Der 5. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über seine Sitzung vom 10. November 2022 in Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung.


1) 11.30 Uhr – B 5 R 27/21 R – M.S. ./. DRV Nord


beigeladen: R.S., BG der Bauwirtschaft
Vorinstanzen:
Sozialgericht Lübeck – S 21 R 232/13, 29.06.2017
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht – L 1 R 99/17, 20.01.2020
Die Revision ist ohne Erfolg geblieben. Der klagende Insolvenzverwalter kann vom beklagten Rentenversicherungsträger nicht die Zahlung von 4800 Euro verlangen.
Der Kläger kann keine Zahlung an den Beigeladenen zu 1 verlangen. Es dürfte bereits an der erforderlichen Prozessführungsbefugnis fehlen. Jedenfalls besteht infolge der wirksamen Verrechnung kein Zahlungsanspruch des Beigeladenen zu 1 mehr. Ausgehend von den Feststellungen des LSG lagen die Voraussetzungen für eine Verrechnung vor. Die Beklagte war auch berechtigt, die Verrechnung über den Zeitraum von zwei Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beigeladenen zu 1 hinaus fortzuführen. § 114 InsO in der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung erfasste keine unpfändbaren Ansprüche auf Sozialleistungen, auf die (nur) die Sozialleistungsträger nach Maßgabe von §§ 52, 51 Abs 2 SGB I zugreifen können. Die Interessen der Insolvenzgläubiger wurden nicht beeinträchtigt, weil diese Ansprüche schon nicht vom Insolvenzbeschlag erfasst wurden.
Aus diesem Grund steht dem Kläger auch kein Zahlungsanspruch aus abgetretenem Recht zu. Der beigeladene Versicherte konnte iÜ etwaige Ansprüche auf Auszahlung weiterer Rentenleistungen gegen die Beklagte nicht wirksam abtreten. Seine Rentenzahlungsansprüche unterlagen dem Abtretungsverbot aus § 53 Abs 3 SGB I, weil sie im streitbefangenen Zeitraum durchgehend unterhalb der Pfändungsfreigrenze für Arbeitseinkommen lagen.


2) 12.30 Uhr – B 5 R 37/21 R – G.H. ./. DRV Knappschaft-Bahn-See


Vorinstanzen:
Sozialgericht München – S 4 KN 5/17, 12.03.2020
Bayerisches Landessozialgericht – L 13 R 224/20, 17.03.2021
Die Revision des Klägers war erfolglos. Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, dass der Kläger in der Zeit vom 1.9.2016 bis zum 30.11.2016 keinen Anspruch auf eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen hat.
Es fehlte an der erforderlichen die Wartezeit von 35 Jahren (420 Kalendermonaten). Er hatte keinen Anspruch auf Berücksichtigung weiterer Zeiten einer Hochschulausbildung ab dem 1.1.1982. Die Höchstgrenze von 96 Monaten für die Berücksichtigung von Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung war mit Ablauf des 31.12.1981 erreicht (§ 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI). Bei der Höchstgrenze sind die Monate November 1975, März 1977 und Juli 1977 zu berücksichtigen, die auch mit Pflichtbeiträgen belegt waren. Für den Fall, dass eine Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung mit einer Beitragszeit zusammenfällt, regelt § 54 Abs 3 SGB VI, dass eine beitragsgeminderte Zeit entsteht. Das verdeutlicht, dass es keine Rangfolge der rentenrechtlichen Zeiten oder eine Verdrängung der Anrechnungszeit durch die Beitragszeit gibt. Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG liegt nicht vor. Dass je nach Abfolge von Zeiten schulischer Ausbildung und Beitragszeiten Wartezeiten in unterschiedlichem Umfang entstehen können, folgt aus der individuellen Gestaltung der jeweiligen Erwerbsbiographie. Dass in einem Monat nacheinander Ausbildung und Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt werden, betrifft typischerweise – wie auch beim Kläger – lediglich Randmonate. Als beitragsgeminderte Zeiten können sich diese Zeiten auch positiv auf die Rentenhöhe auswirken.


3) 13.45 Uhr – B 5 R 29/21 R – H. M. ./. DRV Bund


Vorinstanzen:
Sozialgericht Duisburg – S 53 R 507/19, 22.10.2019
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen – L 14 R 883/19, 13.03.2020
Die Revision ist ohne Erfolg geblieben. Der Kläger hat als Bestandsrentner keinen Anspruch darauf, dass seine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1.1.2019 unter Berücksichtigung der ab diesem Zeitpunkt für Neurentner maßgeblichen längeren Zurechnungszeit neu festgesetzt wird.
Die Voraussetzungen des hier einschlägigen § 48 Abs 1 SGB X zur Anpassung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung im Fall einer Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse sind nicht erfüllt. Mit Inkrafttreten des § 253a Abs 2 SGB VI zur Verlängerung der Zurechnungszeit am 1.1.2019 ist eine wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse, die bei Erlass des für den Kläger zuletzt maßgeblichen Rentenbescheids aus dem Jahr 2011 vorgelegen haben, nicht eingetreten. Der Wortlaut dieser Vorschrift ordnet eindeutig an, dass die Regelung nur für im Jahr 2019 beginnende Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gilt. Dass die Verbesserung der Zurechnungszeit nur den Rentenneuzugängen, nicht aber den Bestandsrentnern zugutekommen sollte, ergibt sich auch deutlich aus den Materialien zum Gesetzgebungsverfahren.
Der Senat konnte unter Zugrundelegung des verfassungsrechtlich gebotenen Prüfungsmaßstabs für Stichtagsregelungen nicht die Überzeugung gewinnen, dass der Ausschluss der Bestandsrentner von einer Ausweitung der Zurechnungszeit das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG verletzt. Für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art 100 Abs 1 GG war somit kein Raum. Der Gesetzgeber reagierte mit der Verlängerung der Zurechnungszeiten auf das Absinken des Leistungsniveaus der Erwerbsminderungsrenten. Hiervon waren zwar auch die Bestandsrentner betroffen. Dass die Leistungsverbesserung nur der Gruppe der Neurentner zugutekommt, rechtfertigt sich aber aus zwei wesentlichen Erwägungen, die auch den Gesetzesmaterialien zu entnehmen sind. Zum einen wurde auf ein Strukturprinzip der gesetzlichen Rentenversicherung abgestellt, nach dem Rechtsänderungen – Kürzungen ebenso wie Verbesserungen – grundsätzlich nur für die Zukunft erfolgen und auf bereits laufende Renten nicht übertragen werden. Zum anderen wurde auf den ansonsten ganz erheblichen organisatorischen und finanziellen Mehraufwand verwiesen. Beide Gesichtspunkte bezeichnen sachliche Gründe, die die Differenzierung nicht als willkürlich erscheinen lassen. Das gilt insbesondere auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Gesetzgeber mittlerweile ab dem 1.7.2024 in § 307i SGB VI Zuschläge für Bestandsrentner vorgesehen hat, deren Erwerbsminderungsrente in den Jahren 2001 bis 2018 begann.

4) 13.45 Uhr – B 5 R 31/21 R – C. S. ./. DRV Bund


Vorinstanzen:
Sozialgericht Schleswig – S 21 R 213/16, 27.08.2018
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht – L 1 R 160/18, 21.01.2021
Die Revision der Klägerin hatte aus den bei Fall 3) näher ausgeführten Gründen keinen Erfolg.

Cookie Consent mit Real Cookie Banner