Mit Urteilen vom 28. Juni  2023 hat die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Osnabrück die Klagen zweier Betreiber  von Lebensmittelmärkten anlässlich  der Verweigerung der Eichung von Waagen-Kassen-Systemen in den Märkten und eichrechtlicher  Beanstandungen dieser Systeme durch den beklagten Landesbetrieb für Mess- und  Eichwesen Niedersachsen (MEN) abgewiesen.

In den Märkten wurde bei Prüfungen ihrer Waagen-Kassen-Systeme  im November 2021 bzw. Januar 2022 festgestellt, dass ein Programm installiert  worden war, das den kundenseitigen Verzicht auf einen ausgedruckten Bon und  stattdessen die Wahl eines Digitalbons zuließ. Daraufhin verweigerte der MEN  die Eichung der Waagen-Kassen-Systeme, beanstandete diese und forderte die  Inhaber der Märkte auf, die Mängel abzustellen. Es müsse zwingend ein physischer  Bon ausgegeben werden (sog. Zwangsbon). Ein Verzicht hierauf durch den Kunden  und die Ausgabe eines digitalen Bons anstelle des physischen Bons seien nicht  zulässig. 

Anlässlich der Eichverweigerungen und der  Beanstandungsbescheide haben die Kläger im Februar 2022 Klage erhoben. Die Beanstandungen  seien rechtswidrig, da die Richtlinie 2014/31/EU keinen physischen Zwangsbon  fordere. Die im Anhang I der Richtlinie unter Ziffer 14 UAbs. 4 genannten Worte  „ausgedruckt auf einem Bon oder Etikett“ deuteten nicht zwingend auf einen  physischen Bon hin. Drucken könne auch im Sinne einer elektronischen Ausgabe  verstanden werden. Gängig sei mittlerweile auch der Begriff des PDF-Drucks bzw.  des virtuellen Druckens, was sich auch aus internationalen Normwerken ergebe.  Der Verbraucherschutz sei in keiner Weise beeinträchtigt, da die Kunden eine  Wahlmöglichkeit zwischen digitalem und physischem Bon hätten. Es würden ohne  erkennbaren Mehrwert wöchentlich zehntausende Bons gedruckt, die niemand  benötige – weder die Kunden noch die Eichbehörden.

Der MEN ist der Auffassung, dass die  Waagen-Kassen-Systeme der Kläger ohne Zwangsbon nicht den Vorgaben der Prüfungsbescheinigung  der Physikalisch Technischen Bundesanstalt (PTB) für die einschlägigen Systeme  entsprächen. Zudem erfüllten die Systeme nicht die wesentlichen Anforderungen der Richtlinie 2014/31/EU. Die klägerische Auslegung sprenge den Wortlaut der  einschlägigen Bestimmungen.

Das Gericht ist dem Vortrag des MEN  gefolgt. Die Kammer hat in ihrer mündlichen Urteilsbegründung zum einen ausgeführt,  dass der Wortlaut der Richtlinie 2014/31/EU, nach dem die Angaben über Wägevorgänge „auf einem Bon oder Etikett ausgedruckt“  werden müssten, eindeutig sei. Ein kumulatives Verständnis von „Ausdrucken“ als  (auch) digitales Drucken, „Bon“ als Oberbegriff auch für einen digitalen Bon  und „auf“ im Sinne von „in einer Datei“ schieden aus. Es seien für das Gericht  zwar in der Sache keine Gründe vorgetragen worden oder ohne Weiteres  ersichtlich, weshalb ein digitaler Bon die Erreichung der Ziele des Richtliniengebers  gefährden könne. Allerdings könne die Zulässigkeit des Digitalbons angesichts des eindeutigen Wortlautes dann nur im Wege der Rechtsfortbildung erreicht  werden. Zu einer entsprechenden Rechtsfortbildung sehe sich die Kammer hier  allerdings nicht befugt. Angesichts der Reichweite der Änderung (Vielzahl  betroffener Fälle), ihres technischen Charakters und zur Gewährleistung der Normenklarheit  müsse der Richtliniengeber hier tätig werden. Zum anderen – das Urteil selbstständig  tragend – widersprächen die Waagen-Kassen-Systeme auch der Prüfungsbescheinigung der PTB und damit der Konformitätserklärung des  Herstellers, deren Teil die Prüfungsbescheinigung sei. Hier müsse nach  Auffassung des Gerichts der ursprüngliche Hersteller der Systeme oder ggf. der  Verwender als Hersteller im Sinne von § 2 Nr. 6 Hs. 2 MessEG eine Änderung der Prüfungsbescheinigung gegenüber der Physikalisch Technischen Bundesanstalt  erwirken. 

Die Urteile (Az.: 1 A 52/22 u. 1 A  68/22) sind noch nicht rechtskräftig und können binnen eines Monats nach  Zustellung der Urteilsgründe mit der Zulassung der Berufung vor dem  Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht angefochten werden.

(c) VG Osnabrück, 29.06.2023

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