit bestrafen, sondern ausschließlich Kriminalität. Das Gericht hatte sich ja ursprünglich bewusst gegen einen Freiheitsentzug entschieden und eine Geldstrafe für ausreichend gehalten – steuert aber bei Betroffenen, die nicht in der Lage sind zu zahlen, sehenden Auges in die Ersatzfreiheitsstrafe. Hinzu kommt, dass Ersatzfreiheitsstrafen die Staatskasse um ein Vielfaches belasten, als die ursprüngliche Geldstrafe an Wert hatte. Sie sind für die Gesellschaft einfach sehr teuer.“

Quelle: Deutscher Anwaltverein, Pressemitteilung vom 5. Juli 2022

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