In dem Rechtsstreit, in dem eine Touristin nach einem Rodelunfall Schadensersatz von der Betreiberin des Winterrodelbahn in Oberwiesenthal verlangt, hat der Senat mit Urteil vom heutigen Tag entschieden und die Klage auf Schadensersatz insgesamt abgewiesen. Der Rodelbahnbetreiber habe keine Verkehrssicherungspflicht verletzt.

Die Klägerin ist selbständige Zahnärztin. Die Beklagte betreibt im Kurort Oberwiesenthal eine Winterrodelbahn. Auf dieser verunglückte die gemeinsam mit ihrer Familie Urlaub machende Klägerin nach eigenen Angaben am 07.01.2016 bei einer Abfahrt mit dem Schlitten.

Die Klägerin behauptet, sie habe sich mit ihrem Schlitten an einem steilen Streckenabschnitt auf der rechten Seite der Rodelbahn befunden, als unvorhergesehen auf der vor ihr liegenden Piste ein großes »Loch« – ein Entwässerungsgraben mit einem darin verlegten Rohr, wie sich dann herausstellte – erkennbar geworden sei. Während es ihrem auf demselben Schlitten hinter ihr sitzenden Ehemann noch rechtzeitig gelungen sei, vom Schlitten abzuspringen, sei sie selbst mit dem Schlitten in den Graben hineingefahren. Bei dem Unfall habe sie sich den Knöchel an Schien- und Wadenbein gebrochen, vermutlich sei ihr Fuß unter den Schlitten gekommen.

Die Klägerin meint, ein Graben mit einem hervorstehenden Rohr habe an einer Rodelpiste »nichts verloren«; zumindest hätte dort ein Warnschild aufgestellt sein müssen. Sie begehrt ein Schmerzensgeld von mindestens 15.000 Euro. Des Weiteren verlangt sie Ersatz für erlittene Vermögensschäden, darunter Verdienstausfall von rund 20.000 Euro und Haushaltsführungsschaden von 1.500 Euro.

Die Beklagte wendet unter anderem ein, die Rodelbahn sei vor dem 16.01.2016 nicht geöffnet gewesen, weil erst an diesem Tag genug Schnee gelegen habe, um die Piste zu präparieren, Geländeunebenheiten auszugleichen, Fangzäune aufzustellen und den Streckenverlauf zu kennzeichnen. Am 07.01.2016, dem angeblichen Unfalltag, hingegen sei die Rodelbahn gesperrt gewesen. Die Sperrung sei sowohl durch ein Hinweisschild am Bahnstart als auch durch elektronische Anzeigetafeln im Skigebiet und auf der Website der Beklagten verlautbart worden.

Das Landgericht hat der Klage nach umfangreicher Beweisaufnahme teilweise stattgegeben. Es meint, die Beklagte habe die sie als Bahnbetreiberin treffende Verkehrssicherungspflicht verletzt. Die bloße Sperrung der Rodelbahn habe nicht ausgereicht. Der Beklagten könne nicht verborgen geblieben sein, dass am Unfalltag eine starke Befahrung der Naturrodelstrecke durch Schlittenfahrer stattgefunden habe. Deshalb hätte sie die Sperre mit Nachdruck durchsetzen müssen. Die Klägerin wiederum treffe aufgrund einer Selbstgefährdung ein hälftiges Mitverschulden.

Gegen das erstinstanzliche Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Die Klägerin verlangt hundertprozentigen Ersatz ihrer Schäden, während die Beklagte vollständige Klageabweisung begehrt.

Einen den Parteien im ersten Termin vor dem Senat am 18. Januar 2023 unterbreiteten Vergleichsvorschlag, der auf eine Abgeltungszahlung von 10.000 € lautete, nahm die Beklagte nicht an. Der Senat hat sodann Beweis erhoben zum Unfallhergang sowie zu der Frage, ob die Strecke durch die Beklagte gesperrt oder freigegeben war. Es wurden sowohl die Klägerin persönlich angehört als auch ihr Ehemann, der gemeinsam mit ihr die Schlittenfahrt unternommen hatte, sowie zwei Mitarbeiter der Beklagten als Zeugen vernommen. Im Ergebnis der Beweisaufnahme ist es nach Auffassung des Senats der Klägerin nicht gelungen, die Behauptung der Beklagten zu widerlegen, dass am offiziellen Startpunkt der Rodelstrecke ein Sperrschild gestanden habe. Es liege eher nahe, dass die Klägerin und ihre Familie den Einstieg in die Rodelbahn nicht dort, sondern hinter dem Startpunkt gewählt hatten. Dies sei möglicherweise auch der Grund dafür, dass die Klägerin und ihre Familie beim Einstieg kein Sperrschild wahrgenommen hätten. 

Die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflicht ferner nicht dadurch verletzt, dass sie die Rodelstrecke nicht auch hinter dem offiziellen Startpunkt mit Warn- und Sperrschildern versehen habe. Solches sei Betreibern von Skipisten und Naturrodelbahnen, die sich zuweilen über eine Länge von mehrere Kilometern erstreckten und von allen Seiten frei zugänglich seien, nicht zumutbar. Schließlich sei die Beklagte nicht verpflichtet gewesen, die gesperrte Naturrodelbahn zu überwachen und gegen Personen einzuschreiten, die auf eigene Verantwortung diese Anlage außerhalb der Betriebszeiten benutzten. 

Aktenzeichen: 13 U 1378/22

(c) OLG Dresden, 26.07.2023

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