Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Stuttgart hat entschieden, dass eine im Erdgeschoss betriebene Gaststätte in Form einer Table-Dance-Bar, anders als das im selben Gebäude darüber liegende Bordell, keiner Erlaubnis nach dem Prostituiertenschutzgesetz bedarf (Az. 4 K 4593/21). 

Der Kläger betreibt seit 2012 als Pächter im Stuttgarter Leonhardsviertel eine Gaststätte im Erdgeschoss und in den darüber liegenden Etagen ein Bordell. In der Gaststätte werden neben Getränken auch Table-Dance-Vorführungen angeboten. Gaststätte und Bordell verfügen über separate Eingänge. Zwischen beiden Betrieben besteht eine bauliche Verbindung dergestalt, dass die Gaststätte durch eine Verbindungstür vom Bordell aus betreten werden kann, und umgekehrt. 

Die beklagte Landeshauptstadt Stuttgart erteilte dem Kläger 2014 eine Erlaubnis zum Betrieb der Gaststätte in Form einer Schankwirtschaft ohne besondere Betriebsform. Auf Antrag des Klägers erteilte sie 2015 zudem die Erlaubnis für den Betrieb einer Schankwirtschaft der Betriebsform einer Anbahnungsgaststätte. Der Kläger verfügt weiterhin seit 2014 über eine Erlaubnis gemäß § 33a Gewerbeordnung für Personendarbietungen in der Gaststätte, die mit einer Auflage versehen ist, in welcher insbesondere die Durchführung oder Nachahmung des Geschlechtsverkehrs und die körperliche Berührung auftretender Personen mit dem Publikum verboten wird. 

Nach dem Prostituiertenschutzgesetz mussten Personen, die bereits vor dem 01.07.2017 ein Prostitutionsgewerbe betrieben haben, bis zum 31.12.2017 einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis nach dem Prostituiertenschutzgesetz vorlegen. Im Hinblick darauf beantragte der Kläger im September 2017 bei der Landeshauptstadt Stuttgart eine Erlaubnis für den Betrieb des Bordells sowie für die Gaststätte eine Negativbescheinigung, dass es sich bei der Gaststätte nicht um eine Prostitutionsstätte nach dem Prostituiertenschutzgesetz handele. Ausweislich des dazu eingereichten Betriebskonzepts seien in der Gaststätte selbst keine Prostituierten tätig. Prostituierte hielten sich dort als Gäste auf, um mit Kunden Anbahnungsgespräche über sexuelle Dienstleistungen zu führen. Die Prostituierten seien unter anderem Mieterinnen des über dem Betrieb liegenden Bordellbetriebs. Da in der Gaststätte keine sexuellen Dienstleistungen stattfänden, würden hier keine weiteren Einrichtungen für Prostituierte vorgehalten. Die Anbahnung zwischen Prostituierten und Kunden finde ausschließlich im Barbereich statt. Danach müssten diese in einen Prostitutionsbetrieb wechseln. Die Gaststätte und das Bordell seien nicht als zusammengehörige Einheit zu betrachten, da es sich um zwei unterschiedliche Betriebe mit unterschiedlichem Personal und unterschiedlichen Geschäftsmodellen handele. Die Verbindungstür zwischen Gaststätte und Bordell sei während der Öffnungszeiten durch eine dort angebrachte Kordel versperrt.

Die Landeshauptstadt Stuttgart teilte dem Kläger zuletzt im September 2021 mit, dass es sich bei der Gaststätte um ein erlaubnispflichtiges Prostitutionsgewerbe nach dem Prostituiertenschutzgesetz handele. 

Darauf erhob der Kläger im September 2021 Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart und beantragte, festzustellen, dass er für den Betrieb der Gaststätte in der derzeitigen Betriebsform keiner Erlaubnis nach dem Prostituiertenschutzgesetz bedürfe. 

Wesentliche Erwägungen der Kammer: 

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg, weil es sich bei der Gaststätte nicht um ein Prostitutionsgewerbe handelt. Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 Prostituiertenschutzgesetz bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde, wer ein Prostitutionsgewerbe betreiben will. Ein Prostitutionsgewerbe betreibt insbesondere, wer gewerbsmäßig Leistungen im Zusammenhang mit der Erbringung sexueller Dienstleistungen durch mindestens eine andere Person anbietet oder Räumlichkeiten hierfür bereitstellt, indem er eine Prostitutionsstätte oder eine Prostitutionsvermittlung betreibt. 

