
Vor dem Amtsgericht Würzburg musste sich ein 31-jähriger Student verantworten, der im November 2023 über die Plattform Snapchat Kontakt zu einer Person aufnahm, die sich in der Folge als 13-jähriges Mädchen ausgab. Tatsächlich jedoch handelte es sich bei der Chatpartnerin um eine 20-jährige Frau, die sich zunächst „aus Spaß“ jünger gemacht habe. Der Angeklagte, in dem Glauben, mit einem Kind zu schreiben, entwickelte sexuelle Absichten, versandte ein sogenanntes „Dickpic“ und schlug ein Treffen zu sexuellen Handlungen vor. Zu einer tatsächlichen Begegnung kam es nicht: Die 20-Jährige informierte vorab die Polizei.
Gegen den Beschuldigten war zunächst ein Strafbefehl ergangen, der eine empfindliche Geldstrafe vorsah. Dagegen legte der Student Einspruch ein, sodass es zur Hauptverhandlung vor der Strafrichterin am Amtsgericht Würzburg kam. Im Laufe der Verhandlung beschränkte er diesen Einspruch auf die Rechtsfolgen – nicht auf die Frage der Schuld.
Strafbarkeit trotz Täuschung: § 176a StGB im Fokus
Rechtlich ist der Fall eindeutig: Maßgeblich für die Strafbarkeit ist nicht das tatsächliche Alter des vermeintlichen Opfers, sondern die Vorstellung des Täters. Nach § 176a Abs. 1 Nr. 3 StGB ist bereits das Einwirken auf ein Kind mittels eines pornographischen Inhalts oder durch entsprechende Reden strafbar. Der Gesetzgeber stellt hier auf den sogenannten „Tatentschluss“ und die subjektive Vorstellung ab. Wer glaubt, mit einem Kind zu kommunizieren, und in dieser Annahme sexualisierte Inhalte versendet oder ein Treffen anstrebt, verwirklicht den Tatbestand – unabhängig davon, ob sich hinter dem Account tatsächlich ein Kind oder eine erwachsene Person verbirgt.
Im Fall des Würzburger Studenten war daher allein seine irrige, aber für ihn reale Vorstellung strafbegründend. Dass das vermeintliche Kind in Wirklichkeit eine volljährige Frau war, ändert an der Strafbarkeit nichts – im Gegenteil: Die rechtliche Bewertung setzt bewusst bei der Gefährlichkeit der inneren Haltung und Absicht des Täters an.
Zwischen Gnade und Zweifel
Der Angeklagte zeigte sich im Prozess geständig und bemühte sich vor allem darum, eine Verurteilung unterhalb der Schwelle von 90 Tagessätzen zu erreichen. Der Grund: Eine höhere Strafe könnte ausländerrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, die sein laufendes Studium gefährden würden. Staatsanwaltschaft und Gericht zeigten sich letztlich kompromissbereit. Trotz der Schwere der Tat – insbesondere der psychischen Wirkung, die ein solches Verhalten bei einem tatsächlich 13-jährigen Kind entfalten könnte – wurde der Student zu einer Geldstrafe verurteilt, deren Höhe unter der entscheidenden Schwelle blieb.
Dabei ließ das Gericht jedoch nicht unerwähnt, dass das Verhalten der 20-jährigen Zeugin irritiere. Dass sich eine volljährige Person bewusst als Kind ausgebe, um einen anderen – ob zum Spaß oder mit investigativem Eifer – zu provozieren, sei moralisch fragwürdig.
Zwischen Aufklärung und Selbstjustiz: Die dunkle Seite der „Pedo Hunter“
In diesem Zusammenhang erinnerte der Fall an eine umstrittene Erscheinung des digitalen Zeitalters: sogenannte „Pedo Hunter“ – selbsternannte Kinderschützer, die sich online als Kinder ausgeben, um mutmaßliche Sexualstraftäter zu enttarnen. Oft agieren sie außerhalb rechtsstaatlicher Kontrollmechanismen, dokumentieren ihre „Fänge“ in sozialen Medien und liefern Beweise in grenzwertigen Formen an die Polizei.
So verständlich der Impuls erscheinen mag, potenzielle Täter zu entlarven, so problematisch ist das Vorgehen: Nicht selten werden Persönlichkeitsrechte verletzt, Verdächtige öffentlich bloßgestellt, Verfahren gefährdet oder gar unrechtmäßige Anschuldigungen erhoben. Die Strafverfolgung obliegt in einem Rechtsstaat den zuständigen Behörden – nicht dem digitalen Pranger.
Im Fall des Würzburger Studenten blieb die Sache vergleichsweise glimpflich – zumindest aus juristischer Sicht. Doch der Prozess warf Fragen auf, die über den Einzelfall hinausgehen: Was ist noch Aufklärung – und wo beginnt die Gefahr, durch vermeintlichen Schutz die Prinzipien des Rechtsstaats zu unterlaufen?