Mit insgesamt drei den Beteiligten zwischenzeitlich bekanntgegebenen Beschlüssen hat die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe die Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widersprüchen abgelehnt, den Antragstellerinnen gegen eine der Beigeladenen, der Max-Planck-Förderstiftung, von der Stadt Heidelberg erteilte Baugenehmigung erhoben haben.

Die Antragstellerin im Verfahren mit dem Aktenzeichen 2 K 2030/23 und die Beigeladene sind Eigentümer benachbarter Grundstücke, für die der vor Ort maßgebliche Bebauungsplan ein reines Wohngebiet in Landhausbauweise festsetzt, wobei das Vorhabengrundstück der Beigeladenen nicht unmittelbar an das Grundstück der Antragstellerin in diesem Verfahren angrenzt. Die Grundstücke der Antragstellerinnen – beides Wohneigentumsgemeinschaften – in den Verfahren mit den Aktenzeichen 2 K 2358/23 und 2 K 2359/23 grenzen zwar unmittelbar an das Vorhabengrundstück an, liegen aber außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des für das Vorhabengrundstück maßgeblichen Bebauungsplans.

Die Beigeladene beantragte bei der Stadt Heidelberg die Erteilung einer Baugenehmigung für den Neubau von zwei Wohnhäusern mit insgesamt zwölf sogenannten Clusterwohnungen. Hierbei handelt es sich um eine spezielle Wohnform, die zwar mehrere Räume zu einer gemeinsamen Wohnung zusammenfassen, dabei aber auch den einzelnen Bewohnern der Räume neben einem eigenen Wohn- und Schlafraum auch ein eignes Bad sowie eine rudimentäre Kochmöglichkeit bieten. Eine in der Wohnung gelegene größere Küche kann gemeinschaftlich genutzt werden. Bis auf eine Wohneinheit sind alle Wohneinheiten so ausgestaltet, dass die einzelnen Zimmer nur durch die Gemeinschaftsküche betreten werden können.

Gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung hat die Antragstellerin im Verfahren 2 K 2030/23 einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres gegen diese Genehmigung erhobenen Widerspruchs bei Gericht gestellt. Mit diesem Antrag macht sie unter anderem geltend, ihr Gebietserhaltungsanspruch werde verletzt, da die im Bebauungsplan festgesetzte „Landhausbauweise“ nicht nur die offene Anordnung der Baukörper regele, sondern vielmehr auch Anforderungen an die Art der zulässigen Nutzung und sogar deren architektonische Qualität stelle. Diese würden durch das geplante Bauvorhaben nicht gewahrt. Außerdem stelle es sich als rücksichtslos im Hinblick auf die Volumina der Baukörper, die erheblichen Verschattungen und Einsichtnahmemöglichkeiten dar. Zudem sei aufgrund der Gestaltung des Outdoor-Bereichs mit erheblichen Lärm- und Geruchsbelästigungen zu rechnen, die ebenfalls rücksichtslos seien.

Auch die Antragstellerinnen in den Verfahren 2 K 2358/23 und 2 K 2359/23 haben gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der gegen diese Genehmigung erhobenen Widersprüche bei Gericht gestellt. Sie wenden gegen das geplante Bauvorhaben ein, dass das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme unzumutbar verletzt werde. Die durch die Clusterbauweise hervorgerufene höhere Nutzungsintensität führe zu mehr Lärm, Abgasen und Gerüchen; außerdem hätten sie mit einer höheren Einsichtnahme in ihr Grundstücke zu rechnen, die zudem übermäßig verschattet würden. Die rückwärtigen Baugrenzen würden nicht beachtet. Ferner erweise sich die Lage der Tiefgarageneinfahrt als rücksichtslos und sie halte die notwendigen Abstandsflächen nicht ein.

Diese gerichtlichen Eilanträge hat die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe mit Beschlüssen vom 30. August 2023 abgelehnt.

