Weniger Wartezeit für Windkraft

Die Dauer von Verfahren betreffend Windenergieanlagen beim VGH konnte im Jahr 2023 auf sehr gute 10 Monate verkürzt werden. Im Vergleich hierzu dauerten sonstige erstinstanzliche Großverfahren 2023 im Durchschnitt 15,8 Monate. Dies beruht auf der Zuweisung von zusätzlichem Personal und der Schaffung eines neuen Senats („Infrastruktursenat“) durch den Haushaltsgesetzgeber bzw. das Justizministerium sowie ergänzenden gerichtsinternen Maßnahmen. In den nunmehr zwei Senaten, die für die sehr komplexen und aufwändigen Windkraftverfahren zuständig sind, können mündliche Verhandlungen terminiert werden, sobald die Verfahren entscheidungsreif sind. Eine „Warteschlange“ aus älteren Verfahren besteht nicht mehr.

Einen ähnlichen positiven Effekt hat die Einrichtung sogenannter „Planungskammern“ mit zusätzlichen Richterstellen bei den Verwaltungsgerichten Karlsruhe und Stuttgart. In diesen Kammern, die v.a. über Bau- und Infrastrukturverfahren entscheiden, konnten die Verfahrenslaufzeiten deutlich verkürzt werden. So dauern baurechtliche Klageverfahren in der Planungskammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe im Schnitt 11,9 Monate (Vorjahr in normalen Kammern 15,8) und Eilverfahren 2,7 Monate (statt 4,0 Monate im Vorjahreszeitraum). Auch die Planungskammer des Verwaltungsgerichts Stuttgart, die erst zum 01.07.2023 eingerichtet wurde, konnte die Verfahrenslaufzeiten in baurechtlichen Verfahren bereits wesentlich verkürzen. 

Dauer der Asylverfahren bei den Verwaltungsgerichten deutlich reduziert

Klagen in Asylsachen wurden 2023 bei den erstinstanzlichen Verwaltungsgerichten im Durchschnitt innerhalb von 11,0 Monaten entschieden, im Vorjahr 2022 betrug die Verfahrensdauer noch 17,4 Monate. Grund für die Beschleunigung war der kontinuierliche Abbau des sehr hohen Verfahrensbestands in den Vorjahren, der es 2023 ermöglichte, neu eingegangene Verfahren schneller zu bearbeiten.

Erheblicher Anstieg der Asylverfahren erwartet

Bei den Verwaltungsgerichten war 2023 bereits ein deutlicher Anstieg der Eingänge zu verzeichnen. Insbesondere die Zahl der Asylverfahren stieg um 26% gegenüber dem Vorjahr. Der Bestand der unerledigten Verfahren wuchs am Jahresende um ca. 10% an. Da beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Zahl der anhängigen Verfahren sehr stark zugenommen hat, werden die Asyleingänge bei den Verwaltungsgerichten weiter stark ansteigen. Damit ist künftig wieder eine längere Verfahrensdauer zu erwarten.

Eine Verlängerung der Verfahrensdauer lässt sich nur durch zusätzliche Stellen für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vermeiden, so Prof. Dr. Malte Graßhof, seit Juni 2023 Präsident des Verwaltungsgerichtshofs: „Zusätzliche Stellen sind die Stellschrauben für schnelle Entscheidungen in Asylverfahren.“

Hintergrund: 

Für das Jahr 2024 sieht Prof. Dr. Malte Graßhof aufgrund erneut deutlich steigender Asylverfahrenszahlen auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit große Herausforderungen zukommen. Die im Rahmen der letzten Asylwelle seit 2015 aufgelaufenen Bestände seien zwar durch einen erheblichen Personalaufbau an den Verwaltungsgerichten weitgehend abgebaut und die Verfahrenslaufzeiten deutlich verkürzt worden. Habe ein Asyl-Klageverfahren 2020 noch durchschnittlich 28,2 Monate gedauert, sei die Verfahrensdauer 2023 auf 11 Monate beschleunigt worden. Eilverfahren in Asylsachen hätten 2020 4 Monate gedauert, 2023 hingegen nur noch 1,9 Monate. Im Jahr 2018 seien 31.130 Asylverfahren an den Verwaltungsgerichten anhängig gewesen, 2023 konnte der Bestand auf 7.944 Verfahren abgebaut werden. Die vorübergehend geschaffenen Richterstellen an den Verwaltungsgerichten seien seit 2020 jedoch wieder schrittweise abgebaut und das richterliche Personal von 242,53 Stellen im Jahr 2020 auf inzwischen 143,1 Stellen reduziert worden. Werde der aktuelle niedrigere Personalbestand beibehalten, sei bei aktuell steigenden Eingangszahlen wieder mit einem erheblichen Anwachsen der Bestandsverfahren und damit einer Verlängerung der Verfahrenslaufzeiten zu rechnen.

1. Geschäftsentwicklung beim VGH 2023

Allgemeine Verwaltungsrechtssachen

Im Jahr 2023 gingen beim VGH 1.534 allgemeine Verfahren ein, was gegenüber dem Vorjahr (1.780) einen Rückgang von 13,8% darstellt. Die Zahl der Erledigungen betrug 1.617 und verringerte sich gegenüber dem Vorjahr (1.885) um 14,2%. Dies beruhte insbesondere auf der Erledigung komplexer Altverfahren. Der Gesamtbestand der offenen Verfahren am Jahresende sank auf 822 allgemeine Verfahren (Vorjahr 905, Reduzierung um 9,1%).

Die durchschnittliche Dauer aller erledigten allgemeinen Verfahren blieb im Vergleich zum Vorjahr weitgehend gleich. Die durchschnittliche Verfahrensdauer der erledigten Anträge auf Zulassung der Berufung sank von 8,0 Monaten im Vorjahr leicht auf nun 7,7 Monate, bei den durch Urteil erledigten Berufungen konnte sie auf 15,3 Monate (Vorjahr 17,2) reduziert werden. Von diesen Verfahren waren 36,7% (Vorjahr 35,3%) innerhalb eines Jahres erledigt. Die Verfahrensdauer der erstinstanzlichen Hauptsachen (Klagen, Normenkontrollanträge) inkl. technischer Großvorhaben betrug 2023 15,8 Monate und stieg damit gegenüber dem Vorjahr (14,3 Monate) leicht an; 40,1% dieser Verfahren war innerhalb eines Jahres erledigt. Die durchschnittliche Dauer der Beschwerdeverfahren betrug wie im Vorjahr 3,8 Monate.

