Mit Urteil vom 28.02.2024 hat die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Göttingen der Klage eines früheren Mitglieds der CDU-Fraktion im Rat der Stadt Bad Gandersheim stattgegeben (Az. 1 A 258/21).
Der Kläger wandte sich gegen die durch den Stadtrat erfolgte Zurückweisung seinesWahleinspruchs gegen die Bürgermeisterwahl vom 12.09.2021 nebst Stichwahl vom 26.09.2021. Bei den genannten Wahlen hatte sich die Amtsinhaberin zur Wiederwahl gestellt und letztendlich gegen ihre Mitbewerber durchgesetzt. Dabei erhielt sie zunächst 37,5 % der Stimmen (1.880) und qualifizierte sich somit für die Stichwahl gegen den zweitplatzierten Bewerber, der 32,24 % der Stimmen (1.616) erhielt, während die drittplatzierte Bewerberin mit 30,26 % der Stimmen (1.517) ausgeschieden war. In der Stichwahl vom 26.09.2021 obsiegte die Amtsinhaberin schließlich mit 57,27 % der Stimmen (3.044) gegen den unterlegenen Kandidaten, der 42,73 % der Stimmen (2.271) erhielt.
Der Kläger machte geltend, dass die Amtsinhaberin ihre Neutralitätspflicht im Wahlkampfverletzt habe und rügte vor allem die von ihr in der sog. „heißen Wahlkampfphase“ in den letzten Wochen vor der Wahl durchgeführten „Gespräche über den Gartenzaun“, im Rahmen derer die Bürgermeisterin alle 15 Ortschaften in amtlicher Eigenschaft besucht hatte. Der beklagte Rat war hingegen der Ansicht, dass es sich um zulässige amtliche Repräsentationsaufgaben und die Fortführung einer bereits im Vorjahr begründeten Tradition gehandelt habe.
Das Verwaltungsgericht folgte der Argumentation des Klägers und verpflichtete den beklagtenStadtrat, die Wahlen für ungültig zu erklären. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sei die dem Verfahren beigeladene Bürgermeisterin mit den durchgeführten Ortsterminen nicht offen als Privatperson und Wahlkämpferin in eigener Sache aufgetreten, was zulässig gewesen wäre. Sie habe vielmehr Termine als Bürgermeisterin durchgeführt und dabei unter Ausnutzung der kraft des Amtes gegebenen Einflussmöglichkeiten in die Willensbildung der Wählerschaft eingegriffen. Sie habe sämtliche Termine ohne konkreten Anlass in die Wochen unmittelbar vor dem Wahltermin gelegt, dabei erkennbar wahlkampfrelevante Themen zum Gegenstand gemacht und Möglichkeiten (wie die Einbindung der Ortsvorsteher) genutzt, die ihr nur als Amtsträgerin zukamen. Die Stadt Bad Gandersheim habe die Termine auf ihrer Internetseite ausdrücklich in einer Rubrik „Kommunalwahlen Kandidatur“ angekündigt. Die Beigeladene habe eine zusätzliche Breitenwirkung durch die intensive mediale Aufbereitung über Pressemitteilungen und Social-Media- Berichte der Stadt erzielt. Die Fortführung einer traditionellen Terminserie vor Ort, die auch in Wahlkampfzeiten zulässig gewesen wäre, vermochte die Kammer nicht zu erkennen, dadie Ortstermine im Vorjahr aus dem konkreten Anlass der Pandemie und in einem anderen(früheren) Zeitraum durchgeführt worden waren. Es bestehe auch eine nicht ganz fernfliegendeMöglichkeit dafür, dass das Wahlergebnis ohne den Rechtsverstoß anders ausgegangen sein könnte, weil nur 182 Stimmen über den Einzug der Amtsinhaberin in die Stichwahl entschieden hätten.
Gegen das Urteil können der Beklagte und die Beigeladene innerhalb eines Monats nachZustellung beim Nds. Oberverwaltungsgericht in Lüneburg einen Antrag auf Zulassung derBerufung stellen.
(c) VG Göttingen, 29.02.2024