
Ein im Eingangsbereich eines staatlichen Gymnasiums angebrachtes Kruzifix verletzt laut Bayerischem Verwaltungsgerichtshof die Glaubensfreiheit zweier Schülerinnen und hätte entfernt werden müssen. Die Verpflichtung zum Besuch eines Alternativunterrichts während Schulgottesdiensten hält das Gericht hingegen für rechtmäßig.
Ein Kruzifix im Eingangsbereich eines staatlichen Gymnasiums hat die Glaubensfreiheit von zwei Schülerinnen verletzt. Die Weigerung der Schule, das Kruzifix zu Schulzeiten der Klägerinnen zu entfernen, war daher rechtswidrig. Dies hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) mit Urteil vom gestrigen Tag festgestellt. Für rechtmäßig erachtete der BayVGH hingegen die Anordnung des Schulleiters, bei Nichtteilnahme an Schulgottesdiensten einen Alternativunterricht besuchen zu müssen, der sich u.a. mit allgemeinen Themen aus dem Fach Ethik befasste.
Die Klägerinnen, die mittlerweile das Gymnasium mit dem Abitur verlassen haben, beantragten während ihrer Schulzeit die Entfernung eines Holzkreuzes (150 cm hoch und 50 cm breit), das mit einer 30 cm hohen und 25 cm breiten Darstellung des gekreuzigten Christus (Kruzifix) versehen war. Dieses ist im Haupteingangsbereich der Schule an einem Stützpfeiler neben der Haupttreppe angebracht. Die Klägerinnen wandten sich zudem gegen den vom Schulleiter eingeführten Alternativunterricht, der während der dreimal im Jahr stattfindenden Schulgottesdienste von denjenigen, die daran nicht teilnehmen wollten, verpflichtend zu besuchen war. Nachdem die Schule ihren Begehren nicht nachkam, klagten die Klägerinnen erfolglos beim Verwaltungsgericht München.
Der BayVGH stellte nun fest, dass die Schule verpflichtet gewesen wäre, das Kruzifix zu entfernen. Der BayVGH sieht – unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in dessen sog. „Kruzifixbeschluss“ – in der Konfrontation mit dem Kruzifix als religiösem Symbol einen Eingriff in die verfassungsrechtlich verbürgte negative Glaubensfreiheit. Die Klägerinnen waren wegen der Schulpflicht zwangsweise und immer wiederkehrend sowie im Hinblick auf dessen Positionierung ohne (zumutbare) Ausweichmöglichkeit mit dem Kruzifix konfrontiert. Das groß dimensionierte Kruzifix war an einer sehr exponierten Stelle angebracht und zeichnete sich durch eine figurenhaften Darstellung des Leichnams Jesu aus. Ob die Anbringung eines Kruzifixes durch ein vom Bayerischen Landtag verabschiedetes Gesetz hätte legitimiert werden können, ließ der BayVGH offen. Denn für Gymnasien gab (und gibt) es weder eine gesetzliche Regelung für das Anbringen von Kreuzen noch für das Anbringen von Kruzifixen.
Die Pflicht zur Teilnahme am Alternativunterricht erachtete der BayVGH hingegen als rechtmäßig. Zwar könne der Besuch von Schulgottesdiensten den Schülerinnen und Schülern nicht vorgeschrieben werde. Dies ergebe sich aus der verfassungsrechtlich gebotenen Freiwilligkeit des Besuchs. Daraus könne jedoch kein Anspruch abgeleitet werden, für die Dauer des Schulgottesdienstes vom Unterricht befreit zu werden. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerinnen durch die Pflicht zur Teilnahme am Alternativunterricht zum Besuch des Schulgottesdienstes angehalten werden sollten, sah der BayVGH nicht. Durch den Alternativunterricht werde vielmehr eine Gleichbehandlung aller Schülerinnen und Schüler sichergestellt.
Gegen das Urteil kann innerhalb eines Monats Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beim Bundesverwaltungsgericht einlegt werden.
(BayVGH, Urteil vom 8. Juli 2025, Az. 7 BV 21.336)
BayVGH, 09.07.2025