Die Erfolgsquoten (Stattgabe oder Teilstattgabe) in allgemeinen Verfahren stellen sich wie folgt dar: Berufungen hatten zu 23% (Vorjahr 26,8%) Erfolg, erstinstanzliche Hauptsachen (Klagen, Normenkontrollanträge) incl. technischer Großvorhaben zu 19,9% (Vorjahr 19,6%), Beschwerden zu 11,1% (Vorjahr 9,8%) und Anträge auf Zulassung der Berufung zu 13,7% (Vorjahr 11,9%). Von den neu eingegangenen Berufungen waren 17% bereits von den Verwaltungsgerichten zugelassen worden (Vorjahr 16,9%).

Asylverfahren

Die über mehrere Jahre zu verzeichnende starke Zunahme der Asylverfahren am VGH hat sich nicht fortgesetzt. Nachdem die Eingänge von 2016 (195 Verfahren) bis 2020 (2.048 Verfahren) Jahr für Jahr angestiegen waren, sind 2021 nur 1.618, 2022 918 und 2023 lediglich 438 neue Asylverfahren eingegangen (Rückgang gegenüber dem Vorjahr: 52,29%). Da 608 Verfahren (Vorjahr 1.122) erledigt wurden, sank die Zahl unerledigter Verfahren am Jahresende deutlich auf 162 (Vorjahr 332, Reduzierung um 51,2%). Angesichts stark steigender Asyleingänge in der ersten Instanz muss auch beim VGH künftig wieder mit mehr Verfahrenseingängen gerechnet werden.

Die durchschnittliche Dauer der durch Urteil erledigten Berufungsverfahren in Asylsachen reduzierte sich deutlich auf 13,7 Monate gegenüber 2022 (21,1 Monate). Mehr als zwei Drittel der Berufungen (66,6%) wurde binnen eines Jahres erledigt (Vorjahr 36%). Bei den Anträgen auf Zulassung der Berufung in Asylsachen stieg die Verfahrensdauer leicht auf 5,8 Monate an (Vorjahr 5,0 Monate).

Die Erfolgsquoten (Stattgabe oder Teilstattgabe) in Asylverfahren betrugen bei den Anträgen auf Zulassung der Berufung 3,6% (Vorjahr 3,8%) und bei den Berufungen 16,1% (Vorjahr 28,3%).

Durchschnittliche Richterzahl

Die Durchschnittszahl der im Geschäftsjahr 2023 beim VGH beschäftigten Richterinnen und Richter lag – in Arbeitskraftanteilen – mit 38,18 etwa auf dem Niveau des Vorjahres (39,58). Gleichwohl konnte der Bestand der offenen Verfahren am Jahresende um 20,45% auf 984 reduziert werden (Vorjahr 1.237).

2. Geschäftsentwicklung bei den Verwaltungsgerichten

Zahl der Richterinnen und Richter

Die Zahl der im Geschäftsjahr 2022 bei den vier Verwaltungsgerichten des Landes beschäftigten Richterinnen und Richter nahm auf 143,1 (Arbeitskraftanteile) im Jahresdurchschnitt deutlich ab (Vorjahr 169,83; 2021: 221,45; 2020: 242,53). In der Folge nahm der Bestand an offenen Verfahren zum Jahresende um 10,9% auf 15.144 zu (Vorjahr 13.651).

Allgemeine Verwaltungsrechtssachen

Bei den vier Verwaltungsgerichten im Land nahm der Eingang allgemeiner Verfahren mit insgesamt 9.333 um 10,74% zu (Vorjahr 8.428). Die Zahl der Erledigungen ging mit 8.640 um 5,01% gegenüber dem Vorjahr (9.069) zurück, dies ist insbesondere eine Folge des geringeren Personalbestands. Der Gesamtbestand der offenen Verfahren am Jahresende stieg gegenüber dem Vorjahr um 10,65% auf 7.200 (Vorjahr 6.507).

An den Verwaltungsgerichten hat sich die Verfahrensdauer in allgemeinen Verfahren kaum verändert. Die durchschnittliche Dauer der erledigten allgemeinen Verfahren ist bei den Hauptsachen leicht auf 11,9 Monate (Vorjahr 12,3) gesunken, in Eilverfahren ist sie mit 2,4 Monaten exakt auf dem Niveau des Vorjahres geblieben. 57,5% der Hauptsachen wurden binnen 12 Monaten erledigt.

Asylverfahren

Die Eingänge in Asylverfahren bei den Verwaltungsgerichten sind mit 12.288 gegenüber den Vorjahren (2021: 9.282, 2022: 9.747) deutlich angestiegen (+ 26,07%). Die Zahl der Erledigungen in Asylverfahren sank als Folge der geringeren Personalausstattung auf 11.488 (2021: 17.849; 2022: 12.464) und betrug damit 9,16% weniger als 2022. Der Gesamtbestand an offenen Asylverfahren am Jahresende ist auf 7.944 (+ 11,2%) gegenüber 2022 (7.144) angewachsen.

Die durchschnittliche Dauer der Asylverfahren konnte nochmals erheblich verringert werden, in Hauptsacheverfahren auf 11,0 Monate (Vorjahr 17,4 Monate), in Eilverfahren auf 1,9 Monate (Vorjahr 2,2 Monate).