Ihre Entscheidung im Verfahren 2 K 2030/23 begründet die Kammer, auch unter Verweis auf den jüngst zu demselben Bebauungsplangebiet ergangenen Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 1. August 2023 – 3 S 2683/22 -, mit der Erwägung, dass die Antragstellerin sich schon nicht auf einen sogenannten Gebietserhaltungsanspruch berufen könne, da die Festsetzung einer „Landhausbauweise“ im maßgeblichen Bebauungsplan keine Baugebietsfestsetzung über die Art der baulichen Nutzung darstelle, sondern es sich lediglich um Bestimmungen zur Bebauungsdichte innerhalb und außerhalb der Gebäude handele. Im Übrigen stelle „Clusterwohnen“ Wohnnutzung dar, die im durch Bebauungsplan festgesetzten reinen Wohngebiet ohne Weiteres zulässig sei. Daneben liege keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots vor. Die Kammer gelange bei summarischer Prüfung zu dem Ergebnis, dass die Nutzung des Wohngebäudes durch die zukünftigen Bewohner allenfalls zu geringfügigen zusätzlichen Belästigungen oder Nachteilen für die Antragstellerin führe; das allgemeine Bauplanungsrecht könne und solle keinen „Milieuschutz“ gewährleisten. Schließlich sei allein auf Grund des Umstandes, dass die Antragstellerin mehr als 20 Meter vom Vorhabengrundstück entfernt wohne, eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme unter dem Blickwinkel der Einsichtnahmemöglichkeit und der Verschattung offensichtlich ausgeschlossen, zumal noch diverse, mit teils hohen Bäumen bestockte und damit eine unmittelbare Sichtbeziehung abriegelnde Grundstücke zwischen ihrem Grundstück und dem Vorhabengrundstück lägen.

Ihre Entscheidung in den Verfahren 2 K 2358/23 und 2 K 2359/23 begründet die Kammer mit der Erwägung, die Antragstellerinnen könnten sich nicht auf einen planübergreifenden Gebietserhaltungsanspruch berufen. Dieser Anspruch bestehe im Hinblick auf das „Clusterwohnen“ schon nicht innerhalb des maßgeblichen Bebauungsplans und damit erst Recht nicht planübergreifend. Auch ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme liege nicht vor. Dieses Gebot biete jedenfalls in bebauten innerörtlichen Lagen grundsätzlich keinen Schutz vor etwaigen Einsichtsmöglichkeiten. In bebauten innerörtlichen Bereichen gehöre es zur Normalität, dass von benachbarten Grundstücken beziehungsweise Gebäuden aus Einsicht in das eigene Grundstück und in Gebäude genommen werden könne. Ferner sei die Nutzung des Nachbargebäudes durch eine Wohngemeinschaft von bis zu 26 Personen den Antragstellerinnen gegenüber nicht rücksichtslos. Vielmehr gelange die Kammer zu dem Ergebnis, dass die Nutzung des Wohngebäudes durch die zukünftigen Bewohner auch mit Blick auf die angrenzenden Grundstücke der Antragstellerinnen in diesen beiden Verfahren allenfalls zu geringfügigen zusätzlichen Belästigungen oder Nachteilen für die Antragstellerinnen führe. Schließlich verstoße die geplante Tiefgaragenzufahrt an der Grundstücksgrenze zum Grundstück der Antragstellerinnen ebenfalls nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Besondere Umstände, die eine unzumutbare Immissionsbelastung belegten, seien nicht ersichtlich; vielmehr verlaufe die Tiefgaragenzufahrt, die die Beigeladene plane, parallel zu der bereits vorhandenen Tiefgaragenzufahrt auf einem der Grundstücke der Antragstellerin. Die nicht oberhalb der Geländeoberfläche verlaufende Tiefgaragenzufahrt löse im Übrigen schon keine eigenen Abstandsflächen aus.

Die Entscheidungen sind noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten haben die Möglichkeit, hiergegen Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim einzulegen.

(c) VG Karlsruhe, 01.09.2023

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