Es ist ein Mordfall, der fast ein Jahrzehnt zurückliegt und sich tausende Kilometer entfernt in Kandahar abspielte. Doch ab dem 14. August 2025 muss sich ein 69-jähriger Mann vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Hanau verantworten – wegen Mordes an seinem eigenen Bruder. Der Angeklagte, afghanischer Staatsangehöriger, soll laut Anklage im Oktober 2015 im Streit um Familienbesitz zur Waffe gegriffen und den Bruder mit einem gezielten Schuss aus einem Einzelladergewehr getötet haben.

    Der Mord soll sich in einem abgelegenen Ortsteil Kandahars ereignet haben. Der Täter, so die Staatsanwaltschaft, habe seinen Bruder zur Herausgabe von Dokumenten über mehrere Grundstücke gedrängt, die dieser verwaltete. Als der Bruder sich weigerte, habe der Angeklagte die Entscheidung getroffen, ihn zu töten. Getarnt mit einer Decke soll er sich mit dem Gewehr zum Haus des Opfers begeben haben. Ein elfjähriger Neffe öffnete ihm die Tür. Ohne ein Wort habe der Angeklagte anschließend auf den ahnungslosen Bruder geschossen – tödlich. Der junge Neffe wurde zum Augenzeugen der Tat.

    Die Ermittlungen kamen erst Jahre später in Gang: Die Kinder des Getöteten, die mittlerweile wie der Angeklagte in Deutschland leben, trafen ihn 2024 wieder – und erstatteten Anzeige. Seitdem sitzt der mutmaßliche Täter in Untersuchungshaft.

    Juristisch besonders brisant ist, dass die Tat nicht nur im Ausland geschah, sondern beide Beteiligte zum Tatzeitpunkt keine deutschen Staatsbürger waren. Dennoch wendet das Gericht deutsches Strafrecht an. Möglich macht das § 7 Abs. 2 Nr. 2 Strafgesetzbuch: Wird ein mutmaßlicher Täter im Inland angetroffen und kann er nicht ausgeliefert werden – etwa wegen fehlender diplomatischer Beziehungen wie im Fall Afghanistan – darf in Deutschland ermittelt und verhandelt werden.

    Die Staatsanwaltschaft stuft die Tat als heimtückischen Mord aus niedrigen Beweggründen ein. Der Angriff auf einen arglosen Bruder – geplant und aus Habgier begangen – erfüllt aus ihrer Sicht die Voraussetzungen für eine Verurteilung wegen Mordes. Der Prozess dürfte nicht nur wegen des persönlichen Familiendramas, sondern auch wegen seiner völkerrechtlichen und prozessualen Dimensionen für Aufmerksamkeit sorgen.

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