3. Verfahren von öffentlichem Interesse, in denen voraussichtlich im Jahr 2024 eine Entscheidung des VGH ansteht

1. Senat

Beobachtung des Landesverbands der Alternative für Deutschland durch das Landesamt für Verfassungsschutz

Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) beobachtet seit dem 13. Juli 2022 den Landesverband der Partei Alternative für Deutschland (AfD) als Verdachtsfall. Am 14. Juli 2022 veröffentlichte es anlässlich der Bekanntgabe des baden-württembergischen Verfassungsschutzberichts für das Jahr 2021 eine Pressemitteilung unter der Überschrift: „Verfassungsschutz Baden-Württemberg beobachtet die AfD“ und teilte darin u.a. mit, die AfD werde künftig vom baden-württembergischen Verfassungsschutz beobachtet, da sie unter dem Verdacht stehe, rechtsextremistische Bestrebungen zu verfolgen. Hintergrund der Entscheidung sei die vom Verwaltungsgericht Köln bestätigte Erhebung der Gesamtpartei der AfD zum Beobachtungsobjekt durch das Bundesamt für Verfassungsschutz im März 2021. Nach eingehender Prüfung ergebe sich eine entsprechende Einschätzung für Baden-Württemberg.

Der Landesverband der AfD hat, nachdem er mit Schreiben vom 16. November 2022 das LfV erfolglos unter anderem zum Abstellen seiner Handlungen, Löschung entsprechender Mitteilungen und Abgabe von Unterlassungserklärungen aufgefordert hatte, mit Schriftsatz vom 12. Januar 2023 an das Verwaltungsgericht Stuttgart Klage gegen seine Beobachtung sowie die öffentliche Bekanntgabe derselben erhoben und zugleich einstweiligen Rechtsschutz begehrt. Zur Begründung hat er geltend gemacht, es fehle an einer Rechtsgrundlage für die Beobachtung durch das LfV. Tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen gebe es nicht. Das LfV ist dem Antrag entgegengetreten.

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat mit Beschluss vom 6. November 2023 den Antrag abgelehnt. Der Antrag des Landesverbands sei im Wesentlichen zulässig, jedoch unbegründet. Es bestünden zum Zeitpunkt der Aufnahme der Beobachtung als auch danach tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen. Diese gründeten sich auf Verhaltensweisen, die darauf gerichtet seien, die freiheitliche demokratische Grundordnung in der Ausprägung der Menschenwürde im Sinne des Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes außer Geltung zu setzen (s. Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 8. November 2023).

Der Landesverband der AfD hat hiergegen Beschwerde eingelegt und diese Anfang Dezember 2023 begründet. Das LfV hat hierauf in der zweiten Hälfte des Februar 2024 erwidert. Es ist beabsichtigt, im 2. oder 3. Quartal 2024 über die Beschwerde zu entscheiden (1 S 1738/23).

3. Senat

Mannheimer Innenstadt: Verbot gewerbsmäßiger Grillnutzung

Die Antragstellerin wendet sich mit einer Normenkontrolle gegen den Bebauungsplan Nr. 11.43 „Verbrennungsverbot beidseits der Kurpfalzstraße“ (früher Breite Straße) vom 22.04.2021 in Mannheim – Innenstadt/Jungbusch.

Der Bebauungsplan enthält folgende Festsetzung:

„Im Geltungsbereich des Bebauungsplans ist die gewerbsmäßige Verwendung von festen und gasförmigen Brennstoffen in Feuerstätten, die dazu bestimmt sind, Speisen durch unmittelbare Berührung mit heißen Abgasen zu backen oder in ähnlicher Weise zuzubereiten, unzulässig.“ Hierzu wird in der Begründung ausgeführt, durch die Massierung von Grillrestaurants in der Umgebung des Marktplatzes, von denen eine Vielzahl Holzkohlegrills benutzten, komme es zu einer erheblichen Luftverschmutzung durch Rauch-, Ruß-, Feinstaub- und Gerüche. Diese Immissionen stammten ganz überwiegend von den mit Holzkohle oder Gas betriebenen Grills. Es habe vermehrt Anwohnerbeschwerden gegeben. Ziel des Bebauungsplans sei es, gesunde Wohn-, Arbeits- und Aufenthaltsverhältnisse in dem betroffenen Stadtteil sicherzustellen.

Die Antragstellerin betreibt im Plangebiet ein Grillrestaurant. Sie rügt u. a., die Festsetzung habe keine Ermächtigungsgrundlage im Baugesetzbuch; es handele sich um eine immissionsschutzrechtliche Zielsetzung. Es lägen außerdem Abwägungsfehler vor, weil es nicht sachgerecht sei, Holzkohle- und Gasgrills gleich zu behandeln, und die Folgen für die Gaststättenbetreiber unzumutbar seien.

Die Stadt Mannheim hält dem entgegen, es handele sich um eine örtliche Problemlage und damit um eine städtebauliche Zielsetzung. Die Wohn- und Aufenthaltsqualität im Plangebiet sei zeitweilig stark eingeschränkt. Einzelmaßnahmen z. B. nach Immissionsschutzrecht seien für sich genommen zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität nicht geeignet. Die Auswirkungen von Holzkohle- und Gasgrills seien vergleichbar.

Die mündliche Verhandlung findet am Dienstag, den 30. April 2024 um 11.00 Uhr statt (3 S 189/22).

5. Senat

Stuttgart 21 – Abstellbahnhof Untertürkheim

Die Klage betrifft den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamts vom 17. Dezember 2021, mit dem der Plan für den zum Großprojekt „Stuttgart 21“ gehörenden Abstellbahnhof Untertürkheim festgestellt wurde (Planfeststellungsabschnitt 1.6a).

Gegenstand des planfestgestellten Vorhabens ist die Verlegung der derzeit noch südlich des Rosensteinparks gelegenen Abstell- und Wartungsanlagen in den Bereich des heutigen Güterbahnhofs Untertürkheim, auf dessen Gelände ein neuer Abstellbahnhof mit Außen- und Innenreinigungsanlagen und einem Technikgebäude mit Lager-, Sozial- und Büroräumen errichtet werden soll.

