Im Anschluss an die Sitzung des Präsidiums der Freien Demokraten gaben der FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai und das FDP-Präsidiumsmitglied Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann das folgende Statement ab.
Djir-Sarai: Wir haben heute Sitzungen des FDP-Präsidiums und des FDP-Bundesvorstandes auf dem Programm – bei beiden Sitzungen ist das Thema „Europa“ der Schwerpunkt. Wir bereiten unseren Europaparteitag im Januar vor, sowohl inhaltlich als auch organisatorisch. Alle Fragen, die zu so einem Parteitag dazugehören, beispielsweise die Thematik der Kandidatinnen und Kandidaten, werden besprochen. Aber heute geht es auch vor allem um die Frage, welche Inhalte für uns für die kommende Europawahl relevant sind. Dazu werden wir uns im Bundesvorstand mit einem Entwurf des Programms intensiv beschäftigen. Sie können sich vorstellen, dass daneben auch andere Fragen eine Rolle spielen werden. Auch das Thema Mitgliederbefragung wird heute im Bundesvorstand besprochen werden. Dazu gleich mehr.
Heute im Präsidium haben wir im Wesentlichen über die aktuelle Lage gesprochen. Dabei hat natürlich die haushaltspolitische Situation eine zentrale Rolle gespielt. Wie Sie sich erinnern, habe ich ja vor zwei Wochen schon an dieser Stelle gesagt, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts enorme Folgen für diese Bundesregierung haben wird. Es wird im Übrigen auch enorme Folgen haben für die Haushalte der Länder und indirekt für die Kommunen. Das Urteil bedeutet für uns ganz klar, dass die Einhaltung der Schuldenbremse außerordentlich wichtig ist. Das Urteil bedeutet nicht, die Schuldenbremse zu umgehen oder die Schuldenbremse aufzuweichen. So haben wir dieses Urteil nicht verstanden. Ich bin mir darüber im Klaren, dass wir als FDP mit dieser Position derzeit allein sind. Denn auch in der Union gibt es unterschiedliche Sichtweisen, wie man mit der Frage der Einhaltung der Schuldenbremse umzugehen hat. Sie haben ja mitbekommen, wie die Ministerpräsidenten aus Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie der Regierende Bürgermeister Berlins sich zu dieser Frage positioniert haben. Diese Positionierungen klangen ganz anders als die weiter Teile der Unionsfraktion. Es wird deutlich, dass keine klare Linie der Union bei dem Thema erkennbar ist. Bei der FDP ist diese klare Linie hingegen vorhanden, denn wir haben zur Einhaltung der Schuldenbremse eine klare Positionierung. Jetzt geht es um die Frage, wie man einen Bundeshaushalt für 2024 gemäß der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aufstellen kann. Das ist eine zentrale Frage. Dabei werden derzeit unterschiedliche Fakten und Sachlagen diskutiert. Wir sind bei einer Sache völlig klar, auch vor dem Hintergrund der Forderungen des SPD-Parteitags: Steuererhöhungen sind nicht zielführend. Das wäre der absolut falsche Weg. Deutschland ist ein Hochsteuerland. Das heißt, dass die Menschen und Unternehmen bei uns im Land schon jetzt massiv belastet werden. Überlegungen zu Steuererhöhungen sind daher nicht zielführend. Als FDP bleiben wir nach wie vor dabei, dass für die Aufstellung des Haushaltes 2024 Konsolidierungsmaßnahmen notwendig sind. Diese Konsolidierungsmaßnahmen stehen im Vordergrund und werden derzeit intensiv diskutiert. Wir werden diese Diskussion in den nächsten Stunden und Tagen fortführen. Dabei werden unterschiedliche Argumente ausgetauscht werden.
Als nächstes möchte ich gerne meine Kollegin Marie-Agnes Strack-Zimmermann bitten, etwas zum Europawahlprogramm und zur Ukraine zu sagen.
