Justizminister Herbert Mertin stellte heute in Mainz auf einer Pressekonferenz des Ministeriums der Justiz die Strafverfolgungsstatistik für das Jahr 2022 vor. In dieser werden alle rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren vor den Strafgerichten des Landes Rheinland-Pfalz erfasst. Damit unterscheidet sie sich von der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS), die eine Zusammenstellung aller der Polizei bekannt gewordenen bzw. von ihr ermittelten strafrechtlichen Sachverhalte darstellt.

In Rheinland-Pfalz wurden im Jahr 2022 insgesamt 29.853 Personen zu einer Strafe verurteilt. Dies stellt einen Rückgang um etwa 2,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr dar (2021: 30.697 Personen).

Aus der Statistik geht hervor, dass die Verurteilungen wegen Leistungserschleichung (§ 265a StGB) weiter rückläufig sind: Schon im Jahr 2020 und 2021 wurden nur 1.316 bzw. 927 Personen wegen Erschleichen von Leistungen verurteilt. Im Jahr 2022 ging die Zahl noch weiter auf 858 zurück. Während im Jahr 2021 als Erklärungsansatz für den Rückgang der Verurteilungen wegen Leistungserschleichung – in der Variante der Beförderungserschleichung – der Umstand herangezogen werden konnte, dass sich die Menschen coronabedingt mehr zu Hause aufhielten und weniger unterwegs waren, könnte die niedrige Anzahl an Verurteilungen im Jahr 2022 auch auf das sog. „9-Euro-Ticket“ zurückzuführen sein. Mit diesem konnten Bürgerinnen und Bürger vom 1. Juni 2022 bis 31. August 2022 für 9 € monatlich alle Busse und Bahnen im Nah- und Regionalverkehr nutzen.

Ein noch deutlicherer Rückgang ist im Bereich der Verurteilungen wegen Gewaltdelikten zu verzeichnen. Diese umfassen unter anderem Mord (§ 211 StGB) und Totschlag (§ 212 StGB), aber auch die sog. einfache und gefährliche Körperverletzung (§§ 223, 224 StGB) sowie sonstige Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit. Im Jahr 2021 betrug die Anzahl an Verurteilungen wegen „Gewaltdelikten“ 2.413, was 7,9 Prozent aller Verurteilungen entsprach. Im Jahr 2022 wurden dagegen nur noch 2.079 Personen wegen solcher Delikte verurteilt. Diese Zahl stellt den niedrigsten Stand der letzten 25 Jahre dar.

Auch die Verurteilungszahlen wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz sind – um 9,5 Prozent – zurückgegangen: So kam es im Jahr 2021 noch zu 3.728 Verurteilungen; im Jahr 2022 sank die Zahl dagegen auf 3.372 Personen. Dabei betrifft der Rückgang sowohl die Zahl der Verurteilungen wegen unerlaubten Anbaus und Handel mit Betäubungsmitteln als auch wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln.

Nicht angestiegen sind – anders als in der öffentlichen Wahrnehmung – Verurteilungen wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184l StGB): Wegen solcher Straftaten – z.B. sexueller Missbrauch von Kindern, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, aber auch Besitz und Verbreiten von Kinderpornografie – wurden 2022 insgesamt 462 Personen verurteilt. Das sind 25 Personen weniger als im Vorjahr (2021: 487), was einen Rückgang um ca. 5 Prozent bedeutet. Die 462 Verurteilungen stellen dennoch den dritthöchsten Wert der letzten zehn Jahre dar. Der Rückgang bezieht sich auf Verurteilungen wegen eines realen sexuellen Missbrauchs oder Vergewaltigung; hingegen ist eine (weitere) Zunahme bei den Delikten nach § 184ff. StGB – insbesondere im Bereich der Kinderpornografie (§ 184b StGB) – festzustellen.