Der Kläger begehrt die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, weil – so die Klagebegründung – sein in unmittelbarer Nähe zu dem Vorhaben befindliches Wohneigentum unzumutbaren Lärmimmissionen ausgesetzt werde. Denn die zu erwartenden Lärmemissionen des planfestgestellten Abstellbahnhofs seien fehlerhaft ermittelt worden und es sei davon auszugehen, dass die auf sein Wohneigentum einwirkenden Lärmemissionen ohne zusätzliche Schallschutzmaßnahmen die gesetzlichen Richtwerte überschreiten würden.

Die beklagte Bundesrepublik sowie die als Vorhabenträgerin zum Verfahren beigeladene DB Netz AG sind der Klage entgegengetreten. Sie halten die gesetzlichen Vorgaben zum Lärmschutz für erfüllt.

Die mündliche Verhandlung findet am 3. Juli 2024 um 10:00 Uhr statt (5 S 853/22).

Stuttgart 21 – Bahnhof Flughafen Stuttgart/Messegelände

Die Klagen betreffen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamts vom 11. Februar 2022, mit dem der Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 14. Juli 2016 in der Gestalt des Änderungs- Planfeststellungsbeschlusses vom 11. Oktober 2019 erneut geändert wurde. Der Planfeststellungsbeschluss vom 14. Juli 2016 dient im Rahmen des Projekts Stuttgart 21 der Einbindung der Eisenbahn-Neubaustrecke zwischen Wendlingen und Ulm in den Bahnknoten Stuttgart, insbesondere ist er die Grundlage für die Errichtung eines unterirdischen Bahnhofs in der Nähe des Flughafens Stuttgart/Messegelände (Station NBS) und für den Bau des sogenannten Flughafentunnels, der Verbindungsstrecke zwischen der Station NBS und der eigentlichen Eisenbahnstrecke Wendlingen – Ulm. Mit dem ersten Änderungs- Planfeststellungsbeschluss vom 11. Oktober 2019 wurden zuvor in einem gerichtlichen Verfahren (Senatsurteil vom 20. November 2018 – 5 S 2138/16) festgestellte Abwägungsmängel behoben.

Der hier streitige Änderungs- Planfeststellungsbeschluss vom 11. Februar 2022 betrifft eher technisch gelagerte Fragen ohne grundsätzliche Bedeutung für das Gesamtvorhaben. Gegenstand der Planänderung sind Anpassungen an der bestehenden Eisenbahnüberführung Neue Messe und der Neubau einer Betonummantelung zwecks Anpassung an die geänderten Richtlinien der DB, die Vergrößerung der Aufzüge sowie Anpassungen im Fluchttreppenhaus im Empfangsgebäude für die Station NBS und der Zugangsanlage Ost, Anpassungen am Entrauchungsbauwerk für die Station NBS, die Integration eines Trinkwasserübergabeschachtes in die neue, nun zweiteilige Stützwand am Wirtschaftshof des Hotels Wyndham, der Neubau einer Zufahrt zum Messeparkplatz P40 als Ersatzzufahrt, Anpassungen von Anlagen des Bahnhofsvorplatzes für die Station NBS Zugang Ost und am Fahrzeugrückhaltesystem an der Zufahrt Parkplatz Messe sowie Änderungen und Ergänzungen an Entwässerungsanlagen.

In dem Verfahren 5 S 819/22 ist Klägerin die Flughafen Stuttgart GmbH. Sie begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses sowie den Erlass einer Nebenbestimmung, wonach die Zugänglichkeit aller im Vorhabenbereich liegenden Leitungen und Anlagen der Klägerin zu Zwecken der Instandhaltung zu gewährleisten ist.

In dem Verfahren 5 S 820/22 ist Klägerin die Projektgesellschaft Neue Messe GmbH & Co. KG). Nachdem sich die Beteiligten teilweise außergerichtlich geeinigt haben ist noch die Frage der Nutzung der Parkplätze des Flughafens bzw. der Messe durch Kunden der Bahn streitig.

Die mündliche Verhandlung findet am 15. Mai 2024, 10:30 Uhr statt (5 S 819/22 und 5 S 820/22).

6. Senat

Sperrzeitverordnung für die Heidelberger Altstadt

Im Mai 2018 erklärte der VGH die Heidelberger Sperrzeitverordnung – welche Sperrzeiten von Montag bis Donnerstag ab 2:00 Uhr und in den Nächten zum Freitag bis Sonntag ab 4:00 Uhr vorsah – wegen Verstoßes gegen elementare Interessen der Anwohner für unwirksam und wies die Stadt Heidelberg auf ihre Verpflichtung hin, sich um eine deutliche Verbesserung der Lärmsituation für die Anwohner zu bemühen. Mit Erlass der Sperrzeitverordnung vom 24. Juli 2018 setzte der Gemeinderat die Sperrzeiten in den Nächten zum Montag bis Donnerstag auf 1:00 Uhr, in der Nacht zum Freitag auf 3:00 Uhr und in den Nächten zu Samstag bis Sonntag auf 4:00 Uhr fest. Daneben beschloss er ein Paket flankierender Maßnahmen zur Lärmprävention.

Die Kläger, die in der Heidelberger Altstadt wohnen, halten dies nicht für ausreichend und haben Normänderungsklage vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben. Sie machen geltend, die zulässigen Lärmgrenzwerte würden durch den nächtlichen Betrieb der Gaststätten weit überschritten. Die beschlossenen begleitenden Maßnahmen hätten bisher keine Besserung gebracht. Mit Urteil vom 31. Juli 2019 hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe die Stadt Heidelberg verurteilt, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über eine Änderung der Sperrzeitverordnung vom 24. Juli 2018 zu entscheiden. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts haben die Kläger einen Anspruch darauf, dass die Stadt Heidelberg die Sperrzeitverordnung ändert und die Sperrzeiten (mindestens) auf 0:00 Uhr an Wochentagen – und damit auch am sog. studentischen Donnerstag – und am Wochenende sowie in den Nächten zu gesetzlichen Feiertagen in Baden-Württemberg auf 2:30 Uhr festsetzt (siehe Pressemitteilungen des VG Karlsruhe vom 1. August 2019 und vom 25. September 2019).

