Die 9. Große Strafkammer des Landgerichts Berlin – Jugendkammer – hat heute den 44-jährigen Fabian S. aus Berlin wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in insgesamt sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und darüber hinaus die anschließende Sicherungsverwahrung angeordnet. Der Angeklagte hatte gestanden, sich im Sommer 2022 das Vertrauen eines achtjährigen Nachbarskindes erschlichen zu haben und sexuelle Handlungen an und vor dem Kind vorgenommen zu haben. Hinsichtlich weiterer Vorwürfe war das Verfahren eingestellt worden.

Bei der Strafzumessung wertete die Kammer die eingetretenen schweren seelischen Folgen bei dem missbrauchten Jungen als strafschärfend. Dem Angeklagten sei zwar von einem psychiatrischen Sachverständigen eine krankhafte Pädophilie attestiert worden, dies habe seine Steuerungsfähigkeit bei den Taten jedoch nicht beeinträchtigt, so der Vorsitzende der Kammer in seiner heutigen mündlichen Urteilsbegründung.

Da der Angeklagte einschlägig vorverurteilt ist und bereits eine langjährige Freiheitsstrafe inklusive erfolgloser Therapiebemühungen verbüßt hat, hat das Gericht neben der Verhängung der Freiheitsstrafe die anschließende Sicherungsverwahrung angeordnet. Die Sicherungsverwahrung ist eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung, die sich einer Haftstrafe anschließt und u.a. dem Schutz der Allgemeinheit dienen soll. Sie kommt gemäß § 66 StGB nur bei besonders schwerwiegenden Straftaten und unter besonderen Umständen in Betracht. Der Angeklagte habe diese Voraussetzungen erfüllt, so die Kammer: Er habe einen Hang zur Begehung von derartigen Straftaten und es sei davon auszugehen, dass er auch nach Verbüßung der Freiheitsstrafe weiter gefährlich ist.

Dem Urteil lag eine Verständigung gemäß § 257c StPO zugrunde, d.h. die Verfahrensbeteiligten – Gericht, Staatsanwaltschaft, Nebenklage, Verteidigung und Angeklagter – waren vorab übereingekommen, dass im Falle eines Geständnisses des Angeklagten eine Freiheitsstrafe zwischen fünf und sieben Jahren Freiheitsstrafe verhängt werden könnte.

Das Verfahren hat vor einer Jugendkammer stattgefunden, weil es sich um eine sog. Jugendschutzsache handelt. Darunter versteht das Gesetz Straftaten Erwachsener, durch die ein Kind oder ein Jugendlicher verletzt oder unmittelbar gefährdet wird. Durch die Verhandlung vor speziell ausgebildeten Jugendrichtern sollen die schutzwürdigen Interessen von Kindern oder Jugendlichen, die in dem Verfahren als Zeugen benötigt werden, besser gewahrt werden können (§ 26 GVG).

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann – trotz der vorangegangenen Verständigung – mit dem Rechtsmittel der Revision angefochten werden.

Der Angeklagte verbleibt weiter in Untersuchungshaft.

Az.: 509 KLs 29/22

Quelle: Landgericht Berlin, Pressemitteilung vom 2. März 2023

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Rechtlicher Hintergrund: § 66 StGB – Unterbringung in der Sicherungsverwahrung

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn
1. jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a) sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b) unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c) den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2. der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3. er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4. die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

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