
Ein Behandlungsvertrag kommt nicht zustande, wenn der Bestellvorgang auf einer zahnärztlichen Online-Plattform durch eine nicht bevollmächtigte Dritte – hier: eine in Brasilien ansässige Zahnärztin – ausgelöst wird. Das Amtsgericht München verneinte das Vorliegen einer wirksamen Willenserklärung der Beklagten und wies die Zahlungsklage ab.
Eine Münchnerin stellte sich am 20.10.2022 in einer Zahnklinik vor, um eine kieferorthopädische Behandlung wegen eines Schiefstandes im Unterkiefer in Anspruch zu nehmen. Die Behandlung sollte mittels elastischer Klarsichtschienen (sog. „Aligner“) durchgeführt werden, die nach der Erfassung des Zahnstatus eigens für den Patienten angefertigt werden. Auf Grundlage dieses Termins sandte die Zahnklinik am 25.10.2022 der Münchnerin eine E-Mail mit einem Link zu, über den sie auf ihren personalisierten Behandlungsplan und das Angebot zugreifen konnte.
Vor Abschluss des Vertrags schickte die Münchnerin die E-Mail jedoch an eine befreundete brasilianische Zahnärztin, um deren Meinung einzuholen. Am selben Tag erhielt sie eine Bestätigungsemail über den Beginn der Behandlung und am Folgetag eine Rechnung über 1.790 €. Unmittelbar darauf wandte die Münchnerin sich an die Zahnklinik und teilte mit, dass sie keinen Vertrag wollte. Die Zahnklinik gab an, dass auf den Link in der E-Mail geklickt worden sei und auf einem weiteren Fenster auf „Jetzt zahlungspflichtig bestellen“ geklickt wurde. Sie gingen daher davon aus, dass der Vertrag zustande gekommen war.
Da die Münchnerin die Zahlung weiterhin verweigerte, verklagte sie ein Abrechnungsunternehmen, an das die Forderung zwischenzeitlich abgetreten worden war, vor dem Amtsgericht München auf Zahlung. Das Amtsgericht München wies die Klage jedoch mit Urteil vom 23.10.2024 ab. In seinem Urteil führte das Gericht u.a. aus:
„Der Abschluss eines Behandlungsvertrags mit der Beklagten ist durch die Klägerseite bereits nicht hinreichend dargetan. Auch nach dem erteilten Hinweis […] erfolgte kein weiterer Vortrag der Klägerseite zu der substantiiert bestrittenen Behauptung, dass die Beklagte diejenige gewesen sei, die den Button zum Abschluss eines Behandlungsvertrags betätigt habe. Die Klägerseite legte weder dar, dass der Bestellbutton von der IP-Adresse der Beklagten betätigt wurde, noch, dass die Beklagte sich in irgendeiner Weise authentifizierte. Ausweislich des Klägervortrags konnte jede Person, der die als Anlage B1 vorgelegte E-Mail vom 25.10.2022 zugänglich war, den Bestellbutton betätigen. […]
Die bekannte Zahnärztin der Beklagten in Brasilien […] handelte auch nicht als Stellvertreterin im Namen der Beklagten gemäß § 164 Abs. 1 BGB. […] Zwar wurde der Link in der E-Mail, der den Behandlungsprozess bei Aktivierung in Gang setzen soll, betätigt, die Bekannte handelte jedoch ohne Vollmacht. Zwar kann der Beklagten entgegengehalten werden, dass sie eine E-Mail mit einem Link zu einer Bestellung an jemanden weitergeleitet hat, der die deutsche Sprache nicht versteht, allerdings war aus der E-Mail […] mit der Überschrift „Hier ist dein Behandlungsplan“ selbst noch nicht ersichtlich, dass man durch die Betätigung des Links auf eine Webseite gelangt, auf derer eine kostenpflichtige Behandlung beauftragt werden kann. In der Weiterleitung ist daher auch für einen objektiven Empfänger keine Vollmachtserteilung erkennbar.
Ferner handelte die Bekannte in Brasilien hinsichtlich der Bestellung ohne Willen für die Beklagte eine rechtlich bindende Erklärung abgeben zu wollen, da sie sich ausweislich des Beklagtenvortrags gerade nur die Simulation anschauen und sich Informationen über die Behandlung verschaffen wollte. […]
Selbst wenn man davon ausginge, dass die Weiterleitung der E-Mail der Beklagten an die Bekannte eine Vollmachtserteilung darstellt, hätte die Beklagte jedenfalls mit der E-Mail […] etwas über zwei Stunden nach Erhalt der Bestätigungs-E-Mail zum Ausdruck gebracht, dass sie von dem Vertrag Abstand nehmen möchte, weswegen der Vertrag infolge der Anfechtung nichtig wäre gem. § 142 Abs. 1 BGB. Als Vertretene wäre ihr die Anfechtung aufgrund eines Inhaltsirrtums möglich gewesen gemäß §§ 119 I 1 Alt. 1, 142 BGB. […] Es kann folglich dahinstehen, ob der Beklagten […] auch ein Widerrufsrecht gem. §§ 312g Abs. 1, 355 BGB zugestanden hätte.“
Urteil des Amtsgerichts München vom 23.10.2024
Aktenzeichen: 231 C 18392/24
Das Urteil ist rechtskräftig.
AG München, 07.07.2025