Weil er ein Drogengeschäft vermittelt haben soll, stand ein 26-Jähriger vor dem Schöffengericht in Würzburg. Trotz eines Zeugen, der sich seiner Pflichten nicht so ganz bewusst gewesen ist, konnte das Gericht den Sachverhalt aufklären und den jungen Mann schließlich wegen Beihilfe zu einer Bewährungsstrafe verurteilen.

300 Gramm Amphetamin sollen in der Nähe einer Straßenbahnhaltestelle übergeben worden sein. Den Kontakt zwischen den beiden Männern, habe der Angeklagte vermittelt, indem er dem Käufer die Handynummer des Dealers gab. Bei der Übergabe in einem BMW war der junge Mann nicht mehr beteiligt. Der Vorwurf also: Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.

Zu den Vorwürfen schwieg der Angeklagte. Selbst nach Hinweis der Staatsanwaltschaft, dass ein Geständnis strafmildernd zu berücksichtigen sei, machte der junge Mann weiter von seinem recht zuu schweigen Gebrauch.

„Die Erkenntnisse zum Angeklagten haben wir aus einer Vernehmung des Käufers des Amphetamins.“, so der ermittelnde Polizeibeamte. Im Rahmen eines großen Ermittlungskomplexes zu Drogengeschäften im Raum Würzburg, wurde bei diesem durchsucht. In seiner anschließenden Vernehmung – unter Anwesenheit eines Anwalts – machte dieser dann Angaben nach § 31 BtMG: Ausklärungshilfe gegen Strafrabatt (Siehe Hintergrund I). Da sprudelte es aus dem Zeugen nur so heraus. Insgesamt lieferte er vier Namen: unter anderem auch den des Angeklagten, der den Kontakt zum Dealer herstellte.

Zudem seien Hinweise zu der Vermittlungstätigkeit des Angeklagten in der Telekommunikationsüberwachung zu finden gewesen.

Zeuge mit Streifenwagen zum Gericht gebracht

Der Lieferant des Amphetamins war als zweiter Zeuge geladen. Da er für die vorliegende tat selbst noch ein Verfahren am Laufen hat, das erst in einigen Monaten vor Gericht verhandelt wird, berief er sich auf sein Auskunftsverweigerungsrecht und sagte gar nichts (siehe Hintergrund II).

Als nächstes sollte der Käufer des Amphetamins als Zeuge vernommen werden, der in seiner polizeilichen Vernehmung ja erst den Anstoß zu den Ermittlungen zum Angeklagten geliefert hatte. Vor dem Gerichtssaal war jedoch gähnende Leere. Dies wunderte den Polizeibeamten, da dieser in einer anderen den Ermittlungskomplex betreffenden Sache am Vormittag bereits am Amtsgericht in Würzburg ausgesagt hatte. Die Aussage des Zeugen war aber von entscheidender Bedeutung, da dieser im Gegensatz zum vorherigen Zeugen bereits rechtskräftig verurteilt worden ist, weshalb ihm das Aussageverweigerungsrecht des § 55 StPO nicht mehr zustand.

„Mein Verteidiger hat zu mir gesagt, dass ich nicht zu erscheinen brauche, wenn ich keinen gelben Brief bekommen habe“; so der Zeuge zur Richterin, als diese ihn schließlich telefonisch aus dem Sitzungssaal erreichte.

Das dies nicht der Fall ist, machte die Richterin dem jungen Mann schnell klar und lies ihn von einer Streife bei sich zu Hause abholen: „Einer Ladung als Zeuge haben Sie Folge zu leisten.“

Erinnerungslücken plötzlich verschwunden

Nach kurzer Unterbrechung konnte die Sitzung mit dem nun anwesenden Zeugen fortgesetzt werden. Dieser hatte jedoch nur sehr „lückenhafte“ Erinnerungen an seine Aussage bei der Polizei.

Als plötzlich sein Verteidiger den Gerichtssaal betrat – diesen muss er wohl schnell informiert haben –  und kurz Rücksprache mit seinem Mandanten gehalten hatte, war die Erinnerung plötzlich besser: „Ja, so wie ich es der Polizei damals gesagt habe, stimmt es“. Den Kontakt zum Drogendealer habe er vom Angeklagten bekommen und sei auch darüber gesprochen worden, dass er eine größere Menge abnehmen wollte.

