Der 3. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts hat mit Beschluss vom 19. Februar 2024 die Entscheidung des VG Gera im Ergebnis bestätigt, dem Eilantrag gegen den Sofortvollzug des Widerrufs von waffenrechtlichen Erlaubnissen allein wegen der Mitgliedschaft im Landesverband Thüringen der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) stattzugeben. Anders als das erstinstanzliche Gericht sieht der Senat gewichtige Anhaltspunkte für eine verfassungswidrige Ausrichtung des Landesverbands. Die Behörde hat es jedoch bislang versäumt, spezifische waffenrechtliche Voraussetzungen zur Entziehung der Waffenerlaubnisse zu prüfen.

Nachdem der Saale-Orla-Kreis die waffenrechtlichen Erlaubnisse eines Mitglieds des Landesverbands Thüringen der AfD widerrufen hatte und sich dafür ausschließlich auf Feststellungen und Bewertungen des Thüringer Amtes für Verfassungsschutz zum Landesverband gestützt hatte, erhob der Antragsteller Widerspruch und wandte sich vor dem Verwaltungsgericht Gera gegen den Sofortvollzug der Maßnahme.

Das Verwaltungsgericht gab dem Antrag statt, weil nach seiner Auffassung nicht mit der von § 5 Abs. 2 Nr. 3b Waffengesetz geforderten Gewissheit feststehe, dass der AfD Landesverband Thüringen Bestrebungen verfolge, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet seien.

Dagegen hat sich der – beim Thüringer Innenministerium angesiedelte – Vertreter des öffentlichen Interesses mit der Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht gewandt.

Seine Beschwerde hatte im Ergebnis keinen Erfolg. Allerdings seien die Feststellungen der Waffenbehörde zu einer verfassungsfeindlichen Ausrichtung des AfD Landesverbands Thüringen nicht offensichtlich unzureichend. Anders als das Verwaltungsgericht sehe der Senat auf Grundlage der umfangreichen Bewertungen des Thüringer Amtes für Verfassungsschutz durchaus Tatsachen, die die Bewertung rechtfertigten, dass der AfD Landesverband Thüringen Positionen vertrete, die elementaren Grundsätzen der Verfassung entgegenstünden. In den programmatischen Festlegungen und Zielstellungen des AfD Landesverbands Thüringen würden deutlich völkisch-ideologische Motive sichtbar, die dem Grundgesetz fremd seien. Die Bewahrung der nationalen und kulturellen Identität und die Herstellung eines „Ethnopluralismus“, wie sie als Zielstellung eindeutig aus dem Parteiprogramm hervorgingen, die Darstellung des Islam als Gesamtbedrohung und die Aufforderung, einer vermeintlich um sich greifenden „Veränderung des Staatsvolkes“ entgegenzuwirken, wiesen auf eine Grundeinstellung, die mit wesentlichen Verfassungsgrundsätzen der Menschenwürde, Religionsfreiheit, Gleichbehandlung und dem Demokratieprinzip nicht mehr vereinbar seien.

Diese Bewertung beruhe auf einer Analyse des Thüringer Amtes für Verfassungsschutz von einer Vielzahl von programmatischen Aussagen der Gremien und zahlreicher Mandatsträger des AfD Landesverbands Thüringen, insbesondere auch eines der beiden Landessprecher. Es sei sachgerecht, die politische Ausrichtung einer Partei an den unwidersprochenen öffentlichen Äußerungen ihrer auf höchster Ebene bestimmten Repräsentanten zu messen.

Es fehle dem Bescheid zum Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis aber grundlegend an einer über diese Feststellung hinausgehenden erforderlichen eigenständigen waffenrechtlichen Bewertung des Sachverhalts. Die Behörde habe es versäumt, notwendige Feststellungen zu einer kämpferisch-aggressiven Haltung des Landesverbands der AfD zu treffen, wie sie nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für den Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis erforderlich sei. Auch habe die Behörde nicht geprüft, ob es dem Antragsteller gelungen sei, die Regelvermutung des Waffengesetzes zu widerlegen, dass eine Person, die Mitglied in einer als verfassungsfeindlich eingestuften Vereinigung sei, typischerweise die verfassungsfeindlichen Ziele der Vereinigung auch teile. Die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit sei aber erst dann widerlegt, wenn die betreffende Person sich von hetzenden Äußerungen sowie gewaltgeneigten, bedrohenden oder einschüchternden Verhaltensweisen anderer Mitglieder oder Anhänger der Partei unmissverständlich und beharrlich distanziert habe.

Der Senat konnte die erforderliche umfangreiche Aufklärung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes selbst nicht nachholen.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

ThürOVG, Beschl. v. 19. Februar 2024 – 3 EO 453/23

Vorinstanz: Verwaltungsgericht Gera, Beschl. v. 10. August 2023 – 1 E 564/23 Ge

(c) OVG Thüringen, 21.02.2024

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