Die für Beamtenrecht zuständige 12. Kammer hat mit Beschluss vom heutigen Tag dem Land Schleswig-Holstein untersagt, die beiden Vorsitzendenstellen am Oberverwaltungsgericht mit den ausgewählten Bewerbern (den Beigeladenen im vorliegenden Verfahren) zu besetzen, bis über die Bewerbung der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden und eine Wartefrist von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Auswahlentscheidung abgelaufen ist.

Die zwei Stellen je eines Vorsitzenden Richters/einer Vorsitzenden Richterin am Oberverwaltungsgericht wurden am 01. bzw. 03.08.2022 ausgeschrieben. Hierauf bewarben sich die Antragstellerin und die zwei vom Ministerium ausgewählten Bewerber. Am 28.04.2023 tagte der Richterwahlausschuss und wählte die beiden beigeladenen Bewerber in einem Wahlgang. Für das Land Schleswig-Holstein traf das Ministerium für Justiz und Gesundheit (Antragsgegner) sodann die Auswahlentscheidung und gab diese gegenüber der Bewerberin und den Bewerbern bekannt.

Diese Auswahlentscheidung begegnet nach Auffassung der Kammer aus mehreren Gründen rechtlichen Bedenken und stehe nicht mit dem Grundsatz der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG) im Einklang. Zum einen sei die seit Jahren vom Richterwahlausschuss praktizierte „Verbundwahl“ – also eine Wahl über mehrere zu besetzende Planstellen in einem kombinierten Wahlvorgang – jedenfalls für die hier fraglichen Vorsitzendenstellen nicht von dessen Geschäftsordnung gedeckt. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass in einer solchen Wahlgestaltung die insgesamt zwölf Ausschussmitglieder ihr Wahlverhalten – verglichen mit je einer Wahl pro Stelle – zulasten der Bestenauslese veränderten. Ein hypothetisches Szenario verdeutliche dies: es sei denkbar, dass sechs Mitglieder Bewerber A und sechs Mitglieder Bewerber B für am besten geeignet halten, sämtliche 12 Mitglieder jedoch Bewerber C an zweiter Stelle sehen. In einer Verbundwahl führe dies dazu, dass Bewerber C mit zwölf Stimmen eine eindeutige 2/3-Mehrheit vereinen kann, während sowohl Bewerber A als auch Bewerber B mit jeweils sechs Stimmen unterhalb der 2/3 Grenze von acht erforderlichen Stimmen stünden.

Zum anderen sei die nach der Wahl durch den Richterwahlausschuss vom Antragsgegner getroffene Auswahlentscheidung rechtswidrig. Bei der Bestenauslese sei zunächst die Gesamtnote der dienstlichen Beurteilungen aller Bewerberinnen und Bewerber zu vergleichen. Erweisen sich diese – wie hier in Bezug auf einen der Beigeladenen – nach der Gesamtnote als im Wesentlich gleich qualifiziert, könne der Dienstherr bei der im nächsten Schritt gebotenen umfassenden inhaltlichen Auswertung („Ausschärfung“) der Beurteilungen auf einzelne Merkmale abstellen, wobei er deren besondere Bedeutung begründen müsse. Die Merkmale müsse der Antragsgegner jedoch vor der Auswahlentscheidung festlegen, um Transparenz, Nachvollziehbarkeit und gerichtliche Prüfung der späteren Auswahlentscheidung – auch für die Betroffenen – zu gewährleisten. Dies sei nicht bzw. erst im Auswahlvermerk des Antragsgegners selbst und damit zu spät erfolgt, was zur Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung führe.

Der Beschluss vom 10.10.2023 (Aktenzeichen 12 B 46/23) ist noch nicht rechtskräftig. Den Beteiligten steht binnen zwei Wochen nach Zustellung das Rechtsmittel der Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht offen.

Anmerkung:

Sollte die Entscheidung rechtskräftig werden, müsste sowohl die Wahl durch den Richterwahlausschuss als auch die Auswahlentscheidung des Ministeriums für Justiz und Gesundheit wiederholt werden

(c) VG Schleswig-Holstein, 10.10.2023

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