Mit heute veröffentlichten Beschlüssen hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts zwei Organklagen der Partei Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit (BSW) verworfen.

Die Partei BSW machte in beiden Verfahren eine Verletzung ihres Rechts auf Chancengleichheit geltend. Der Bundestag habe es zum einen zu Unrecht unterlassen, einen Rechtsbehelf einzuführen, mithilfe dessen bei einem knappen Unterschreiten der Fünf-Prozent-Hürde und geltend gemachten Zweifeln an der Richtigkeit dieses Ergebnisses eine umgehende Neuauszählung der Stimmen verlangt werden kann. Er sei zum anderen verpflichtet gewesen, im Bundeswahlgesetz eine andere als die bestehende Regelung der Reihenfolge der Parteien auf den Stimmzetteln vorzusehen.

Die Organklagen blieben ohne Erfolg; sie sind unzulässig. Die Antragstellerin hat die Möglichkeit einer Verletzung ihres Rechts auf Chancengleichheit nicht hinreichend substantiiert begründet.

Die im Verfahren 2 BvE 6/25 gestellten Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, die darauf zielten, eine Neuauszählung der abgegebenen Stimmen zum 21. Deutschen Bundestag wegen vermeintlicher Auszählungsfehler noch vor der Feststellung des endgültigen Wahlergebnisses zu erreichen, hat der Senat bereits mit Beschluss vom 13. März 2025 abgelehnt (siehe Pressemitteilung Nr. 24/2025).

Sachverhalt:

Die Antragstellerin ist eine Partei, die im Januar 2024 gegründet wurde. Zehn Abgeordnete des 20. Deutschen Bundestages, die zuvor Mitglieder der Partei Die Linke waren, sind seit diesem Zeitpunkt Mitglieder der Antragstellerin. Im Jahr 2024 trat die Antragstellerin zur Europawahl sowie zu drei Landtagswahlen an und errang jeweils mehr als 5 Prozent der gültigen Listenwahlstimmen. Bei der Wahl zum 21. Deutschen Bundestag erhielt sie nach dem in der Wahlnacht von der Bundeswahlleiterin bekanntgegebenen vorläufigen Ergebnis 4,97 % der gültigen Zweitstimmen; nach dem endgültigen Ergebnis erreichte sie 4,981 % der gültigen Zweitstimmen und nahm daher nicht an der Sitzverteilung teil.

Die Antragstellerin hat im März 2025 zwei Organklagen erhoben (2 BvE 6/25 und 2 BvE 9/25), da sie sich in ihrem Recht auf Chancengleichheit verletzt sieht. In dem Verfahren 2 BvE 6/25 macht sie insbesondere geltend, der Bundestag habe es zu Unrecht unterlassen, einen Rechtsbehelf einzuführen, mithilfe dessen bei einem knappen Unterschreiten der Fünf-Prozent-Hürde und geltend gemachten Zweifeln an der Richtigkeit dieses Ergebnisses eine umgehende Neuauszählung der Stimmen verlangt werden kann. In dem Organstreitverfahren 2 BvE 9/25 vertritt die Antragstellerin die Auffassung, der Bundestag sei verpflichtet gewesen, im Bundeswahlgesetz eine andere als die bestehende Regelung der Reihenfolge der Parteien auf den Stimmzetteln vorzusehen.

Wesentliche Erwägungen des Senats:

Die Organklagen sind unzulässig.

1. Soweit die Antragstellerin sich gegen das Unterlassen der Einführung eines Rechtsbehelfs wendet, mithilfe dessen eine Neuauszählung der Stimmen verlangt werden kann, ist sie nicht antragsbefugt, weil sie eine Verletzung ihrer Rechte durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners nicht hinreichend darlegt.

a) Wird ein gesetzgeberisches Unterlassen im Wahlrecht gerügt, bedarf es einer Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass Art. 38 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Grundgesetz lediglich die Grundzüge für das Wahlsystem vorgibt und daher eine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Vornahme einer bestimmten Wahlrechtsänderung regelmäßig nicht in Betracht kommt. Demgemäß ist aufzuzeigen, dass der weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers von Verfassungs wegen auf die begehrte Gesetzesänderung verengt ist.

b) Nach diesen Maßstäben genügt der Vortrag der Antragstellerin zur Darlegung einer Verletzung ihres Rechts auf Chancengleichheit nicht.

Sie behauptet lediglich, es liege ein sogenanntes qualifiziertes Unterlassen des Gesetzgebers vor. Dass der Bundestag konkrete Gesetzesvorlagen zur Ermittlung des Wahlergebnisses nicht beraten oder abgelehnt habe, wird von der Antragstellerin indes nicht vorgetragen. Dies ist auch nicht ersichtlich. Woraus sich sonst eine konkrete Handlungspflicht des Gesetzgebers ergeben soll, das bestehende Verfahren zur Feststellung des endgültigen Wahlergebnisses zu ändern und um einen (kurzfristigen) Nachzählungsanspruch zu erweitern, erläutert die Antragstellerin ebenfalls nicht.

c) Die Befassung mit dem weiteren Vorbringen der Antragstellerin zu Fehlern bei der Stimmauszählung bleibt dem Wahleinspruchs- und Wahlprüfungsverfahren vorbehalten. Soweit die Antragstellerin vorbringt, dies nehme zu viel Zeit in Anspruch, hat das Bundesverfassungsgericht die Erhebung einer Wahlprüfungsbeschwerde in seiner Rechtsprechung nicht ausgeschlossen, wenn über einen Wahleinspruch durch den Deutschen Bundestag nicht in angemessener Frist entschieden wird und dadurch die Gefahr besteht, dass das Wahlprüfungsbeschwerdeverfahren nicht mehr zeit- oder sachgerecht durchgeführt werden könnte.

2. Soweit die Antragstellerin die Stimmzettelgestaltung beanstandet, ist ihr Vortrag ebenfalls nicht hinreichend substantiiert.

Die Ausführungen der Antragstellerin können schon deshalb eine Rechtsverletzung nicht begründen, weil sie an der – von der Antragstellerin zunächst zwar zutreffend wiedergegebenen, sodann jedoch von ihr ausgeblendeten – geltenden Rechtslage vorbeigehen. Ihre Annahme, sie sei mit allen Parteien, die bei der letzten Bundestagswahl angetreten, aber unter der Fünf-Prozent-Hürde geblieben seien, gleichbehandelt worden, weil sich deren Reihenfolge nur nach dem Alphabet richte, ist sachlich unzutreffend. Nach § 30 Abs. 3 Sätze 1 und 2 Bundeswahlgesetz (BWahlG) richtet sich die Reihenfolge der Landeslisten von Parteien nach der Zahl der Zweitstimmen, die sie bei der letzten Bundestagswahl im Land erreicht haben. Nur die übrigen Landeslisten schließen sich in alphabetischer Reihenfolge der Namen der Parteien an.

Vor diesem Hintergrund bleibt das Vorbringen der Antragstellerin, es liege eine ungerechtfertigte Gleichbehandlung vor, unverständlich. Die Antragstellerin verlangt auch nicht etwa, dass alle Parteien, die nicht im Bundestag vertreten sind, alphabetisch gereiht werden. Vielmehr vertritt sie die Auffassung, § 30 Abs. 3 BWahlG müsse eine Reihung vorsehen, die sie besser stellt als die von ihr zum Vergleich herangezogenen Parteien.

Bundesverfassungsgericht, 03.06.2025

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