Eine Inhaftierung ist für Betroffene immer eine Ausnahmesituation. Entsprechend hoch sind die Bemühungen des niedersächsischen Justizvollzuges, Suizide in Gefängnissen zu verhindern. Für diese Bemühungen wird das Land nun ausgezeichnet: Niedersachsen erhält in diesem Jahr den Suizidpräventionspreis der Bundesarbeitsgruppe „Suizidprävention im Justizvollzug“ (BAG). Der Preis wird verliehen für die Einführung eines umfangreichen Suizidscreenings im Rahmen einer digitalen Fachanwendung. Die Übergabe des Preises erfolgt Anfang September in Hannover.
Justizministerin Havliza: „Suizide in Gefängnissen sind leider eine Realität. Jedes dieser traurigen Schicksale ist eines zu viel. Aus diesem Grund tun wir in Niedersachsen viel dafür, um Suizide im Justizvollzug zu verhindern. In der Auszeichnung mit dem Suizidpräventionspreis sehen wir eine Bestätigung unserer Arbeit. Vor allem sehen wir aber darin den Ansporn, in unserer Präventionsarbeit auch in Zukunft laufend besser zu werden.“
Wofür wird Niedersachsen ausgezeichnet?
In Niedersachsens Gefängnissen wird bei neuen Häftlingen unverzüglich ein Zugangs- sowie ein Aufnahmegespräch geführt. Der wichtigste Teil des Zugangsgesprächs ist die Abklärung eines Suizidrisikos, denn dieses ist in der ersten Zeit einer Inhaftierung besonders hoch. Das darauf folgende Aufnahmegespräch wird innerhalb der ersten Tage durch einen Fachdienst, zumeist einen Sozialen Dienst geführt. Hier werden erste soziale Belange geklärt, aber auch das Suizidrisiko wird systematisch abgefragt.
Um den Verlauf und die Ergebnisse dieser Gespräche landeseinheitlich zu standardisieren und zu digitalisieren, hat Niedersachsen ein sog. Screening Tool zu den Risikofaktoren eines Suizidversuchs eingeführt. Mit der Hilfe dieses digitalen Werkzeugs, das im Rahmen einer im Justizvollzug zentralen IT-Anwendung („BASIS-VV“) abrufbar ist, erhalten alle Bediensteten in ganz Niedersachsen mehr Handlungssicherheit im Umgang mit den Risikofaktoren bei neuen Gefangenen. Die im Rahmen des Screening Tools zu verwendenden Fragen beruhen auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Suizidrisiko. Zugangsgespräche mit Hilfe des Screening Tools werden neben der Aufnahme zudem in anderen risikobehafteten Situationen eingesetzt, zum Beispiel nach der Rückkehr von einem Gerichtstermin.
Zur BAG und zur Geschichte des Preises
Die BAG ist eine Arbeitsgruppe des Nationalen Suizidpräventionsprogramms; Mitglieder sind im Wesentlichen Vertreterinnen und Vertreter aus dem Bereich des Justizvollzuges aller Bundesländer sowie externe Mitglieder aus der Wissenschaft. Seit 2012 verleiht die BAG den Suizidpräventionspreis an besonders herausragende Präventionsprojekte in Deutschland. Der Preis soll auf innovative und kreative Projekte zur Suizidprävention im Justizvollzug aufmerksam machen.
Was tut die BAG sonst noch?
Die BAG hat es sich zur Aufgabe gemacht, Handlungsempfehlungen für eine auf den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen aufbauende Suizidprävention für den deutschen Justizvollzug zu entwickeln. So werden etwa Empfehlungshefte erarbeitet oder Informationsblätter entwickelt. Durch die Zusammensetzung der Arbeitsgruppe bietet sie die Möglichkeit, Aspekte der länderübergreifenden Zusammenarbeit im Hinblick auf die Suizidprävention zu betrachten und Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Die Gründung der BAG geht zurück auf Dr. Katharina Bennefeld-Kersten, der früheren Leiterin des Kriminologischen Dienstes in Niedersachsen. Niedersachsen wurde zuletzt im Jahr 2012 mit dem Preis ausgezeichnet, damals für das Projekt „Seelsorge am Telefon“.
Quelle: Niedersächsisches Ministerium der Justiz, Pressemitteilung vom 5. August 2022