Bestehen Schmerzensgeld- und Hinterbliebengeldansprüche der Angehörigen der Verstorbenen im „Fall Luise“?
Diese Frage wird die 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz zu beantworten haben.
Verfahren Az.: 1 O 410/23

Sachverhalt:
Am 11.03.2023 wurde die 12-jährige Luise erstochen. Die Tat wird zwei minderjährigen Mädchen (12 und 13 Jahre) zur Last gelegt.
Die Eltern und eine weitere Angehörige der Verstorbenen machen nunmehr mit Klage vom 27.11.2023 gegen die zwei minderjährigen Mädchen u.a. Schmerzensgeld- und Hinterbliebengeldansprüche sowie Feststellungsansprüche auf Ersatz etwaiger zukünftiger materieller und immaterieller Schäden geltend.
Die Höhe des Schmerzens- und des Hinterbliebenengelds wird in das Ermessen des Gerichts gestellt. Die Kläger halten ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 50.000 € für die beiden Eltern sowie ein Hinterbliebenengeld in Höhe von mindestens 30.000 € je Kläger für angemessen.

Verfahrensstand
Die Kammer hat das schriftliche Vorverfahren gem. § 276 ZPO eingeleitet und den Beklagten die Klage zugestellt.

Die Beklagte zu 2. hat erklärt, keine Verteidigungsanzeige abgeben zu wollen.

Die Beklagte zu 1. hat Klageabweisung beantragt. Hierbei hat sie unstreitig gestellt, zusammen mit der Beklagten zu 2. an der Tötung von Luise im Sinne einer Mittäterschaft beteiligt gewesen zu sein. Be-stritten wird u.a. die von den Klägern vorgetragene Dauer des Leidens von Luise. Zudem werden vom Vortrag der Kläger abweichende Rechtsauffassungen bezüglich der Höhe eines angemessenen Schmerzens- und Hinterbliebengeldes geäußert.

Ein Termin für eine mündliche Verhandlung wurde bisher noch nicht bestimmt.

Rechtliche Erwägungen

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verklagt. Was bedeutet dies?
Dabei handelt es sich um eine Schuldnermehrheit, bei der mehrere Schuldner verpflichtet sind, die ganze Leistung zu erbringen, während der Gläubiger nur einmal die Leistung verlangen kann. Der Gläu-biger kann frei wählen, ob er von einem Schuldner die gesamte Leistung fordert oder nur einen Teil davon. Sobald ein Schuldner leistet, sind alle anderen Schuldner von der Leistungspflicht gegenüber dem Gläubiger befreit.

Wie teilen Gesamtschuldner im Falle einer Verurteilung die zu zahlende Summe untereinander auf?
Wenn einer der Gesamtschuldner die gemeinsame Verbindlichkeit gegenüber dem Gläubiger erfüllt hat, steht ihm ein Anspruch auf Ausgleich gegen seine Mitschuldner zu. In der Regel tragen die Gesamtschuldner die Verbindlichkeit zu gleichen Anteilen.

Falls die Beklagten zur Zahlung der genannten oder einer anderen Summe verurteilt würden, welche Rolle spielt es, dass die Beklagten minderjährig sind? Inwieweit müssten die jeweiligen Eltern die Summe übernehmen?
Minderjährige können in einem Zivilprozess verklagt und verurteilt werden. Eltern sind rechtlich grundsätzlich nicht verpflichtet, die Schulden ihrer Kinder zu übernehmen.

Welche Rolle spielt es für das Zivilverfahren, dass die beiden Beklagten zum Tatzeitpunkt strafunmündig waren?
Eine Strafunmündigkeit hat keine Bedeutung für den Zivilprozess. Wenn es im Zivilprozess um Haftung aus Straftaten geht, ist die Deliktsfähigkeit des Schuldners entscheidend. Minderjährige sind bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres deliktsunfähig und daher für einen fahrlässig oder vorsätzlich ange-richteten Schaden nicht zum Schadensersatz verpflichtet (§ 828 Abs. 1 BGB). Wer das 7., aber noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet hat, ist für den Schaden nicht verantwortlich, wenn er beim Begehen der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hatte (§ 828 Abs. 3 BGB). Ob die nötige Verantwortungsreife in diesem Sinne vorliegt, bleibt der Entscheidung durch das zuständige Gericht vorbehalten.

Warum ist die Justiz in Rheinland-Pfalz (also hier das LG Koblenz) für die Zivilklage zuständig und nicht die Justiz in NRW? Inwieweit kann sich der Gerichtsstand noch ändern?
Gem. der Klageschrift soll die Tat u.a. in der Gemarkung 51598 Friesenhagen und damit im Bezirk des Landgerichts Koblenz stattgefunden haben. Sollte dies der Fall sein, besteht eine Zuständigkeit des LG Koblenz nach § 32 ZPO, die grundsätzlich nicht mehr entfällt.

(c) LG Koblenz, 05.03.2024

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