Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat im November 2023 Anklage gegen einen in Berlin lebenden ehemaligen Angehörigen des argentinischen Militärs wegen Mordes in 23 Fällen zu einer Schwurgerichtskammer des Landgerichts Berlin erhoben. Nunmehr wurde bekannt, dass der Angeschuldigte verstorben ist.

Dem 75 Jahre alten Mann wurde vorgeworfen, in der Zeit von August 1976 bis Januar 1977 als Offizier der argentinischen Marine und verantwortlicher 2. Kommandant einer Einheit der sogenannten „taktischen Taucher“ auf dem Militärstützpunkt in Mar del Plata/Argentinien im Rahmen des sogenannten „Kampfes gegen die Subversion“ für die Entführung, Verschleppung, Folterung und anschließende Tötung von 23 jungen Menschen verantwortlich gewesen zu sein. Der Angeschuldigte soll dabei gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Marineeinheit, hochrangigen weiteren Militärangehörigen sowie Angehörigen staatlicher Sicherheitsbehörden im Rahmen geheim gehaltener arbeitsteiliger militärischer Operationen gehandelt haben.

Bei den 23 Opfern handelt es sich um junge Frauen und Männer, die sich linksgerichteten Gruppierungen angeschlossen hatten oder mit diesen in Kontakt standen. Im Tatzeitraum wurden sie festgenommen und gewaltsam auf das Gelände der Marinebasis in Mar del Plata verbracht. Dort sollen sie mit Wissen und Wollen des Angeschuldigten schwer misshandelt und gefoltert worden sein. Die Opfer sollen sodann entweder an andere Orte verbracht worden sein, um dort im Rahmen von Scheinfreilassungen und fingierten Auseinandersetzungen hinterrücks erschossen zu werden oder – in der Mehrzahl – ahnungslos unter dem Vorwand der „Verlegung“ bei sogenannten Todesflügen umgebracht worden sein. Die Opfer blieben für immer verschwunden.

Der Angeschuldigte soll in diese Abläufe persönlich involviert gewesen sein. Unter anderem soll er als Mitglied eines Gremiums entschieden haben, welche Opfer nicht ausnahmsweise freizulassen, sondern zu töten seien. Laut Anklage soll die Tötung der Opfer der politischen Einstellung des Angeschuldigten und seinen Zielen im sogenannten „Kampf gegen die Subversion“ entsprochen haben.

Bei den angeklagten Taten handelt es sich um Mord in 23 Fällen. Dabei wurden die Mordmerkmale der Heimtücke und der Verdeckung von Straftaten – nämlich der vorangegangenen widerrechtlichen Entführungen, Freiheitsberaubungen und Folterungen – angenommen. Zudem wurde dem Mann das Handeln aus niedrigen Beweggründen vorgeworfen, weil ihm das eklatante Missverhältnis zwischen der Auseinandersetzung mit politisch Andersdenkenden als vermeintlichen Gegnern des Staates Argentinien und ihrer Tötung bewusst gewesen sei.

Der Anklageerhebung gingen umfangreiche und langwierige Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft Berlin und des Bundeskriminalamts voraus. Diese umfassten u.a. die Auswertung von zahlreichen Unterlagen, die seitens der argentinischen Strafverfolgungsbehörden im Rahmen der Rechtshilfe zur Verfügung gestellt worden waren. Dabei handelte es sich u.a. um alte Militärakten, Einsatzpläne sowie Urteile, die gegen weitere hochrangige Militärangehörige im Zusammenhang mit auf dem Marinestützpunkt begangenen Straftaten ergangen waren. Insbesondere wurde eine Vielzahl von Zeitzeug:innen in Argentinien, Deutschland und im europäischen Ausland vernommen.

Am 31. Januar 2023 wurde die Wohnanschrift des Angeschuldigten durch Beamt:innen des Bundeskriminalamtes und des Landeskriminalamtes Berlin unter Beteiligung der Generalstaatanwaltschaft Berlin durchsucht. Dabei wurde weiteres umfangreiches Beweismaterial, insbesondere digitale Daten-träger, sichergestellt und in der Folge durch das Bundeskriminalamt ausgewertet.

Nach Abschluss der Ermittlungen ist im November 2023 die gut 220 Seiten umfassende Anklage gegen den Ex-Offizier erhoben worden.

Am 15. November 2023 wurde bekannt, dass der Angeschuldigte am 11. Oktober 2023 in Berlin eines natürlichen Todes verstorben war. Anhalte für eine lebensbedrohliche Erkrankung des Angeschuldigten waren den Ermittlungsbehörden zuvor nicht bekannt geworden.

Stellungnahme von Margarete Koppers, Generalstaatsanwältin in Berlin:
„Der Tod des Angeschuldigten setzt den jahrzehntelangen Bemühungen der Angehörigen wie Ermittlungsbehörden in Argentinien und Deutschland ein jähes Ende, die Gräueltaten am Marinestützpunkt Mar del Plata/Argentinien auch in diesem Verfahren aufzuklären. Das ist für die Angehörigen der Opfer schwer zu ertragen und sehr schmerzhaft. Ihnen gilt mein tiefes Mitgefühl. Den Beamt:innen des Bundeskriminalamts, den Kolleg:innen der Generalstaatsanwaltschaft Berlin und Herrn Rechtsanwalt Kaleck gilt mein besonderer Dank für ihr unermüdliches Engagement im Kampf gegen dieses unfassbare Unrecht.“

(c) Staatsanwaltschaft Berlin, 16.11.2023

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