Verteidger fordert „in dubio pro reo“

Für die Staatsanwaltschaft war damit der Sachverhalt, wie angeklagt bestätigt. Verwundert war Staatsanwalt Dr. Krist jedoch, dass der Angeklagte zwar mit seinem früheren Leben abgeschlossen habe, sich aber nicht zu einem Geständnis habe überwinden können. Damit hätte sich der junge Mann, der mittlerweile auf einer Nordseeinsel in einer Strandbar arbeitet, einen Gefallen tun können. Er forderte ein Jahr und 6 Monate Freiheitsstrafe für den Angeklagten.

Für seinen Verteidiger war die ganze Sache nicht so klar: „Von einem Zeugen, der bei seiner polizeilichen Vernehmung mit einem Bein in der Untersuchungshaft steht, ist ja irgendwie zu erwarten, dass er dann lieber andere hinhängt, als selbst ins Gefängnis zu gehen.“ In dubio pro reo müsste sein Mandant freigesprochen werden.

In seinem letzten Wort beteuerte der 26-Jährige nochmals, dass er sich keiner Schuld bewusst sei.

Das Gericht befand den Angeklagten dennoch für schuldig und verurteilte den jungen Mann schließlich zu einem Jahr und drei Monaten Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung. Zudem muss er als Bewährungsauflage 5.000 Euro an die Würzburger Kindertafel zahlen und seine Drogenabstinenz durch Drogentests nachweisen.

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Rechtlicher Hintergrund I: Das Auskunftsverweigerungsrecht des § 55 StPO

Das Auskunftsverweigerungsrecht eines Zeugen ist in § 55 der Strafprozessordnung (StPO) normiert. Es dient dem Schutz des Zeugen vor Strafverfolgung. Er kann also solche Antworten verwiegern, bei denen Gefahr bestünde, dass er selbst oder ein Angehöriger wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt werden würde.

Dieses Weigerungsrecht ist jedoch nicht mehr gegeben, wenn der Zeuge wegen der Tat, zu der er befragt wird, bereits rechtskräftig verurteilt ist. Dann ist die Gefahr der Strafverfolgung für ihn zweifellos ausgeschlossen. Gemäß Art. 103 Absatz 3 des Grundgesetzes darf jemand nämlich wegen derselben Tat nicht mehrmals bestraft werden (ne bis in idem).

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Rechtlicher Hintergrund II: Strafmilderung oder Absehen von Strafe nach § 31 BtMG – der „Judasparagraph“

Nach § 31 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) wird der Strafrahmen einer Strafnorm nach § 49 Abs. 1 StGB verschoben, wenn der Beschuldigte durch freiwillige Offenbarung seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt werden konnte. Dies bezeichnet man als Aufklärungshilfe. Ebenso findet der Paragraph Anwendung wenn Betäubungsmittelstraftaten durch das Wissen des Täters verhindert werden können, sog. Präventionshilfe.

Es handelt sich also um die „Kronzeugenregelung“ des Betäubungsmittelstrafrechts (für das allgemeine Strafrecht vgl. § 46b StGB).

Die Kritik am Paragraphen ist vielfältig.
Die Strafverfolger, also Polizei und Staatsanwaltschaft, kritisieren, dass der BGH die Voraussetzungen der Anwendung des § 31 BtMG so weit ausgelegt hat, dass schon wenige Angaben zu einer Strafrahmenschiebung für den Beschuldigten führen. Dies führe zusammen mit den vielen anderen Möglichkeiten der Strafrahmenverschiebung (etwa über einen „minder schweren Fall“ oder § 21 StGB) zu einer erheblichen Reduktion der doch beträchtlichen ursprünglichen Strafrahmen des Betäubungsmittelstrafrechts führen.

Alleine eine Strafrahmenverschiebung im Rahmen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a BtMG reduziert den Strafrahmen von einem bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe auf 3 Monate Mindeststrafe bis zu elf Jahren und drei Monaten.

Zudem sei der Wert derartige „erkaufter“ Aussagen eher gering.

Insbesondere in der Deutschrap-Szene wird der „31er“ häufig rezipiert: Unter anderem in Bushidos Song „Leben und Tod des Kenneth Glöckler“ warf er seinem ehemaligen Gefährten Kay One vor, mit der Polizei zu kooperieren. Wenige Jahre später sollte Bushido seine Einstellung dazu jedoch ändern…

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