23 Mitglieder des Landtags Brandenburg (alle Mitglieder der AfD-Fraktion) haben sich im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens gegen Bestimmungen des Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsplanes des Landes Brandenburg für die Haushaltsjahre 2023 und 2024 (HG 2023/2024) gewandt, mit denen von der sogenannten Schuldenbremse, d. h. dem Verbot einer strukturellen Neuverschuldung, eine Ausnahme zugelassen worden ist. Mit einem Eilverfahren haben sie die vorläufige Außervollzugsetzung der entsprechenden Regelungen beantragt. Der Antrag blieb ohne Erfolg.

Die Antragsteller vertreten mit ihrem im Mai 2023 gestellten Normenkontrollantrag die Auffassung, der Landtag habe das tatsächliche Bestehen einer außergewöhnlichen Notsituation im Sinne des Art. 103 Abs. 2 LV nicht hinreichend dargelegt und nicht begründet, welche absehbaren zusätzlichen Bedarfe bestünden und weshalb diese nicht durch Ausgabenkürzungen in anderen Bereichen gedeckt werden könnten. Darüber hinaus bedürfe es nach ihrer Auffassung eines konkreten Veranlassungszusammenhangs zwischen dem die Notlage auslösenden Ereignis und der erhöhten Kreditaufnahme für jeden wesentlichen Ausgabeposten. Die Antragsteller halten die im HG 2023/2024 getroffenen Regelungen zudem für zu unbestimmt. Die Außervollzugsetzung der Regelungen durch Erlass der einstweiligen Anordnung sei zur Abwehr schwerer Nachteile daher dringend geboten. Die Nachteile durch das Gesetz überwögen deutlich. Erginge die einstweilige Anordnung, wäre das Finanzministerium dagegen nur für den Zeitraum, den das Gericht zur Prüfung auf die Verfassungsmäßigkeit benötige, gehindert, das per Kredit aufgenommene Geld auszugeben.

Mit seinem Beschluss vom 25. August 2023 hat das LVerfG den Eilantrag abgelehnt. Eine Entscheidung in der Hauptsache ist noch nicht ergangen.

Das LVerfG hat seine Entscheidung aufgrund einer Folgenabwägung getroffen. Der Antrag in der Hauptsache erweise sich weder als offensichtlich unzulässig noch als offensichtlich unbegründet. Der Normenkontrollantrag werfe gewichtige und komplexe verfassungsrechtliche Fragen auf, die klärungsbedürftig seien und zu denen das LVerfG bislang noch keine Rechtsprechung ausdifferenziert habe. Derzeit erscheine es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass das angegriffene Gesetz den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die notlagenbedingte Kreditaufnahme aus Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV nicht in jeder Hinsicht entspreche. Ebenso bestehe die Möglichkeit, dass Haushaltsgrundsätze berührt und verletzt sein könnten. Im Rahmen der bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens anzustellenden Folgenabwägung seien die nachteiligen Wirkungen, die ohne die einstweilige Anordnung für den Fall des Obsiegens in der Hauptsache zu erwarten sind, mit den nachteiligen Wirkungen, die sich bei Erlass der einstweiligen Anordnung für den Fall der Erfolglosigkeit in der Hauptsache ergeben, zu vergleichen und zu bewerten. Da es um die Außervollzugsetzung eines Gesetzes gehe, müssten die hierfür sprechenden Gründe ein besonderes Gewicht haben. Daran fehle es. Würde die einstweilige Anordnung nicht erlassen und erwiesen sich die Normen als verfassungswidrig, liege die Befürchtung nahe, dass im laufenden und bevorstehenden Haushaltsjahr die Kreditermächtigungen ausgeschöpft würden und künftige Haushaltsgesetzgeber aufgrund der durch die Kreditaufnahme ausgelösten Belastungen den zur Bewältigung dann anstehender Probleme benötigten Handlungsspielraum verlören. Erginge die beantragte einstweilige Anordnung, könnte hingegen von den Kreditermächtigungen im Haushaltsgesetz in der noch nicht beanspruchten Höhe bis zur Hauptsacheentscheidung kein Gebrauch gemacht werden; Maßnahmen zur Krisenbewältigung könnten nicht mehr bewilligt werden. Dies bedeutete einen erheblichen Eingriff in den Gestaltungsspielraum des Haushaltsgesetzgebers. Wollte er die geplanten Maßnahmen zur Bewältigung der Folgen des Angriffskriegs auf die Ukraine dennoch durchführen, müssten die bereits getroffenen Priorisierungsentscheidungen des Haushaltsgesetzgebers in anderen Bereichen neu abgewogen und gegebenenfalls korrigiert werden.

Im Ergebnis fehle es an einem – für die Außerkraftsetzung eines Gesetzes nötigen – eindeutigen Überwiegen der Gründe für den Erlass der einstweiligen Anordnung; vielmehr seien die Folgen eher als gleichgewichtig zu einzuordnen.

Zum rechtlichen Hintergrund des Verfahrens:

Gemäß Art. 103 Abs. 1 Satz 1 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) ist der Haushalt grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Nach Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV kann im Fall von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, aufgrund eines Beschlusses des Landtages hiervon abgewichen werden. In seiner Sitzung am 14./15. Dezember 2022 stellte der Landtag das Vorliegen einer solchen außergewöhnlichen Notsituation fest und beschloss am 16. Dezember 2022 das HG 2023/2024. Nach dessen § 2 Abs. 1 Nr. 3 und § 10 wird das Finanzministerium in Ausnahme vom Neuverschuldungsverbot ermächtigt, Kredite von insgesamt bis zu 2 Milliarden Euro in den Haushaltsjahren 2023 und 2024 aufzunehmen und in „Mehrausgaben zur Bekämpfung der Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine“ in entsprechender Höhe einzuwilligen. Diese Regelungen waren in Reaktion auf die Auswirkungen des seit dem 24. Februar 2022 andauernden Angriffskriegs von Russland auf die Ukraine entstanden. Anlass war die Beobachtung grundlegender Veränderungen der ökonomischen Rahmenbedingungen durch den Ukraine-Krieg (u. a. Energieknappheit, Vervielfachung der Energiepreise, Inflation, Flüchtlingsbewegungen). Die Gefährdung der nach der Corona-Pandemie einsetzenden wirtschaftlichen Erholung wurde befürchtet. Die Kreditaufnahmen in Höhe von bis zu 2 Milliarden Euro sollen der Finanzierung von Maßnahmen des Landes zur Bewältigung der wirtschaftlichen Auswirkungen des Ukraine-Kriegs in sechs Maßnahmenbereichen (sog. Brandenburg-Paket) dienen.

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