Wie das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) in einer heute veröffentlichten Studie festgestellt hat, ist die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften in Deutschland im Mai erst­mals seit November 2023 wieder gesunken. Ein weiterer Rückgang der Insolvenzzahlen ist bereits in Sicht, meinen die Forscher aus Halle.

Die aktuelle Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften in Deutschland liegt laut IWH-Insolvenztrend im Mai bei 1 271 (vgl. Abbildung 1). Wie vom IWH prognostiziert, sinkt damit die Zahl der Insolvenzen im Mai leicht (um 7%) gegenüber dem Vormonat, in dem den dritten Monat in Folge ein Höchststand gemessen wurde. Der aktuelle Wert liegt noch immer 40% höher als im Mai 2023 und 31% über dem Mai-Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2019, also vor der Corona-Pandemie.

Gegen den Trend erreichten die Insolvenzzahlen in den Branchen Verarbeitendes Gewerbe sowie Grundstücks- und Wohnungswesen die höchsten Werte seit Beginn der Branchenauswertung im IWH-Insolvenztrend im Januar 2020.

Schließungen großer Arbeitgeber können zu hohen und dauerhaften Einkommens- und Lohnverlusten bei den betroffenen Beschäftigten führen. Die Zahl der von Großinsol­venzen betroffenen Jobs liefert zudem eine gute Annäherung der Gesamtzahl der von Insolvenz betroffenen Arbeitsplätze. Die Analyse des IWH zeigt, dass in den größten 10% der Unternehmen, deren Insolvenz im Mai gemeldet wurde, knapp 12 000 Arbeits­plätze betroffen waren.

Die Zahl der betroffenen Beschäftigten in den größten 10% der Unternehmen liegt damit sehr deutlich unter dem Wert vom April, der jedoch stark von der erneuten (und mittlerweile abgewendeten) Großinsolvenz von Galeria Karstadt Kaufhof gezeichnet war. Verglichen mit Mai 2023 lag die Zahl der von Großinsolvenzen betroffenen Be­schäftigten im Mai 2024 mehr als doppelt so hoch. Auch in einem durchschnittlichen Mai der Jahre 2016 bis 2019, also vor der Corona-Pandemie, waren mit ca. 6 500 be­troffenen Jobs sehr viel weniger Arbeitsplätze gefährdet als im vergangenen Monat (vgl. Abbildung 2).

Das IWH erhebt Frühindikatoren, die dem Insolvenzgeschehen um etwa zwei bis drei Monate vorlaufen. Diese Werte waren zwischen Januar und April deutlich gesunken, woraufhin Steffen Müller, Leiter der IWH-Abteilung Strukturwandel und Produktivität sowie der dort angesiedelten Insolvenzforschung, für den Mai sinkende Insolvenz­zahlen prognostiziert hatte. „Der Abwärtstrend bei den Insolvenzzahlen wird sich auch im Juni fortsetzen“, erwartet Müller. Müller gibt jedoch ebenfalls zu bedenken, dass der Rückgang von einem hohen Niveau aus gestartet ist und die Insolvenzzahlen noch länger über dem Niveau von vor der Pandemie liegen werden.

IWH-Insolvenztrend: Hintergrund, Daten, Methodik

Deutlich schneller als die amtliche Statistik liefert der IWH-Insolvenztrend des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) jeden Monat einen belastbaren Befund zum bundesweiten Insolvenzgeschehen für Personen- und Kapitalgesellschaften. Die Ergebnisse weisen nur geringfügige Abweichungen von den amtlichen Zahlen auf, die mit etwa zwei Monaten Zeitverzug eine umfassende Einschätzung der Lage erlauben (vgl. Abbildung 3).

Der IWH-Insolvenztrend ist deshalb ein verlässlicher Frühindikator für das Insolvenz­geschehen und die wirtschaftliche Entwicklung. Für seine Analysen wertet das IWH die aktuellen Insolvenzbekanntmachungen der deutschen Registergerichte aus und verknüpft sie mit Bilanzkennzahlen betroffener Unternehmen. Dank seiner langjährigen Expertise, gebündelt in der IWH-Insolvenz­forschungsstelle, gehört das Institut bundes­weit zu den führenden Einrichtungen auf diesem Themengebiet.

Die im IWH-Insolvenztrend gemeldeten Insolvenzen für Kapital- und Personengesell­schaften umfassen in der Regel mehr als 90% der von Unternehmensinsolvenz be­troffenen Arbeitsplätze und 95% der Forderungen. Damit bilden diese Zahlen verläss­lich die direkten volkswirtschaftlichen Konsequenzen des Insolvenzgeschehens ab.

Auch die amtliche Statistik weist monatlich vorläufige Insolvenzzahlen aus. Diese beziehen sich jedoch auf alle Regelinsolvenzen. Regelinsolvenzen umfassen neben den im IWH-Insolvenztrend erfassten Personen- und Kapitalgesellschaften auch die gesamtwirtschaftlich wenig relevante Gruppe der Kleinstunternehmen. Zudem wer­den auch bestimmte natürliche Personen wie Selbstständige oder ehemals selbst­ständig Tätige mit unüberschaubaren Vermögensverhältnissen sowie privat haf­tende Gesellschafter und Einzelunternehmer gemeldet.

Regelinsolvenzen sind also nicht mit Unternehmensinsolvenzen gleichzusetzen. Die Zahl der insolventen Personen- und Kapitalgesellschaften macht weniger als die Hälfte der Regelinsolvenzen aus. Die prozentualen monatlichen Veränderungen bei den Regelinsolvenzen können sich aufgrund der Vielzahl gesamtwirtschaftlich un­bedeutender Insolvenzfälle deutlich von denen der Personen- und Kapitalgesell­schaften unterscheiden.

(c) IWH, 06.06.2024

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