Die Eingangszahlen am Verwaltungsgericht und am Oberverwaltungsgericht scheinen sich nach den Spitzen infolge der hohen Flüchtlingszahlen ab 2015, den coronabedingten Eingängen in den Jahren 2020 und 2021 und dem „Windkraftschub“ speziell am Oberverwaltungsgericht wieder zu normalisieren. Dennoch bleibt genug zu tun.

Die Eingänge am Verwaltungsgericht sind im Berichtsjahr insgesamt leicht gesunken. Auffällig dabei ist jedoch, dass speziell die Asylzahlen nach Jahren des Rückgangs nicht nur stagnieren, sondern wieder eine steigende Tendenz zeigen. Aktuelle Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bestätigen diese Tendenz für das laufende Jahr. Dabei hat die durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ausgelöste Flucht von über 1 Million Menschen nach Deutschland zu keinem nennenswerten Anstieg der Asylverfahren geführt. Schon im März 2022 setzte die EU die sogenannte „Massenzustrom-Richtlinie“ in Kraft, so dass die Geflüchteten aus der Ukraine einen humanitären Aufenthaltstitel erhalten, ohne ein Asylverfahren durchlaufen zu müssen.

Der am Verwaltungsgericht zugleich zu verzeichnende Rückgang der Erledigungen dürfte zumindest auch auf den hohen Anteil an neu eingestellten Proberichterinnen und Proberichtern zurückzuführen sein. Sie sind nach dem Prozessrecht im ersten Jahr nur eingeschränkt einsetzbar und müssen sich zunächst einarbeiten. Dies ist für die älteren Richterinnen und Richter zwangsläufig mit Mehrarbeit verbunden, die sich in den Erledigungen nicht widerspiegelt.

Der Bestand anhängiger Verfahren konnte alles in allem ein wenig abgebaut werden. Ziel wird es sein, die Waage zwischen Eingängen und Erledigungen zu halten und die Altbestände kontinuierlich weiter abzubauen.

Am Oberverwaltungsgericht musste im Berichtsjahr erneut ein Rückgang in der Personalausstattung aufgefangen werden. Zudem galt es, die durch die Corona-Pandemie aufgelaufenen Altbestände anzugehen. Ihre Bearbeitung ist arbeitsintensiv, schlägt sich aber nur in geringen Erledigungszahlen nieder. Der zugleich zu verzeichnende Rückgang bei den Eingängen hat daher auch sein Gutes: Er schafft mehr personelle Kapazität für die Erledigung der schon länger anhängigen Verfahren. Diese benötigt das Gericht dringend, denn der Bestand ist nach wie vor hoch und die durchschnittliche Verfahrensdauer ist sowohl bei den Berufungsverfahren (mit 22 Monaten) als auch bei den erstinstanzlichen Verfahren (mit 27 Monaten) zweifelsfrei zu lang.

Insbesondere für Vorhaben im Zusammenhang mit der Energiewende und im Infrastrukturbereich besteht Optimierungsbedarf. Allein das zu diesem Zweck vom Bundestag beschlossene und am 21. März 2023 in Kraft getretene Gesetz zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich wird dies wahrscheinlich nicht gewährleisten. Nachdem schon der Gesetzentwurf aus dem Hause des Bundesjustizministers von der Fachwelt als praxisfern und ineffektiv kritisiert worden war, wird auch von den im Gesetzgebungsverfahren noch vorgenommenen Änderungen kein ernstzunehmender Beschleunigungseffekt erwartet. Ein Mehr an Personal für einen weiteren Senat, wie vom Schleswig-Holsteinischen Landtag mit dem jüngsten Haushalt beschlossen, ist deshalb aus Sicht des Gerichts auf jeden Fall gerechtfertigt.

Quelle: Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 14. April 2023

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