Gegen das Urteil haben beide Seiten die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung eingelegt. Nachdem in einem ersten Termin am 29. Juli 2020 Vergleichsbemühungen gescheitert waren und das Verfahren während der Corona-Pandemie nicht sinnvoll weiterbetrieben werden konnte, hat der Senat nach Auslaufen der coronabedingten Einschränkungen des Gaststättenbetriebs mit Beschluss vom 2. März 2023 zu der Frage, welchen Geräuschimmissionen die Kläger in den Nachtstunden typischerweise ausgesetzt sind, die auf sich in der Heidelberger Altstadt aufhaltende Gaststättenbesucher zurückzuführen sind, zur Beweiserhebung ein schalltechnisches Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben, dessen Fertigstellung im Frühsommer 2024 erwartet wird.

Nach Vorlage dieses Gutachtens wird voraussichtlich im 3. Quartal 2024 ein erneuter Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt werden (6 S 2828/19).

Transportverbot für nicht abgesetzte Kälber

Der Kläger, eine anerkannte Tierschutzorganisation, will mit seiner Klage erreichen, dass das zuständige Landratsamt Ravensburg jeglichen (langen) Transport nicht abgesetzter Kälber verbietet, bis die Transportunternehmen die von dem Kläger bezeichneten Mängel – im Wesentlichen betreffend die bedarfsgerechte Tränkung und Fütterung der Tiere mit erwärmter Milch oder erwärmtem Milchaustauscher mittels Saugstutzen auf dem Transportmittel – bei den Transporten beseitigt haben.

Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hat die Klage mit Urteil vom 8. Dezember 2022 als unzulässig abgewiesen. Dem Kläger fehle die erforderliche Klagebefugnis (siehe dazu die Pressemitteilung des VG Sigmaringen vom 23.01.2023). Gegen das Urteil hat der Kläger die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Er hält seine Klage für zulässig, insbesondere sei er klagebefugt. Die Kälber-Transporte entsprächen aktuell nicht den Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 (- Transportverordnung -). Lange Beförderungen nicht abgesetzter Kälber seien daher unabhängig von der konkreten Prüfung der Freigabeentscheidung hinsichtlich jeder einzelnen Transportfahrt durch eine entsprechende Verbotsverfügung zu unterbinden, bis die Verstöße abgestellt seien. Das beklagte Land, das die Klagebefugnis des Klägers ebenfalls für gegeben erachtet, ist der Auffassung, eine vorbeugende Verbotsverfügung sei in der Struktur der Transportverordnung nicht vorgesehen und aufgrund der Prüfung des konkret geplanten Transports im Einzelfall nicht erforderlich, um das Wohlbefinden der Tiere sicherzustellen. Im Übrigen hält es sich in seiner Verwaltungspraxis der Freigabe der langen Transporte nicht abgesetzter Kälber durch die Entscheidungspraxis der Gerichte im Eilverfahren für faktisch gebunden.

Die mündliche Verhandlung findet am 1. August 2024, 10:30 Uhr statt (6 S 254/23).

8. Senat

Bau der 2. Gauchachtalbrücke

Der Kläger – ein anerkannter Umweltverband – wendet sich gegen die den bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss vom 10. Juli 1991 ergänzende Plangenehmigung des Regierungspräsidiums Freiburg vom 11. Februar 2022 für den Bau der – bislang nicht erstellten – 2. Gauchachtalbrücke im Rahmen der Fertigstellung der Ortsumfahrung der B 31.

Wesentlicher Anlass für die Planergänzung war die bei der Bauausführung erforderlich werdende vorübergehende Flächeninanspruchnahme und deren Auswirkungen, die bislang nicht in den Blick genommen worden waren.

Der Kläger macht geltend, dass die durchgeführte Vorprüfung nicht den gesetzlichen Vorgaben des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes (§ 5 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 7 UVPG) entsprochen habe. Darüber hinaus komme es zu erheblichen Beeinträchtigungen von Natura 2000-Gebieten (§ 34 Abs. 1 BNatSchG) und gesetzlichen Biotopen (§ 30 BNatSchG) sowie zu Verstößen gegen artenschutzrechtliche Verbote (§ 44 Abs. 1 BNatSchG). Betroffen seien insbesondere das Große Mausohr, der Biber, die Schlingnatter und die Zauneidechse.

Im Rahmen der planerischen Abwägung hätte schließlich Berücksichtigung finden müssen, dass der bisherige Ausbauzustand der B 31 im Bereich des Brückenbau-werks völlig ausreiche und das Vorhaben nicht mehr mit den aktuellen Zielen einer Reduzierung des Kraftfahrzeugverkehrs und der damit verbundenen Emissionen vereinbar sei.

Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren (8 S 117/23) hat der Senat inzwischen dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO mit Beschluss vom 31.07.2023 stattgegeben.

Die mündliche Verhandlung im Hauptsacheverfahren findet am 25. April 2024 um 10:30 Uhr statt (8 S 1738/22).

Festlegung neuer Abflugverfahren am Stuttgarter Flughafen

Die klagenden Gemeinden (Denkendorf, Neuhausen auf den Fildern, Wolfschlugen, Walddorfhäslach, Stadt Aichtal und Stadt Nürtingen) wenden sich mit ihren Feststellungsklagen gegen die Festlegung neuer Abflugverfahren am Stuttgarter Flughafen, die unter anderem dazu führten, dass ihre Grundstücke und von ihr betriebene öffentliche Einrichtungen erstmals bzw. künftig stärker betroffen würden. Ihre privaten und kommunalen Belange seien fehlerhaft abgewogen worden. Dies folge schon daraus, dass die nun festgelegten Flugverfahren erheblich von dem Lärmschutzkonzept abwichen, welches seinerzeit dem Planfeststellungsbeschluss für den Stuttgarter Flughafen zugrunde gelegen habe. Jedenfalls gebe es keine hinreichend schwerwiegenden Gründe, die eine Abweichung rechtfertigten. Dass künftig große Bevölkerungsteile entlastet würden, treffe nicht zu. Vielmehr komme es lediglich zu einer sie belastenden „Lärmverschiebung“. Auch ergäben sich weder Verbesserungen hinsichtlich der Luftsicherheit noch hinsichtlich einer geordneten oder flüssigen Abwicklung des Luftverkehrs. Unabhängig davon fehle es auch an einer Umweltverträglichkeitsprüfung (8 S 294/23, 8 S 295/23, 8 S 296/23, 8 S 297/23, 8 S 298/23 und 8 S 299/23).

