Die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Hannover hat mit Beschluss vom 5. Dezember 2023 dem Eilantrag einer anerkannten Umweltorganisation gegen eine von der Region Hannover erteilte naturschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für die letale Entnahme des Wolfes mit der Bezeichnung GW950M stattgegeben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Ausnahmegenehmigung wiederhergestellt.

Anders als noch in der Entscheidung der Kammer vom 30. Januar 2023 (9 B 707/23) rechtfertigen nach aktuellem Erkenntnisstand die dem betroffenen Wolf zugeordneten Rissereignisse nicht mehr die Annahme, dass dieser auch zukünftig Weidetiere töten werde. Da der letzte dem Wolf zuzuordnende Rissvorfall auf Januar 2023 datiert und auch davor lediglich ein dem Wolf zugeordneter Riss aus dem Oktober 2022 bekannt ist, liegen mit nur zwei Rissvorfällen innerhalb der letzten 12 Monate vor der Erteilung der Ausnahmegenehmigung keine ausreichenden Anhaltspunkte für die getroffene Schadensprognose vor. Darüber hinaus bestehen mit einer wolfsabweisenden Einzäunung auch eine zumutbare Alternative zur Tötung des Wolfsindividuums. Auch wenn der Wolf im Januar 2023 einen ca. 100-105 cm hohen Elektrozaun überwunden hat, kann nicht angenommen werden, dass derartige Schutzzäune wirkungslos wären, da ihm zugeordnete Rissereignisse in der Folgezeit bis zur Entscheidung des Gerichts ausgeblieben sind. Die fehlende Zuordnung von Rissen zu diesem Individuum spricht nach Ansicht der Kammer vielmehr dafür, dass nicht gerissene Nutztiere, sondern Wildtiere die Hauptquelle der eigenen Ernährung und der Ernährung des Rudels bilden.

Auch hinsichtlich der Bestimmung in der Ausnahmegenehmigung, wonach der Abschuss einzelner Mitglieder des Wolfsrudels in einem sowohl zeitlich (7 Tage nach einem Rissereignis) wie auch räumlich (Umkreis von 150 m) engen Zusammenhang mit bereits eingetretenen Rissereignissen erlaubt worden ist, ist dem Eilantrag stattgegeben worden. Insofern sieht das Gericht bereits die in § 45a Abs. 2 BNatSchG normierten Voraussetzungen einer solchen Regelung nicht als gegeben an, weil nicht bekannt ist, dass innerhalb des letzten Jahres vor Erlass der Ausnahmegenehmigung weitere Risse dem betroffenen Rudel zugeordnet werden konnten.

Der von der Umweltministerkonferenz beschlossene zukünftige Umgang mit Wolfsabschüssen hatte auf die stattgebende Entscheidung der Kammer keinen Einfluss, da die Rechtmäßigkeit der Ausnahmegenehmigung nach dem geltenden Recht zu beurteilen war.

Den Beteiligten steht das Rechtsmittel der Beschwerde zum Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg zu. Die Entscheidung wird zeitnah in dem kostenfrei zugänglichen Niedersächsischen Vorschriftensystem (https://voris.wolterskluwer-online.de) veröffentlicht werden.

Az. 9 B 4939/23

(c) VG Hannover, 06.12.2023

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