Auf die Einführung einer Sperrklausel bei Wahlen zum Europäischen Parlament zielt ein Gesetzentwurf der Bundesregierung (20/6821), der die Zustimmung Deutschlands zu einem entsprechenden EU-Beschluss vorsieht. Wie die Bundesregierung darin ausführt, ist Deutschland mit Inkrafttreten eines Beschlusses des Rates der Europäischen Union vom Juli 2018 zur Änderung des EU-Wahlakts zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Mitglieder des Europaparlaments verpflichtet, eine Mindestschwelle für die Sitzvergabe von nicht weniger als zwei Prozent festzulegen. Mit dem Gesetzentwurf sollen das Inkrafttreten des Beschlusses des Rates durch die Zustimmung der Bundesrepublik ermöglicht und damit die rechtlichen Grundlagen geschaffen werden, die Neuregelung in deutsches Recht umzusetzen. Für die Verabschiedung des Zustimmungsgesetzes ist eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und im Bundesrat erforderlich.
Eine Mindestschwelle für die Sitzvergabe gibt es im deutschen Europawahlrecht laut Vorlage nicht mehr, seit das Bundesverfassungsgericht 2014 (BVerfGE 135, 259) die dort geregelte Sperrklausel mangels verbindlicher europarechtlicher Vorgaben für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt hat. Mit Inkrafttreten des EU-Ratsbeschlusses ist Deutschland jedoch künftig unionsrechtlich verpflichtet, eine Sperrklausel von nicht weniger als zwei Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen einzuführen. Anders als bei den vom Bundesverfassungsgericht 2011 und 2014 entschiedenen Sachverhalten wäre die verfassungsrechtliche Prüfung damit zukünftig durch verbindliche europarechtliche Vorgaben des EU-Wahlakts eingeschränkt, wie die Bundesregierung weiter ausführt.
Quelle: HiB Nr. 367 vom 17. Mai 2023