Im Anschluss an das Verfahren gegen drei Mitglieder eines waffenrechtlichen Prüfungsausschusses hat die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg – Zentralstelle Staatsschutz – nunmehr auch die im Zusammenhang mit der Amoktat vom 9. März 2023 stehenden Ermittlungen gegen einen ehemaligen Mitarbeiter der Hamburger Waffenbehörde eingestellt. Dem Beschuldigten K. war vorgeworfen worden, Hinweise auf die Urheber eines (vermeintlich) anonymen Schreibens, in dem Zweifel am Waffenbesitz des späteren Attentäters Philipp F. offenbar wurden, weder ordnungsgemäß dokumentiert, noch an seine Dienstvorgesetzten weitergeleitet zu haben. Der dadurch begründete Tatverdacht einer fahrlässigen Tötung in sechs Fällen sowie der fahrlässigen Körperverletzung im Amt in elf Fällen ließ sich jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit erhärten. Nach dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen war vielmehr davon auszugehen, dass der Be-schuldigte K. zwar gegen seine beamtenrechtlichen Pflichten verstoßen hatte. Auch bei ordnungsgemäßem Handeln hätte die Waffe von Philipp F. aber nicht zwingend vor dem 9. März 2023 eingezogen werden müssen. Im Einzelnen:

Sachverhalt
Nach den Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft ließ Philipp F. am 12. Dezember 2022 eine von ihm erworbene Pistole Heckler Koch P 30 L in seine Waffenbesitzkarte eintragen und nahm die Schusswaffe mit zu sich nach Hause.

Als der Bruder von Philipp F. (M.F.) hiervon erfuhr und sich wegen dessen psychischer Befindlichkeit Sorgen machte, wandte er sich am 16. Januar 2023 telefonisch an den Hanseatic Gun Club, wo Philipp F. zuvor sein Schießtraining absolviert hatte. Während eines Rückrufs durch den gesondert Verfolgten S. (vgl. Pressemitteilung vom 14. Februar 2024) teilte M.F. sodann weitere Einzelheiten mit. S. nahm noch am selben Tag Kontakt zu dem Beschuldigten K. auf, welcher ihm als langjähriger Mitarbeiter der Waffenbehörde und ehemaliger Schießtrainer im Hanseatic Gun Club bekannt war. K. nahm diesen Anruf in seiner Freizeit entgegen. Nachdem S. ihn über den Inhalt des Anrufs der Familie des Philipp F. informiert hatte, riet K. dazu, M.F. auszurichten, jener möge sich schriftlich oder telefonisch, anonym oder unter Nennung seines Namens direkt an die Waffenbehörde J4 wenden und dabei möglichst detaillierte Angaben machen.

Am 24. Januar 2023 ging das dementsprechend initiierte „anonyme“ Hinweisschreiben bei der Hamburger Waffenbehörde J4 ein und wurde im Zuge einer längeren Bearbeitungskette schließlich dem Beschuldigten K. als Mitarbeiter des für den Außendienst zuständigen Sachgebiets 1 vorgelegt. Obwohl es sich K. hätte aufdrängen müssen, dass das Schreiben von M.F. stammte, veranlasste er nur eine Abfrage nach polizeilichen Erkenntnissen über Philipp F., offenbarte seine (bis dahin undokumentierten) Erkenntnisse aus dem Telefonat mit S. vom 16. Januar 2023 jedoch nicht seinen Vorgesetzten. Insbesondere benannte er nicht die nahen Familienangehörigen von Philipp F. als höchstwahrscheinliche Verfasser des Schreibens. Die zuständigen Entscheidungsträger der Hamburger Waffenbehörde ordneten daher auch nur eine unangemeldete Aufbewahrungskontrolle bei Philipp F. an. Diese fand am 7. Februar 2023 statt und endete ohne große Auffälligkeiten. Sonstige Maßnahmen wurden nicht ergriffen.
Die Generalstaatsanwaltschaft vermutet, dass die Waffenbehörde – zutreffend von K. in Kenntnis gesetzt – bei der Familie von Philipp F. Nachfrage gehalten und auf diese Weise dieselben Hintergrundinformationen erlangt hätte, die in späteren Vernehmungen auch die jeweiligen Ermittlungsbeamten erhielten.

Strafrechtliche Würdigung
Der Beschuldigte K. hat – jedenfalls – eine beamtenrechtliche Sorgfaltspflichtverletzung begangen, indem er seine Hinweise aus dem Telefonat mit dem gesondert Verfolgten S. nach Eingang des „anonymen“ Schreibens gegenüber seinen Dienstvorgesetzten verschwieg (sog. Schlechtleistung, vgl. §§ 33 Absatz 1 Satz 1, 34 Absatz 1 Satz 1 und 2, 35 Absatz 1 Satz 1 Beamtenstatusgesetz).

Voraussetzung für einen (auch) strafrechtlichen Schuldvorwurf wäre hingegen die Feststellung gewesen, dass die Waffenbehörde bei ordnungsgemäßem Verhalten von K. (und Würdigung weiterer Umstände wie Internetauftritt und Buch des Philipp F.) eine sofortige Sicherstellung der Pistole Heckler Koch P 30 hätte veranlassen müssen.

Dazu hat die Generalstaatsanwaltschaft neben umfangreichen eigenen Ermittlungen zwei Rechtsgutachten mit unterschiedlichem Ergebnis eingeholt. Auch die insoweit einschlägigen Gesetzestexte (vgl. insbesondere § 46 Absatz 4 in Verbindung mit § 41 Absatz 1 Waffengesetz) sind unterschiedlich interpretierbar. Sie bieten letztendlich keine Gewähr dafür, dem bereits validen Verdacht einer psychischen Erkrankung des Waffenträgers mit Mitteln der Gefahrenabwehr durch eine (eventuell zunächst vorläufige) Entziehung der Schusswaffe zu begegnen. In der Regel ist stattdessen die Einholung und Auswertung eines fachpsychologischen Sachverständigengutachtens geboten, wodurch die Amoktat vom 9. März 2023 zeitlich bedingt nicht mehr mit überwiegender Wahrscheinlichkeit hätte verhindert werden können.

Das Verfahren war folglich gemäß § 170 Absatz 2 der Strafprozessordnung einzustellen.

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