Ein Nachbarschaftsstreit im Landkreis Würzburg eskalierte im August 2020 völlig: Ein heute 34-Jähriger schwer alkoholkranker Mann demolierte das Auto und das Küchenfenster seines Nachbarn mit einem Baseballschläger und beleidigte und bedrohte die hinzugerufenen Polizeibeamten.

Für den Angeklagten gab es vor dem Schöffengericht Würzburg eine allerletzte Chance: Zwar verurteilte ihn das Schöffengericht zu einem Jahr und acht Monaten Freiheitsstrafe – ordnete jedoch auch die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an. Wenn der 34-Jährige seinen Alkoholismus in den Griff bekommt, wird ihm das Gefängnis wohl erspart bleiben.

Die Szenen die sich im August 2020 in einem Ort im Landkreis Würzburg ereigneten waren dramatisch: Ein stark alkoholisierter Mann mit nackten Oberkörper schreit in Richtung des Hauses seines Nachbarn und schlägt auf dessen in der Einfahrt geparktes Auto ein. Dabei demolierte er die Heckscheibe, die Motorhaube und schlug die Außenspiegel ab. Schließlich warf er den Schläger durch das Küchenfenster, das ebenfalls zerbrach. Schaden insgesamt fast 3.000 Euro. Als die Polizei eintraf ließ er sich widerstandlos festnehmen, um kurz darauf wieder auszurasten und seinen Zorn diesmal gegen die Polizeibeamten zu richten. Heftigste Beschimpfungen und Bedrohungen ergossen sich stundenlang über die Polizeibeamten.

Auf dem Weg zur Polizeiinspektion versuchte er zudem einen Polizeibeamten mit einem Kopfstoß zu verletzen, was jedoch von dessen Kollegen verhindert werden konnte.

Missbrauch des Notrufs drei Tage später

Drei Tage später der nächste Vorfall: Völlig betrunken rief der Angeklagte beim Polizeinotruf an und beleidigte und bedrohte den Beamten wiederrum am Telefon: „Wenn du keinen Wagen schickst, kommen meine Leute vorbei!“ Insgesamt fünf Streifenbesatzungen fuhren zum Wohnort des polizeibekannten Angeklagten. Schließlich wurde der 34-Jährige in der Psychiatrie untergebracht – flankiert von weiteren Schimpftiraden und Drohungen gegen die Polizeibeamten.

An die Vorfälle hat der Angeklagte keine Erinnerungen mehr: „Ich kriege es nicht in meinen Kopf rein, sowas gemacht zu haben“.

Seinem Verteidiger Christian Cazan war es jedoch wichtig, dass sein Mandant die Vorwürfe wie sie die Staatsanwaltschaft vorgetragen hatte einräumte. Er selbst habe einen ganz anderen Menschen kennengelernt: zurückgezogen und in sich gekehrt – jedoch schwer krank. Der Konsum von bis zu zwei Flaschen Schnaps am Tag in den vergangenen Jahren hat seine Spuren hinterlassen: eine zerstörte Bauchspeicheldrüse und darauf folgend eine schwere Diabetes. Die Sachverständige Dr. Eberlein aus Kitzingen führte aus, dass der nächste Schluck sein letzte sein könnte.

Die Aufnahmen der Bodycam des ersten Polizeieinsatzes waren dem Angeklagten sichtlich peinlich. Mehrmals bat er darum das Video zu beenden. „Ich glaube es ist ganz gut, wenn sie sich das mal anschauen“, so die Richterin.

Nachbarschaftsstreit wohl eskaliert

Der Geschädigte könne sich nicht erklären, warum der Angeklagte so ausgerastet ist. Die Entschuldigung nahm er jedoch an: seine Schäden wurden von der Versicherung übernommen, damit sei für ihn alles erledigt.

„Ich kann verstehen, dass er wütend gewesen ist, aber nicht warum er so ausgerastet ist“, sagte ein Nachbar, der zum Schlichten dazugekommen war. Mit dem Geschädigten gab es immer wieder mal Streit in der Nachbarschaft – hauptsächlich um Parkplätze.

„Im Endeffekt reden wir hier von einer Sachbeschädigung und Beleidigungen“, so Rechtsanwalt Cazan in seinem Schlussvortrag. Er bat um eine letztmalige Chance für seinen Mandanten beantrage eine Bewährungsstrafe in Höhe von einem Jahr und vier Monaten. Die Staatsanwaltschaft forderte zwei Jahre und sechs Monate.

Letzte Chance: Therapie

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten wegen tätlichen Angriffs und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Missbrauch von Notrufen, Beleidigung und Bedrohung zu einem Jahr und acht Monaten Freiheitsstrafe. Zudem wurde die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet.

Der „Elefant im Raum des gesamten Verfahrens“ – wie es die Richterin bezeichnete – waren zwei Vorstrafen, die zur Bewährung ausgesetzt wurden. Für den Fall der Verurteilung droht deren Widerruf: Dann müsste der Angeklagte zunächst zwei Jahre und dann nochmals acht Monat ins Gefängnis. Die Richterin drückte beide Augen zu und gab dem Angeklagten eine letzte Chance und stellte in Aussicht die beiden Strafen vorerst nicht zu widerrufen: „Es liegt jetzt an Ihnen in der Therapie ihr Leben zu retten“.

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