Die Verfahren werden gemeinsam am 11. Juni 2024 um 10:00 Uhr verhandelt.

10. Senat

Berufungsverfahren „Kessler-Grube“

Gegenstand des Verfahrens ist die Verbindlichkeitserklärung der Altlastensanierung für den „Perimeter 2“ (sog. „Geigy-Grube“) des Altlastenstandorts „Kessler-Grube“ in Grenzach-Wyhlen. Der Sanierungsplan wurde im Auftrag der beigeladenen Grundstückseigentümerin, eines Chemieunternehmens, erstellt. Statt der darin geplanten Sanierung der Altlast mittels Dichtwand, Oberflächenabdichtung und hydraulischer Sicherung (Einkapselung) erstrebt der BUND als Kläger einen Aushub des belasteten Erdreichs (Dekontamination).

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 07.08.2019, Az. 8 K 8879/17). Die Berufung hiergegen hat der 10. Senat des VGH mit Urteil vom 14.07.2021 (Az. 10 S 141/20) zurückgewiesen. Dabei hat er angenommen, dass dem BUND als Umweltverband nur ein eingeschränktes Klagerecht hinsichtlich der mit der Sanierungsmaßnahme verbundenen erstmaligen Eingriffe in die Umwelt – hier konkret der Errichtung einer die Altlast umschließenden Dichtwand mit Oberflächenabdichtung sowie die Förderung von Grundwasser – zustehe. Eine Überprüfung der ordnungsgemäßen Anwendung des Bodenschutzrechts könne er demgegenüber nicht verlangen, weil es sich insoweit um eine Gefahrenabwehrmaßnahme handle, hinsichtlich derer das Gesetz kein Verbandsklagerecht vorsehe (siehe hierzu Pressemitteilungen des VGH vom 20.07.2021 und vom 08.09.2021). Dieses Berufungsurteil hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 22.06.2023 (Az. 10 C 4.23) teilweise aufgehoben und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an den VGH zurückverwiesen. Das Verbandsklagerecht nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz erstrecke sich auf die gesamte bodenschutzrechtliche Verbindlichkeitserklärung. Deshalb sei die Rechtmäßigkeit des für verbindlich erklärten Sanierungsplans zu prüfen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht sei dabei zu beachten, dass die Verbindlichkeitserklärung des Sanierungsplans eine – bislang unterbliebene – Vorprüfung voraussetze, ob eine Strategische Umweltprüfung (SUP) durchzuführen sei. Soweit es um den Antrag auf Verpflichtung zur Dekontamination geht, ist die Revision des BUND demgegenüber ohne Erfolg geblieben (siehe Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.06.2023).

Der 10. Senat strebt an im ersten Halbjahr 2024 erneut mündlich zu verhandeln (Az. 10 S 1658/23).

Erweiterung eines Rinderstalls im Ostalbkreis auf 1.484 Plätze

Gegenstand des Verfahrens ist die immissionsschutzrechtliche Genehmigung der Erweiterung eines Rinderstalls von derzeit 888 auf 1.484 Tierplätze sowie die Erweiterung der zeitweiligen Lagerung von Gülle und Gärresten von derzeit etwa 10.000 m³ auf etwa 20.000 m³ Fassungsvermögen. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat die erteilte Genehmigung auf Klage des BUND für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt, weil die durchgeführte Vorprüfung der Umweltauswirkungen des Vorhabens nicht in allen Punkten korrekt durchgeführt worden sei. So sei nicht hinreichend zu erkennen, dass das Landratsamt die Auswirkungen auf den Grundwasserkörper durch die erhöhten Ammoniak- und Stickstoffeinträge über den Luftpfad in die nähere Umgebung in den Blick genommen habe. Dies sei in Anbetracht der jahrelang auffallend schlechten Grundwassermesswerte in der Umgebung der vorhandenen Hofstelle aber geboten gewesen. Die Vorprüfung müsse insoweit nachgeholt werden (Urteil vom 07.11.2023, Az. 6 K 5636/21, siehe hierzu Pressemitteilung des VG Stuttgart vom 20.11.2023).

Das Land hat beim VGH die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts beantragt (Az. 10 S 1979/23).

Berufungsverfahren „Entsorgung von Betonabfällen aus dem Rückbau kerntechnischer Anlagen“

Beim 10. Senat sind drei Berufungsverfahren im Zusammenhang mit der Entsorgung von Betonabfällen aus dem Rückbau kerntechnischer Anlagen in Philippsburg anhängig.

Zentraler Hintergrund der Verfahren ist das Begehren der für den Rückbau der kerntechnischen Anlagen in Philippsburg und Eggenstein-Leopoldshafen zuständigen Unternehmen auf Beseitigung der beim Rückbau dieser Anlagen anfallenden, dem strahlenschutzrechtlichen Freigabeverfahren unterliegenden Abfällen mit dem Abfallschlüssel 17 01 01 auf der im Enzkreis gelegenen Deponie Hamberg. Mit öffentlich-rechtlicher Vereinbarung aus dem Jahr 2004 (in Verbindung mit einer Vereinbarung aus dem Jahr 2019) verpflichtete sich der Enzkreis gegenüber dem Landkreis Karlsruhe zur Beseitigung von im Landkreis Karlsruhe anfallenden thermisch nicht behandelbaren (inerten) Abfällen auf der Deponie Hamberg. Die Reichweite der Vereinbarung ist zwischen den Beteiligten der Verfahren streitig. Das Regierungspräsidium Karlsruhe erließ im Jahr 2020 für die beim Rückbau der oben genannten kerntechnischen Anlagen anfallenden mineralischen Abfälle des Abfallschlüssels 17 01 01, die einer spezifischen Freigabe zur Beseitigung unterliegen, eine Ausnahmezulassung für die Ablagerung auf der Deponie Hamberg nach § 28 Abs. 2 KrWG. Hiermit soll die Entsorgung entsprechender Abfälle auf dieser Deponie ermöglicht werden.

