Die Fahrerlaubnis kann sowohl von den Strafgerichten als auch von den Fahrerlaubnisbehörden entzogen werden. Dabei sind die Verwaltungsbehörden an den vom Strafgericht festgestellten Sachverhalt gebunden. Nach Ansicht der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) wird das Ziel des Gesetzgebers, widersprüchliche Entscheidungen zu Lasten des Betroffenen zu vermeiden, leider in vielen Fällen verfehlt.

„Um dem Betroffenen bei einer möglichen Fahrerlaubnisentziehung Rechtssicherheit zu geben, sollten die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Fachgerichte und Fahrerlaubnisbehörden verbessert werden“, so Rechtsanwalt Tamás Ignácz von der DAV-Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht.

Die zwingende Bindungswirkung der Fahrerlaubnisbehörde an die Feststellung des Gerichts sollte aufgehoben werden. Es gibt Beispiele, bei denen Strafgerichte und Verwaltungsgerichte die Sache unterschiedlich beurteilen: zum Beispiel bei der Frage, ob es reicht, an der Vorbereitung einer MPU teilzunehmen, oder diese zwingend auch ablegen muss (OVG Lüneburg; AZ: 12 ME 35/22).

Die Bindungswirkung ist nur dann angezeigt, wenn sowohl im Verwaltungs- als auch im Strafverfahren dieselben Maßstäbe herrschen. Das Strafgericht begrenzt seine Würdigung allerdings auf die Persönlichkeit des Betroffenen, soweit dieser im Rahmen der Straftat zum Ausdruck kam. Wenn die Verwaltungsbehörde als Überprüfungsanlass diese Straftat nimmt, haben wir die Bindungswirkung aus § 3 Abs. 4 StVG. Die Verwaltungsbehörde kann aber auch eine Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Betroffenen und der Umstände vornehmen, dann gibt es keine Bindungswirkung. Auch greift die Verwaltungsbehörde auf sachverständige Hilfe bei der Fahreignungsbeurteilung zurück, wohingegen die Strafgerichte dies in der Praxis nur auf Beweisantragstellung der Verteidigung hin tun.

„Durch einheitliche Maßstäbe bei der Fahreignungsbeurteilung können unterschiedliche Bewertungen der Fahreignung von Betroffenen vermieden werden“ so der Rechtsanwalt aus Rostock weiter. Sowohl das Interesse der Allgemeinheit als auch das Interesse der Betroffenen an einer einheitlichen Entscheidung machen es erforderlich, dass die beteiligten Behörden intensiver zusammenarbeiten. Wir brauchen den Zugriff auf dieselben Informationen, soweit es um die Beurteilung der Fahreignung der Betroffenen geht.

Hintergrund:
In der Entscheidung des OVG Lüneburg (Beschl. v. 20.4.2022 – 12 ME 35/22) beispielsweise hat das Strafgericht von der Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen, weil der Betroffene zur Vorbereitung auf eine mögliche medizinisch-psychologische Untersuchung an acht Gruppensitzungen teilgenommen hat. Der Betroffene habe sich nicht mehr charakterlich unzuverlässig und damit nicht ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen habe. Das Verwaltungsgericht hat jedoch die Anordnung zur Beibringung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung bestätigt, da sich aus dem Urteil nicht ergäbe, dass der Strafrichter die Fahreignung des Angeklagten eigenständig beurteilt hat.

Quelle: Deutscher Anwaltverein, Pressemitteilung vom 17. August 2022

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