
Wer vor dem Amtsgericht eine Geldforderung einklagen will, dem wird dafür künftig ein einfaches, nutzerfreundliches und durchgängig digital geführtes Gerichtsverfahren offenstehen. Das sieht ein Gesetzesentwurf vor, den das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz heute veröffentlicht hat. Die Erprobung des neuen Online-Verfahrens soll nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens an ausgewählten Amtsgerichten beginnen.
Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz Dr. Stefanie Hubig erklärt dazu
„Wir wollen den Zugang zur Justiz für die Bürgerinnen und Bürger einfacher und besser gestalten. Nur eine Justiz, die für alle leicht erreichbar ist, ist eine wirklich gute Justiz. Mit dem Online-Verfahren wird der Zugang zum Gericht für Bürgerinnen und Bürger so einfach wie noch nie. Und auch die Justiz profitiert, denn die Kommunikation mit den Verfahrensbeteiligten und die Arbeitsabläufe im Gericht können effizienter gestaltet werden. Zunächst wird das Online-Verfahren an ausgewählten Gerichten getestet. Ich bin überzeugt, dass dies der Beginn für neue digitale Kommunikationsformen im Zivilprozess ist.“
Mit dem zivilgerichtlichen Online-Verfahren soll der Zugang zur Justiz im Bereich kleiner Streitwerte vereinfacht und verbessert werden. Gleichzeitig soll durch die Strukturierung des Prozessstoffs, die durchgängige Digitalisierung der Verfahrensabläufe und die stärker datenbasierte Kommunikation die Arbeit an den Gerichten, insbesondere in Massenverfahren, effizienter und ressourcenschonender gestaltet werden. Die Erprobung des Online-Verfahrens ist auf einen Zeitraum von zehn Jahren angelegt. Um das Online-Verfahren weiterzuentwickeln, ist nach vier sowie acht Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes eine Evaluierung vorgesehen.
Der Gesetzesentwurf wurde bereits in der letzten Legislaturperiode eingebracht. Er wurde in kleinen Teilen ergänzt und sieht insbesondere folgende Regelungen vor:
§ Eröffnung des Online-Verfahrens durch eine Klageeinreichung mittels digitaler Eingabesysteme: Die Rechtsuchenden sollen bei der Erstellung einer Klage durch Informationsangebote und Abfragedialoge unterstützt werden. Für die Klageeinreichung wird zunächst weiterhin der elektronische Rechtsverkehr genutzt. Bürgerinnen und Bürgern wird der kostenlose Dienst „Mein Justizpostfach“ zur Verfügung stehen. Die Anwaltschaft soll über die bestehende Infrastruktur des besonderen elektronischenAnwaltspostfachs (beA) in die Erprobung einbezogen werden.
§ Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten vor den Amtsgerichten, die auf Zahlung einer Geldsumme gerichtet sind, sollen erfasst werden. Die Landesregierungen sollen ermächtigt werden, durch Rechtsverordnung die Amtsgerichte zu bestimmen, die das Online-Verfahren im Echtbetrieb erproben.
§ Öffnungsklauseln im Verfahrensrecht der ZPO zur verstärkten Nutzung digitaler Kommunikationstechnik: Die allgemeinen Verfahrensregeln der ZPO sollen durch Erprobungsregelungen ergänzt werden, insbesondere durch erweiterte Möglichkeiten eines Verfahrens ohne mündliche Verhandlung, eine Ausweitung von Videoverhandlungen und durch Erleichterungen im Beweisverfahren. Die Verkündung eines Urteils im Online-Verfahren soll durch dessen rechtswirksame digitale Zustellung ersetzt werden können.
§ Digitale Strukturierung: Der Prozessstoff soll unter Nutzung von elektronischen Dokumenten, Datensätzen und Eingabesystemen digital strukturiert werden können. Insbesondere für sogenannte Massenverfahren (z.B. im Bereich der Fluggastrechte) sollen technische Standards und Dateiformate für die Datenübermittlung und eine ressourcenschonende Bearbeitung festgelegt werden.
§ Bundeseinheitliche Erprobung einer Kommunikationsplattform: Die rechtlichen Grundlagen für eine neue Form der verfahrensbezogenen Kommunikation zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten sollen geschaffen werden. Anträge und Erklärungen können unmittelbar über eine Kommunikationsplattform abgegeben werden. Auch die Bereitstellung und gemeinsame Bearbeitung von Dokumenten durch die Parteien und das Gericht sowie die Zustellung von Dokumenten über die Plattform sollen ermöglicht werden. In einem ersten Schritt soll die Erprobung auf die Kommunikation zwischen Gericht und Anwaltschaft beschränkt werden.
§ Kosten: Die Gerichtsgebühren für das Online-Verfahren sollen im Vergleich zum herkömmlichen Zivilverfahren abgesenkt werden, um einen wirtschaftlich attraktiven Zugang zum Recht für niedrigschwellige Forderungen zu schaffen.
Das Gesetzgebungsvorhaben wird durch ein Digitalisierungsprojekt des Bundesministeriums der Justiz begleitet. Dabei übernimmt der Bund in Projektpartnerschaft mit interessierten Ländern und Gerichten eine koordinierende Rolle bei der Entwicklung und Erprobung eines zivilgerichtlichen Online-Verfahrens. Derzeit sind neun Länder und dreizehn Pilotgerichte an der Produktentwicklung beteiligt. Mit dem Onlinedienst für Fluggastrechte ist ein erster Baustein des Digitalisierungsprojekts auf Grundlage des geltenden Rechts bereits gestartet.
Weitere Informationen finden Sie hier:
https://www.zugang-zum-recht-projekte.de/onlineverfahren
Der Gesetzesentwurf ist hier abrufbar.
BMJV, 13.06.2025