Gegenstand der Verfahren 10 S 1933/22 und 10 S 1945/22 ist die Versagung von Annahmeerklärungen für bei dem Rückbau der kerntechnischen Anlagen anfallenden Abfälle mit dem Abfallschlüssel 17 01 01 durch den jeweils beklagten Enzkreis. Klägerinnen sind die für den Rückbau der kerntechnischen Anlagen in Philippsburg und Eggenstein-Leopoldshafen zuständigen Unternehmen. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat die Klagen abgewiesen (Urteile vom 29.04.2022, Az. 9 K 4536/20 und 9 K 4542/20, siehe hierzu auch Pressemitteilung des VG Karlsruhe vom 4. August 2022). Die Klägerinnen haben jeweils die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt.

Gegenstand des Verfahrens 10 S 1934/22 ist die vom Regierungspräsidium Karlsruhe erteilte, vom betroffenen Enzkreis nicht beantragte Ausnahmezulassung zur Entsorgung der beim Rückbau der kerntechnischen Anlagen in Philippsburg und Eggenstein-Leopoldshafen anfallenden mineralischen Abfälle des Abfallschlüssels 17 01 01 auf der Deponie Hamberg. Auf die Klage des Enzkreises hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe die Ausnahmezulassung aufgehoben (Urteil vom 29.04.2022, Az. 9 K 4660/20, siehe hierzu auch Pressemitteilung des VG Karlsruhe vom 4. August 2022). Sowohl das beklagte Land als auch die für den Rückbau der kerntechnischen Anlagen in Philippsburg und Eggenstein-Leopoldshafen zuständigen Unternehmen haben die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt.

Die mündliche Verhandlung der Verfahren ist im ersten Halbjahr 2024 geplant.

Windkraft

Beim 10. Senat sind derzeit insgesamt zehn erstinstanzliche (noch nicht verhandelte) Klageverfahren anhängig, die sämtlich im vergangenen Jahr eingegangen sind. Drei davon betreffen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für drei Windenergieanlagen (WEA) in Welzheim/Plüderhausen, die von einem Umweltverband (Az. 10 S 1455/23), einem Landwirt (10 S 1473/23) und – wegen einzelner Nebenbestimmungen – vom Anlagenbetreiber selbst (Az. 10 S 1411/23) beklagt wird. Bei den übrigen Verfahren handelt es sich um fünf Klagen von Anlagenbetreibern gegen Nebenbestimmungen (Az. 10 S 772/23, 10 S 863/23, 10 S 864/23, 10 S 1124/23 und 10 S 1396/23) sowie je eine Klage eines Umweltverbands (Genehmigung des Windparks „Länge“ nahe Donaueschingen, 6 WEA, Az. 10 S 477/23) und einer Standortgemeinde (Windpark „Seewald“, 8 WEA, Az. 10 S 834/23) gegen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigungen.

Der Senat beabsichtigt, diese Verfahren im Laufe des Jahres zu verhandeln.

11. Senat

Einbürgerungsantrag – Mitarbeit in der Studentenabteilung Millî Görüş

Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Seiner Klage, das Land Baden-Württemberg zu verpflichten, ihm eine Einbürgerungszusicherung zu erteilen, hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen mit Urteil vom 13. Juni 2019 (9 K 2811/17) stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung des Landes vor dem VGH.

2013 beantragte der Kläger, der bereits als Kleinkind ins Bundesgebiet eingereist ist, seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband. Im Einbürgerungsverfahren unterzeichnete er sein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Er teilte der Einbürgerungsbehörde gegenüber u. a. mit, dass er ein Leben als gläubiger Moslem (Sunnit) führe, seit seiner Kindheit eine Moschee besuche und seit einiger Zeit auch zum Vorstand eines Moscheevereins zähle. Außerdem engagiere er sich in der Studentenabteilung der Islamischen Gesellschaft Millî Görüş (IGMG) und setze sich dafür ein, junge Menschen für die Aufnahme eines Studiums zu interessieren. Die IGMG hat ihren Sitz in Deutschland, ist aber auch in anderen Staaten aktiv. Sie versteht sich als islamische Religionsgemeinschaft. Die von ihr geleitete Organisation ist einer der größten Betreiber von Moscheen in Deutschland. Zugleich zählt die IGMG zu den Organisationen, die der Beobachtung durch das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg unterliegen. Dies hat seinen Grund in der Annahme, dass die IGMG seit ihrer Gründung integraler Bestandteil der türkischen Millî Görüş-Bewegung sei. Diese verfolge das Ziel, eine gerechte Ordnung auf der Grundlage des Islam zu etablieren und langfristig alle anderen politischen Systeme (auch dasjenige der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland) abzuschaffen. Die IGMG verfolge ihre gesellschaftspolitischen Ziele mittels einer legalistischen Strategie. Während die Organisation nach außen hin moderat und dialogorientiert auftrete, weise sie nach innen Merkmale eines geschlossenen, ganz auf die muslimische Weltgemeinschaft hin ausgerichteten Systems auf. Die Strategie bestehe darin, ihre Anhänger erfolgreich in die Gesellschaft zu integrieren, nach und nach Schlüsselpositionen zu besetzen und auf diesem Weg von innen heraus den angestrebten Systemwechsel zu bewirken.