Diese Voraussetzungen sind für die konkrete Ausgestaltung der Gaststätte in Form des Betriebs einer Table-Dance-Bar nicht erfüllt. Das Gericht kann auf der Grundlage der durch die beklagte Landeshauptstadt Stuttgart getroffenen Feststellungen sowie der im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren getroffenen Äußerungen des Klägers zur konkreten Ausgestaltung seines Gaststättenbetriebs nicht erkennen, dass dieser gewerbsmäßig Leistungen im Zusammenhang mit der Erbringung sexueller Dienstleistungen durch mindestens eine andere Person anbietet oder Räumlichkeiten hierfür bereitstellt, indem er in den Räumlichkeiten seiner Bar eine Prostitutionsstätte oder eine Prostitutionsvermittlung betreibt. Eine sexuelle Handlung liegt nur bei einem vom Willen getragenen menschlichen Verhalten vor, das sich objektiv, also gemessen an seinem äußeren Erscheinungsbild, typischerweise als geschlechtliche Stimulation darstellt, und zwar unabhängig davon, ob es dabei zu körperlichen Berührungen oder zur Ausübung des Geschlechtsverkehrs kommt. Gespräche über die Anbahnung sexueller Kontakte erfüllen diese Kriterien nicht. Es steht auch nicht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger eine andere Person zur Erbringung sexueller Dienstleistungen außerhalb der Gaststätte vermittelt, indem er Anbahnungsgespräche anbietet oder Kundenakquise betreibt. Die beklagte Landeshauptstadt Stuttgart hat im Rahmen ihrer durchgeführten Betriebskontrollen nicht feststellen können, dass Anbahnungsgespräche Teil des Geschäftsmodells des Klägers sind. Insbesondere hat sie weder Prostituierte in der Gaststätte angetroffen noch hat sie Anbahnungssituationen aktenkundig machen können. Soweit die beklagte Landeshauptstadt Stuttgart bei einer Nachschau im Januar 2023 festgestellt hat, dass es bei Tanzdarbietungen zu Berührungen zwischen Tänzerinnen und Gästen gekommen sei, sogenannter Lap Dance, und auch ein „Private Dance“ angeboten worden sei, sei dies nicht von der derzeitigen Betriebsform der Gaststätte und damit von den maßgeblichen Genehmigungen insbesondere nach Gaststätten- und Gewerberecht erfasst. Dem Kläger ist es unabhängig vom Bestehen einer prostitutionsschutzrechtlichen Erlaubnispflicht untersagt, Personendarbietungen anzubieten, bei denen es zu einer körperlichen Berührung von auftretenden Person mit dem Publikum oder einer direkten Beteiligung des Publikums kommt. Dieses Verbot folgt aus einer – bestandskräftig gewordenen – Auflage, mit welcher die Beklagte die Erlaubnis nach § 33a Gewerbeordnung zur Schaustellung von Personen vom Januar 2014 versehen hat. Schließlich folgt eine Erlaubnispflicht gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 Prostituiertenschutzgesetz auch nicht aus einem räumlich-organisatorischen Zusammenhang zwischen der Gaststätte und dem Bordell. Der Kläger betreibt die Bar und das Bordell unabhängig voneinander und hat diese jeweils für sich gewerberechtlich angemeldet. Allein aus der räumlichen Durchlässigkeit zwischen Bar und Bordell in Form einer Verbindungstür, der Nutzung der Toiletten der Gaststätte durch Mitarbeiter des Bordells sowie einer möglicherweise verbesserten Marktposition des Klägers lässt sich eine Erlaubnispflicht nach dem Prostituiertenschutzgesetz nicht begründen. Mit Einführung des Prostituiertenschutzgesetzes allgemein und insbesondere der Erlaubnispflicht für bestimmte Ausprägungen des Prostitutionsgewerbes sollen Sicherheit, Gesundheit und das Selbstbestimmungsrecht einschließlich der Arbeitsbedingungen von Prostituierten gestärkt, die gewerberechtliche Zuverlässigkeit von Betreibern vorab geprüft und unzuträgliche Auswüchse von Prostitutionsgewerbe, wie etwa Menschenhandel, Gewalt und Ausbeutung, unterbunden werden. Diese gesetzlichen Schutzzwecke werden durch den Betrieb der Gaststätte und die räumlichen Zusammenhänge zu dem Bordell nicht berührt. 

Die Berufung wird zugelassen, da der Frage, ob Anbahnungssituationen oder Table Dance-Aufführungen unter den Begriff der sexuellen Handlung fallen, grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Berufung an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg ist beim Verwaltungsgericht Stuttgart innerhalb eines Monats nach Zustellung einzulegen.

(c) VG Stuttgart, 07.11.2023

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