Bei einer Sachverständigenanhörung des Innenausschusses ist das Vorhaben der Bundesregierung, durch eine Beschleunigung von Disziplinarverfahren in der Bundesverwaltung eine schnellere Entfernung von Extremisten aus dem Dienst zu ermöglichen, auf ein geteiltes Echo getroffen. Einig waren sich die Sachverständigen bei der Feststellung, dass Beamtinnen und Beamte, die die Bundesrepublik und ihre freiheitliche demokratische Grundordnung ablehnen, aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden müssen. Ob dies aber mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Beschleunigung von Disziplinarverfahren in der Bundesverwaltung und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften“ (20/6435) schneller gelingen kann, blieb umstritten. Von Gewerkschaftsvertretern wurde die geplante Abschaffung der Disziplinarklage und deren Ersetzung durch die Disziplinarverfügung kritisiert. 

Laut Gesetzentwurf sollen die Disziplinarbehörden künftig, statt Disziplinarklage vor dem Verwaltungsgericht erheben zu müssen, sämtliche Disziplinarmaßnahmen, einschließlich der Zurückstufung, der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis und der Aberkennung des Ruhegehalts, durch Disziplinarverfügung aussprechen können. Durch die Vorverlagerung des Ausspruchs auch dieser statusrelevanten Disziplinarmaßnahmen auf die behördliche Ebene sei ein schnellerer Abschluss des Verfahrens möglich, schreibt die Bundesregierung. Effektiver Rechtsschutz werde durch die Möglichkeit der nachgelagerten gerichtlichen Vollkontrolle der Disziplinarverfügung durch die Verwaltungsgerichte sichergestellt, heißt es in dem Entwurf. 

Sven Hüber, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, erachtet die vorgesehenen Sicherungen als nicht ausreichend, um ein faires Verfahren für die Beamtinnen und Beamten zu gewährleisten und etwa die missbräuchliche Inanspruchnahme des Disziplinarverfahrens durch Vorgesetzte zu verhindern. Die Rechtebeschneidung durch Abschaffung der Disziplinarklage treffe auch diejenigen, denen nichts aus einem Extremismusverdacht heraus, sondern aus ganz anderen Gründen eine statusrelevante Disziplinarstrafe drohe, sagte er.

Der Kritik schloss sich auch Ulrich Bösl, stellvertretender Bundesvorsitzender des Christlichen Gewerkschaftsbundes Deutschland, an. Den Betroffenen werde mit der Neuregelung die Möglichkeit genommen, bereits im ersten Zug eines Disziplinarverfahrens von einem Verwaltungsgericht eine unabhängige und von der Behörde unabhängige Entscheidung zu erhalten. 

Mit der beabsichtigten Änderung des Disziplinarrechts des Bundes plane die Bundesregierung nicht weniger als eine komplette Kehrtwende, befand Heiko Teggatz, stellvertretender Bundesvorsitzender der dbb Beamtenbund und Tarifunion, der arge Zweifel äußerte, dass die Änderungen zu einer Beschleunigung der Disziplinarverfahren führen. Mit dem Gesetzentwurf werde vielmehr die Integrität von 190.000 Bundesbeamtinnen und Bundesbeamten in Frage gestellt und eine Botschaft des Misstrauens sowohl an die Beschäftigten als auch an die Bürgerinnen und Bürger gesendet.

Der Entwurf adressiere viele wichtige Punkte, befand der Rechtsanwalt Sebastian Baunack. „Er bietet aber keine Lösungen an“, fügte er hinzu. Den Sofortvollzug einer statusändernden Disziplinarmaßnahme sehe er kritisch, so Baunack. Schließlich gebe es das Instrument der vorläufigen Dienstenthebung verbunden mit dem Einbehalt der Dienstbezüge. Hinsichtlich des behördlichen Disziplinarverfahrens benannte er als besonders wichtig, die Stellung des Ermittlungsführers zu stärken. 

Professor Andreas Fischer-Lescano von der Universität Kassel hält das Vorhaben, die Verfahrensabläufe bei Dienstvergehen zu straffen, für begrüßenswert. Inhaltlich müsse der Gesetzentwurf aber unbedingt nachjustiert werden, „um den Gefahren für die freiheitlich demokratische Grundordnung adäquat begegnen und Fehlanwendungen verhindern zu können“. Fischer-Lescano regte an, auf die Terminologie des sogenannten „Extremismus“ zu verzichten und die abstrakte Formel der „freiheitlich demokratischen Grundordnung“ durch eine Legaldefinition im Gesetz nachzuschärfen. 