Im Jahr 2016 lehnte das Landratsamt auf Anweisung des baden-württembergischen Innenministeriums den Einbürgerungsantrag des Klägers ab. Zur Begründung wies es auf das Engagement des Klägers im Moscheeverein und in der Studentenabteilung der IGMG hin. Dieses Engagement begründe relevante Zweifel an der Aufrichtigkeit des Klägers bei der Abgabe seines Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Außerdem lägen tatsächliche Anhaltspunkte vor, die die Annahme rechtfertigten, dass er Bestrebungen unterstütze, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet seien.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger, indem er ausführt, dass er keine Bestrebungen unterstütze oder unterstützt habe, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland gerichtet seien. Mit seinem Engagement im Moscheeverein und in der Studentenabteilung der IGMG mache er von seinen Grundrechten Gebrauch und verfolge gesellschaftlich anerkennenswerte Ziele. Ihm sei nicht bekannt, dass die IGMG oder der Moscheeverein das Ziel verfolgten, die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland durch eine am Islam ausgerichtete Rechts- und Gesellschaftsordnung zu ersetzen. Er befürworte die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland.

Ein Termin zur mündlichen Verhandlung, bei der eine umfangreiche Beweisaufnahme stattfinden wird, steht noch nicht fest (11 S 3532/21)

14. Senat

Windkraft

Beim 14. Senat sind aktuell sieben Verfahren betreffend Windenergieanlagen (WEA) anhängig. Die durchweg erstinstanzlichen Verfahren sind alle im Jahr 2023 eingegangen, drei davon im zweiten Halbjahr.

Bei sechs Verfahren handelt es sich um Klageverfahren betreffend immissionsschutzrechtliche Genehmigungen. Dabei handelt es sich um zwei Anfechtungsklagen von Naturschutzverbänden (14 S 433/23, zwei WEA in Freiburg, Standort „Taubenkopf“, und 14 S 900/23, Betriebszeitenerweiterung für eine WEA in Braunsbach-Jungholzhausen), eine Klage eines privaten Nachbarn (14 S 1503/23, eine WEA in Hornberg-Reichenbach – Windpark „Falkenhöhe“) sowie zwei in einem Verfahren verbundene Klagen eines Flugplatzbetreibers und eines Piloten (14 S 244/23, zwei WEA in Höpfingen – Windpark „Kornberg-Dreimärker“, s.u.). Ferner zählen hierzu zwei im Sachzusammenhang stehende Klagen eines Windenergieunternehmens, das eine Verpflichtungsklage (14 S 116/23, Genehmigung für vier WEA in Pfullendorf-Denkingen) und eine Anfechtungsklage gegen Nebenbestimmungen einer Genehmigung erhoben hat (14 S 1859/23). Neben den sechs Klageverfahren ist ein Normenkontrollverfahren anhängig, in dem sich ein Windenergieunternehmen gegen einen Teilflächennutzungsplan wendet, mit dem die Ansiedlung von WEA gesteuert werden soll (14 S 1686/23, Gebiet der Vereinbarten Verwaltungsgemeinschaft Bad Mergentheim, s.u.).

Windpark „Kornberg-Dreimärker“

Die Kläger wenden sich gegen die Genehmigung des Landratsamts Neckar-Odenwald-Kreis für die Errichtung den Betrieb von zwei WEA (Typ ENERCON E-115 EP3 und ENERCON E-138 EP3 E3, Nennleistung 4,2 bzw. 4,26 MW) im Windpark Kornberg-Dreimärker (siehe in diesem Zusammenhang auch die – klagabweisend – entschieden Klageverfahren 14 S 218/23, 14 S 219/23, 14 S 220/23 sowie die diesbezüglichen Pressemitteilungen vom 21.12.2023 und vom 16.02.2024). Die Kläger sind der Betreiber des nahe gelegenen Verkehrslandeplatzes Walldürn und ein Pilot, der diesen regelmäßig nutzt. Sie machen geltend, durch den Betrieb der WEA werde die Sicherheit des Luftverkehrs erheblich gefährdet.

Die mündliche Verhandlung findet am 22. März 2024 um 11:00 Uhr statt (14 S 244/23).

Windpark „Falkenhöhe“

Die Kläger wenden sich gegen die Genehmigung des Landratsamts Ortenaukreis vom 15.08.2023 für die Errichtung und den Betrieb einer WEA (Vestas V136, Nennleistung 4,2 MW, 217 m Gesamthöhe) im Windpark „Falkenhöhe“ auf der Gemarkung Hornberg-Reichenbach. Sie sind Eigentümer von zwei mit Wohnhäusern bebauten Grundstücken, die in der Nähe des Standorts der WEA liegen (nach ihren Angaben beträgt der Abstand das 1,96-fache und das 2,99-fache der Höhe der Anlage). Sie machen Schall- und Infraschallbelastungen sowie eine optisch bedrängende Wirkung geltend.

Der Senat hat eine mündliche Verhandlung im 2. Quartal 2024 angekündigt (14 S 1503/23)

Normenkontrolle „Konzentrationszonen für Windkraftanlagen“ der Vereinbarten Verwaltungsgemeinschaft Bad Mergentheim

Die Antragstellerin, ein Windkraftunternehmen, wendet sich mit ihrem am 24.10.2023 gestellten Normenkontrollantrag gegen den sachlichen Teilflächennutzungsplan „Konzentrationszonen für Windkraftanlagen“ der Vereinbarten Verwaltungsgemeinschaft Bad Mergentheim, mit dem die Errichtung von Windkraftanlagen auf bestimmten Flächen konzentriert und auf anderen Flächen ausgeschlossen werden soll. Die Antragstellerin macht sinngemäß geltend, der Plan sei unwirksam, soweit damit die genannte Ausschlusswirkung herbeigeführt werden soll. Sie macht formelle Fehler und Abwägungsmängel geltend. Sie beanstandet hierbei u.a., dass der Plangeber die rechtlich gebotene Prüfung, ob der Plan der Windenergie substanziell Raum verschaffe, fehlerhaft durchgeführt habe, nachdem er lediglich 0,32 % der Gemarkungen der Verbandsmitgliedsgemeinden für Windenergie zur Verfügung gestellt habe. Die Stadt Bad Mergentheim hat Gelegenheit zur Antragserwiderung bis Anfang Februar 2024. Der Senat wird danach über den Fortgang des Verfahrens und eine möglichst zeitnahe Terminierung entscheiden (14 S 1686/23).

(c) VGH Baden-Württemberg, 08.03.2024

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