
Der 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat heute unter dem Vorsitz von Corinna Mahringer in einem Staatsschutzstrafverfahren gegen ein Mitglied der „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) ein Urteil verkündet. Der 70 Jahre alte Angeklagte, ein türkischer Staatsangehöriger mit kurdischer Volkszugehörigkeit, wurde wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe setzte der Senat nicht zur Bewährung aus.
Feststellungen des Senats zu den Taten
Der Senat hat festgestellt, dass sich der in Baden-Württemberg wohnhafte Angeklagte von Januar 2015 bis jedenfalls 27. Mai 2021 durchgängig für die PKK betätigt hat.
Nach den Feststellungen des Senats strebt die PKK einen staatsähnlichen „konföderalen“ Verbund der kurdischen Siedlungsgebiete in der Türkei, Syrien, Iran und Irak mit eigener Armee und Staatsbürgerschaft an. Neben einem politischen Arm verfügt sie zur Durchsetzung ihrer Ziele auch über militärisch strukturierte Guerillaeinheiten, die vor allem im Südosten der Türkei Anschläge vorwiegend auf türkische Polizistenund Soldaten verüben, bei denen immer wieder auch Zivilisten zu Schaden kommen. Zweck und Tätigkeit der PKK sind daher u.a. darauf gerichtet, durch Anschläge Mord und Totschlag in der Türkei zu begehen. Die PKK besitzt auch in Deutschland und anderen LändernWesteuropas feste Organisationsstrukturen. Dort haben ihre Mitglieder bzw. hauptamtlichen Parteikader vor allem die Aufgabe, Finanzmittel für die Organisation zu beschaffen, PKK-Anhänger für den Guerillakampf und den Kaderapparat zu rekrutieren und öffentlichkeitswirksameAktionen zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung im Sinne der PKK zu planen und durchzuführen. Die PKK ist seit 1993 in Deutschland verboten und wird von der Europäischen Union als terroristische Vereinigung eingestuft.
Der Angeklagte hatte zunächst die Position eines Raumverantwortlichen für den Raum Crailsheim inne. Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt nach dem 21. Juni 2018 wurden aus organisationsinternen Gründen die PKK-Räume Crailsheim und Sinsheim zusammengelegt; der Angeklagte übte sodann die Position des Raumverantwortlichen für die beiden zusammengelegten Räume aus. Im Rahmen der ihm zugewiesenen Tätigkeit kam der Angeklagte – nach Vorgabe der terroristischen Vereinigung und in Abstimmung mit dem ihm übergeordneten jeweiligen Leiter des PKK-Gebietes Heilbronn – vor allem der Aufgabe nach, in dem ihm zugewiesenen Raum Spenden einzufordern, organisationsinterne Zeitschriften zu verkaufen und die Einnahmen an die PKK weiterzuleiten, Propagandaveranstaltungen und organisationsbezogene Demonstrationen zu planen und dabei für eine möglichst hohe Teilnehmerzahl zu sorgen.
Hinsichtlich eines bei dem Angeklagten sichergestellten Bargeldbetrages in Höhe von 885,30 Euro gelangte der Senat zu der Überzeugung, dass es sich hierbei um Finanzmittel der PKK handelt, weshalb deren Einziehung angeordnet wurde.
Weitere Informationen zu dem Verfahren
Der 6. Strafsenat verhandelte seit dem 14. Oktober 2024 an 25 Verhandlungstagen. Im Rahmen der Beweisaufnahme hat er insgesamt 26 Zeugen vernommen, zahlreiche Urkunden verlesen und über 170 überwachte Telefonate eingeführt. In der Hauptverhandlung wurden zudem auch Bekennervideos der PKK zu tödlichen Anschlägen auf Militär- und Sicherheitsorgane der Türkei abgespielt.
Der Senat hat bei der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten u.a. berücksichtigt, dass er sich über den nicht unerheblichen Zeitraum von mehr als sechs Jahren in verantwortlicher Position für die PKK betätigt hat. Strafmildernd wertete der Senat die mehrere Jahre zurückliegende Tat und die lange Verfahrensdauer.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Dem Angeklagten und der Generalstaatsanwaltschaft steht gegen das Urteil das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, die binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils eingelegt werden muss.
Aktenzeichen
6 St 38 OJs 12/19 Oberlandesgericht Stuttgart
38 OJs 12/19 Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart
OLG Stuttgart, 12.05.2025