Die Zahl der Verurteilungen wegen Straftaten gegen den Staat, die öffentliche Ordnung und im Amt blieb dagegen – trotz eines leichten Rückgangs im Jahr 2022 – auf einem insgesamt hohen Niveau. Dies beruht maßgeblich auf den Verurteilungen nach §§ 113, 114, 115 StGB (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte): Wegen Widerstandes gegen bzw. tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte und ihnen gleichgestellte Personen wurden 2021 insgesamt 576 und im Jahr 2022 insgesamt 528 Personen verurteilt. Zur weiteren Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes von Bediensteten – insbesondere von Polizei, Feuerwehr und Rettungskräften – hatte Rheinland-Pfalz bei der Justizministerkonferenz im Mai 2023 einen Antrag eingebracht, der zwei Zielrichtungen hatte: Einmal soll der Strafrahmen für Angriffe aus Menschenmengen (Landfriedensbruch, § 125 StGB) im Vergleich zu dem bei tätlichen Angriffen (§ 114 StGB) überprüft werden, um der erhöhten Gefährlichkeit solcher Angriffe durch Solidarisierung und Schutz aus der Gruppe Rechnung zu tragen. Außerdem soll den Dienstvorgesetzten im Fall der unberechtigten Aufzeichnung des nicht-öffentlich gesprochenen Wortes oder Bildes einer Person ein eigenes Strafantragsrecht eingeräumt werden, um die verletzte Person vor Bedrohungen und Veröffentlichung ihres Namens oder ihrer Adresse – insbesondere in den sozialen Medien – zu schützen.[1]

Diesen Rückgängen steht eine Zunahme von Verurteilungen im Bereich der Urkunds- sowie Straßenverkehrsdelikte gegenüber:

Die Verurteilungen wegen Urkundsdelikten (§§ 267 – 282 StGB) stiegen von 1.034 im Jahr 2020, über 1.055 im Jahr 2021 auf insgesamt 1.593 im Jahr 2022. Die deutliche Zunahme könnte auf eine Gesetzesänderung im November 2021 zurückzuführen sein: Mit dieser wurde geregelt, dass z.B. auch das Vorzeigen eines gefälschten Impfpasses in einer Apotheke nach § 279 StGB (Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse zur Täuschung im Rechtsverkehr) strafbar ist. Die vorherige Fassung der Vorschrift setzte eine Vorlage des unrichtigen Gesundheitszeugnisses (nur) gegenüber einer Behörde oder einer Versicherungsgesellschaft voraus. Die Verurteilungen nach § 279 StGB stiegen von 4 im Jahr 2021 auf insgesamt 15 im Jahr 2022. Bis zu der Gesetzesänderung im November 2021 war unklar bzw. in der Rechtsprechung umstritten, ob das Vorzeigen des gefälschten Impfpasses in der Apotheke straflos oder als „allgemeine“ Urkundenfälschung nach § 267 StGB in der Tatbestandsvariante „Gebrauchmachen von einer unechten oder verfälschten Urkunde“ strafbar war. Auch für § 267 StGB ist ein Anstieg der Verurteilungen von 928 im Jahr 2021 auf 1437 im letzten Jahr zu verzeichnen – mithin um 55 Prozent. Mit der Gesetzesänderung von November 2021 lässt sich auch die Zunahme der Verurteilungen wegen des Missbrauchs unrichtiger Ausweispapiere nach § 281 StGB erklären; darunter fallen auch unrichtige Gesundheitszeugnisse, wie beispielsweise Testzertifikate oder Atteste. Im Jahr 2021 gab es insoweit 20 Verurteilte; im Jahr 2022 waren es 28.

Wegen Straftaten im Straßenverkehr sind 8.299, also etwas mehr als ein Viertel, aller Verurteilten in der Strafverfolgungsstatistik 2022 erfasst. Dabei sind sowohl bei den Verurteilungen wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort als auch wegen Trunkenheit im Verkehr Anstiege um etwa 3 Prozent bzw. 18 Prozent zu verzeichnen. Dies dürfte (noch) auf die Normalisierung der allgemeinen Verkehrssituation nach den Corona-Jahren 2020 und 2021 zurückzuführen sein.

Ob die Normalisierung der Verkehrssituation der ausschließliche Grund für den deutlichen Anstieg der Verurteilungen wegen verbotener Kraftfahrzeugrennen (§ 315d StGB) darstellt, erscheint hingegen zweifelhaft: Wurden im Jahr 2020 insgesamt 37 Personen wegen solcher Kraftfahrzeugrennen verurteilt, waren es im Jahr 2021 bereits 64 und im Jahr 2022 insgesamt 96 Personen.

Davon waren 91 Verurteilte männlich und insgesamt 75 im Alter unter 30 Jahren. Es gab 18 Verurteilungen nach Jugendstrafrecht: 15 Heranwachsende und drei Jugendliche (alle männlich); 14 Heranwachsende wurden nach allgemeinem Strafrecht verurteilt, darunter auch zwei Frauen.


[1] Denn Beschluss der Justizministerkonferenz finden Sie unter: https://www.justiz.nrw.de/JM/jumiko/beschluesse/2023/Fruehjahrskonferenz_2023/TOP-II_25-Polizei_Feuerwehr.pdf .

(c) JM RLP, 01.09.2023

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