Strack-Zimmermann: In der heutigen Bundesvorstandssitzung runden wir das FDP-Europawahlprogramm ab. Es wird sehr präzise, sehr knackig sein, damit die Menschen, die sich für Europa interessieren, es auch lesen können. Es wird immer klarer – ich war gerade letzte Woche wieder in den Vereinigten Staaten – welche Rolle Europa in Zukunft spielen wird und bereits spielt. Über die Hälfte aller Gesetze, die in Bund, Ländern und Kommunen umgesetzt werden, kommen aus Europa. Auch die Menschen vor Ort werden immer wieder mit Dingen konfrontiert, die aus der EU-Kommission von oben nach unten delegiert werden und bei denen sie dann die Suppe auslöffeln müssen. Wir werden in einen positiven Wahlkampf gehen, das verspreche ich Ihnen. Europa ist nicht immer einfach. Wenn manche „Brüssel“ hören, kriegen sie graue Haare. Ich habe die schon, allerdings nicht deswegen [lacht]. Aber Europa ist von hoher Bedeutung. Deswegen halten wir auch daran fest. Es ist uns auch deswegen wichtig, weil diese allgemeine europäische Larmoyanz dazu führt, dass die Rechten immer stärker werden. Wir sehen diese Entwicklungen national und wir sehen sie auch in anderen Staaten. Es ist wirklich eine Gefahr für dieses große Friedensprojekt Europa, dass die rechten Parteien immer stärker werden, dass sie in das Europäische Parlament einziehen, und dabei nur ein Ziel verfolgen, nämlich von innen heraus das europäische Projekt zu zerstören. Das ist wirklich nicht profan und beschäftigt uns natürlich sehr.
Zur Ukrainehilfe ein paar Sätze: Die Unterstützung nimmt bedauerlicherweise in Europa, aber auch in den Vereinigten Staaten, ab. Tatsache ist, dass Deutschland enorm viel macht. Ja, wir diskutieren hier über Einzelheiten. Das werden wir auch weiterhin tun. Aber bei den Ukrainehilfen ist Deutschland mit 38 Milliarden Euro dabei. Ungefähr 17 Milliarden Euro davon laufen über die europäischen Hilfsfonds. Wenn ich mir aber unsere Freunde in Frankreich ansehe, da kommt so gut wie gar nichts aus dem französischen Haushalt, sondern dort wird weitergereicht, was aus Europa kommt. Das sind ungefähr 14 Milliarden Euro. Wir werden aber der Ukraine weiter helfen wollen und müssen. Ich erinnere nochmal daran, dass dieser grauenvolle Krieg, dieser Angriff auf die Ukraine uns unmittelbar etwas angeht. Denn wir wissen: Wenn Wladimir Putin mit seinem Imperialismus Erfolg hat, ist das nicht der letzte Krieg im Herzen Europas. Deswegen ist es wichtig, dass wir weiterhin zusammenstehen, so wie wir im ersten Jahr in Europa zusammengestanden haben. Da wird natürlich der Blick gerade auf Deutschland und Frankreich gerichtet, die beiden stärksten und größten Länder. Ich bin der Meinung, dass die deutsch-französische Achse auch bei diesem Thema eine große Rolle spielt. Insofern kann es natürlich nicht sein, dass Deutschland den Großteil trägt und Frankreich sich sehr zurückhält. Vor allem, wenn ich an die Bilder denke, als der französische Präsident Macron den ukrainischen Präsidenten Selenskyj in Frankreich empfangen hat – beide waren da doch sehr buddymäßig unterwegs. Das Resultat ist mehr als dürftig und sollte korrigiert werden. Es kann nicht sein, dass nur wir als Deutsche in Europa die Ukraine bilateral so umfänglich unterstützen. Das ist ein europäisches Projekt und es gibt auch genug Möglichkeiten aus der mittelfristigen Finanzplanung, aus der Friedensfazilität Europas oder der speziellen Ukrainefazilität die Mittel zu nehmen, in die dann die Länder eben entsprechend ihres Bruttoinlandsprodukts einzahlen. Das ist von sehr großer Bedeutung. Meine französischen Freunde wissen auch, dass wir das inzwischen sehr kritisch sehen. Wir haben in den Vereinigten Staaten ein gutes Standing, was das betrifft. Aber wir wissen auch, dass wir es nicht kompensieren können, wenn es aus den Vereinigten Staaten weniger Mittel gibt. Umso stärker ist Europa gefragt. Unter diesem Blick wird auch die Zukunft Europas entschieden werden.
Djir-Sarai: Abschließend noch ein paar Worte zum Thema Mitgliederbefragung: Die Unterschriften liegen uns jetzt vor. Wir haben hier in der Bundesgeschäftsstelle die Unterschriften überprüft und werden jetzt gemäß Satzung tätig werden. Wir werden in der Sitzung des FDP-Bundesvorstandes über den Fahrplan und den Prozess diskutieren und auch die Entscheidung darüber treffen, wie der weitere Ablauf konkret aussieht. Das heißt, wir werden heute nicht nur inhaltliche Themen diskutieren, sondern wir werden auch organisatorische Fragen in der Sitzung des Bundesvorstandes behandeln.