
Muss ein verletztes Rind notgeschlachtet werden, wenige Tage nachdem es Schmerzmittel erhalten hat, ist das Fleisch nicht zum Verzehr zugelassen. Dem Landwirt steht auch bei verzögerter tierärztlicher Diagnosestellung kein Schadensersatzanspruch gegen den Tierarzt zu, wenn die Gabe von Schmerzmitteln selbst behandlungsfehlerfrei erfolgte, urteilte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) mit heute veröffentlichter Entscheidung. Ein etwaiger Behandlungsfehler sei jedenfalls nicht kausal für den geltend gemachten Schaden.
Der Kläger ist Landwirt und züchtet Wagyu-Rinder. Eine Angestellte des beklagten Tierarztes untersuchte auf Wunsch des Klägers ein trächtiges, auf der Seite auf der Weide liegendes Rind. Es wurden Verletzungen am hinteren Bein und Klauenschuh festgestellt. Das Rind erhielt Antibiotika und Schmerzmittel. Nachdem sich der Zustand des Rindes nicht gebessert hatte und eine große Verletzung am Knie festgestellt worden war, wurde es mit Zustimmung des Klägers wenige Tage später eingeschläfert.
Der Kläger begehrt nun Schadensersatz i.H.v. 40.000 € wegen angeblicher Behandlungsfehler. Die erste tierärztliche Untersuchung sei nicht ordnungsgemäß und unvollständig erfolgt. Bei einer gebotenen sofortigen Notschlachtung ohne schmerzstillende
Spritze hätte er das Fleisch noch gewinnbringend veräußern können. Er habe 400 kg Fleisch zu 100 €/kg weiterverkaufen können. Selbst unter Berücksichtigung erhöhter Adrenalinwerte wäre das Fleisch für Wurst und Burger noch geeignet gewesen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Der Kläger könne nicht Schadensersatz verlangen, bestätigte der zuständige 3. Zivilsenat des OLG das angefochtene Urteil. Zwar könne ein Behandlungsfehler der zunächst tätigen Tierärztin vorliegen. Sie habe das Tier lediglich auf der Seite liegend untersucht, ohne es – wie von der Sachverständigen für fachgerecht erachtet – auf die andere Seite für eine vollständige Untersuchung umzulagern.
Ein derartiger Behandlungsfehler sei hier aber jedenfalls nicht kausal für den geltend gemachten Schaden geworden. Der Kläger stütze seinen Schadensersatzanspruch nicht darauf, dass die Kuh im Fall einer frühzeitigen Diagnose noch hätte gerettet werden können. Er mache allein geltend, dass das Tier bei einer vollständigen Diagnostik möglicherweise früher hätte notgeschlachtet werden können. Zwar hätte eine frühere Diagnostik möglicherweise zu einer früheren Notschlachtung führen können. Der wirtschaftliche Schaden liege hier jedoch in der Unverwertbarkeit des Fleisches infolge der Schmerzmittelgabe. Er wäre damit nur dann verhindert worden, wenn der Kuh zu diesem früheren Zeitpunkt keinerlei Medikamente, auch nicht Schmerzmittel, gegeben worden wären. „Bei der Gabe von Schmerzmitteln an ein verletztes und offensichtlich an Schmerzen leidendes Tier handelt es sich aber nicht um einen Behandlungsfehler und damit nicht um eine Vertragsverletzung“, stellt der Senat fest. Auch der Sachverständige habe die Sachdienlichkeit der Medikamentengaben durch die erste Tierärztin nicht in Zweifel gezogen. Zudem sei davon auszugehen, dass derjenige, der einen Tierarzt zu einem Tier rufe, auch mit der Gabe von Schmerzmitteln einverstanden sei.
Die Tierärztin habe den Kläger auch nicht darüber aufklären müssen, dass die Gabe von Schmerzmitteln und Antibiotika dazu führe, dass das Fleisch erst nach Ablauf einer Wartezeit wieder für den Verzehr zugelassen sei. Der Kläger halte professionell Nutztiere. Sie habe damit als bekannt voraussetzen dürfen, dass Antibiotika und Schmerzmittel Wartezeiten bis zur Wiederverzehrbarkeit auslösten.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Zulassung der Revision begehrt werden.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 4.6.2025, Az. 3 U 9/25
(vorausgehend Landgericht Wiesbaden, Urteil vom 23.12.2024, Az. 2 O 74/22)
OLG Frankfurt am Main, 12.06.2025