Auch die Rechtsanwältin Jessica Heun sprach sich dafür aus, im Gesetzesentwurf nicht den Begriff des Extremismus zu verwenden, sondern den der Verfassungstreuepflicht unter Betonung der Kernprinzipien der Menschenwürde, des Demokratieprinzips und des Grundsatzes der Rechtsstaatlichkeit. Es werde zuweilen verkannt, dass schon rassistische, antisemitische, antiziganistische oder sexistische Äußerungen Indizien für ein mangelndes Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung und die fehlende Bereitschaft seien, für ihre Erhaltung jederzeit einzutreten, sagte sie. 

Als „sinnvolle Fortentwicklung des Bundesdisziplinarrechts“ bewertete Professor Klaus F. Gärditz von der Universität Bonn den Entwurf. Das bisherige Disziplinarverfahren, das für schwere Sanktionen obligatorisch die Disziplinarklage vorsehe, habe sich teilweise als zu schwerfällig erwiesen, wirksam und zeitnah auf schwere Dienstvergehen zu reagieren, sagte er. Bei Extremisten bedeute ein Verbleib im Dienst eine erhebliche Beeinträchtigung der Integrität und des Ansehens der Verwaltung, was das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in eine neutrale, rechtstreue und pflichtgemäß handelnde Verwaltung untergrabe.

Zuspruch kam auch von Rechtsanwalt Patrick Heinemann, der den Gesetzentwurf als gelungen bezeichnete. Wie sein Vorredner Gärditz bewertete auch Heinemann den Fortfall der Disziplinarklage als „nicht systemwidrig“. Vielmehr sei das gegenwärtige System der Disziplinarklage „dogmatisch nicht wirklich stringent“. Bislang übten Verwaltungsgerichte in Rechtsträgerschaft der Länder erstinstanzlich eine originäre Disziplinarbefugnis über Beamtinnen und Beamte des Bundes aus. 

Stefan Jordan vom Bundeskriminalamt (BKA) sieht mit dem Gesetzentwurf nicht die Gefahr willkürlicher Entscheidungen verbunden. Die Voraussetzungen für die Entfernung aus dem Dienst seien derart hoch, dass in der Regel Vergehen vorliegen, die auch strafbar sind, so dass im Rahmen des Disziplinarverfahrens auch Strafanzeige erstattet werde. Hier müsse immer das Ergebnis abgewartet werden, was hinsichtlich der Tatsachenfeststellungen bindend sei. Abgesehen davon stehe willkürlichen Entscheidungen zur Entlassung per Verwaltungsakt wirksam die Bindung an Recht und Gesetz entgegen. Am Schuldgrundsatz und der Unschuldsvermutung werde nicht gerüttelt. 

Der Privatdozent Ulrich Vosgerau sah das anders. Das Gesetz habe den Zweck, dem Staat die Entlassung missliebiger Beamter zu erleichtern und die Verteidigung der davon Betroffenen maßgeblich zu erschweren, befand er. Eine Beschleunigung der Verfahren, die ohnehin nur vorgeschoben sei, werde mit dem Gesetz nicht erreicht. Es werde vielmehr einen Beitrag zur Förderung der allgemeinen Ängstlichkeit im öffentlichen Dienst leisten, die ohnehin schon viel zu ausgeprägt sei, sagte Vosgerau. 

Die Politikwissenschaftlerin Michaela Meier-Ebert begrüßte den Gesetzentwurf. Es gelte beide Seiten der Medaille zu betrachten. Dazu zähle die Möglichkeit, Beamtinnen und Beamte aus dem Dienst zu entfernen, wenn sie durch ihr Verhalten das Vertrauen in den Staat und seine Institutionen beschädigen. Die andere Seite sei das Anrecht der Beamtinnen und Beamten auf ein faires, objektives und professionell geführtes Disziplinarverfahren. Im Hinblick auf ein politisches Programm zur Stärkung der Prävention und Intervention im Bereich verfassungsfeindlicher Tendenzen im öffentlichen Dienst rate sie dazu, die Ergebnisse aktuell laufender einschlägige Studien abzuwarten, sagte Meier-Ebert.

(c) HiB Nr. 425, 12.06.23

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