Die Anzahl der politisch motivierten Straftaten in Niedersachsen ist nach Rückgängen in den beiden Vorjahren auf 7.633 Taten im Jahr 2024 deutlich angestiegen. Diese Zahl stellt einen Höchstwert im Zehnjahresvergleich dar. Ein maßgeblicher Grund für den Anstieg ist die Europawahl, in deren Zusammenhang allein 1.305 Straftaten standen. Im Vorjahr 2023 hatte es in Niedersachsen keine überregionalen Wahlen gegeben.
Mit Blick auf die verschiedenen Phänomenbereiche erklärt sich der Anstieg der Fallzahlen in Niedersachsen vor allem durch die zum Teil deutlich angestiegenen Zahlen der PMK in den Bereichen „links“, „sonstige Zuordnung“ und „rechts“. Mit einem deutlichen Anstieg bildet der Phänomenbereich „rechts“ wieder den größten Anteil an der PMK insgesamt und weist insgesamt den deutlich höchsten Wert im Zehn-Jahresvergleich auf. Den zweitgrößten Anteil der PMK macht der Phänomenbereich „Sonstige Zuordnung“ aus, der ebenso stark angestiegen ist. Die Anzahl der Straftaten im Phänomenbereich „links“ hat sich verdoppelt.
Die Niedersächsische Ministerin für Inneres und Sport, Daniela Behrens, erklärt zur PMK-Statistik 2024: „Die Statistik zeigt: Es gibt in einem Teil der Bevölkerung eine zunehmende Bereitschaft, die eigenen politischen Ansichten ohne Rücksicht und immer häufig auch unter Begehung von Straftaten und der Anwendung von Gewalt durchzusetzen. Straftaten und Gewalt können und dürfen jedoch niemals legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung sein, ganz egal aus welchem Spektrum sie kommen. Nach wie vor stellen die rechtsmotivierten Straftaten den größten Anteil an der politisch motivierten Kriminalität dar, aber auch im linksextremen Spektrum verzeichnen wir eine deutliche Zunahme. Die Niedersächsischen Sicherheitsbehörden treten diesem Trend entschieden entgegen und setzen neben der konsequenten Strafverfolgung einen deutlichen Schwerpunkt im Bereich der Prävention. Entscheidend ist jedoch, dass wir als Gesamtgesellschaft zu einer Kultur zurückkehren, in der politische Konflikte ohne Gewalt und Übergriffe gegen Andersdenkende ausgetragen werden.“
Zu den einzelnen Phänomenbereichen:
PMK „rechts“
Im Bereich der PMK „rechts“ sind die Taten von 2.552 auf 3.643 deutlich angestiegen und bilden wieder den größten Anteil aller PMK-Delikte. Bei weit über der Hälfte der Taten handelt es sich um Propagandadelikte durch das öffentliche Zeigen bzw. Aufbringen von verbotenen Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen, wie beispielsweise Hakenkreuze und SS-Runen.
Die Zahl der rechtsmotivierten Gewaltdelikte ist im Jahr 2024 von 66 Taten auf 88 angestiegen. Unter den 88 Gewaltdelikten befinden sich ein versuchter Totschlag, 52 einfache, 23 gefährliche Körperverletzungen und zwei schwere Körperverletzungen. Die fremdenfeindlichen Straftaten sind mit 1.685 zu 1.351 Taten aus dem Vorjahr angestiegen. In 1.362 Fällen sind diese aus einer rechten Tatmotivation begangen worden.
Innenministerin Behrens: „Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Die größte Gefahr für unseren Rechtsstaat und unserer Demokratie geht nach wie vor und ganz klar von rechts aus! Die Straftaten im Phänomenbereich der PMK „rechts“ bilden erneut den größten Anteil an den Gesamtstraften und erreichen den höchsten Wert im Zehn-Jahresvergleich. Ausschlaggebend für diese Steigerung sind fremden- und ausländerfeindliche sowie antisemitische Straftaten. Diese Entwicklung ist beunruhigend und sie ist gefährlich. Rechtspopulistische Narrative werden zusehends hoffähig. An den Zahlen der PMK zeigt sich, dass auf diesem Nährboden immer mehr rechte Straftaten erwachsen und aus Worten Taten werden. Die Verdoppelung der Zahlen seit 2015 und der überproportional hohe Anteil an rechten Straftaten gegen Geflüchtete sind sehr ernste Alarmsignale. Ich appelliere an die Vertreterinnen und Vertreter aller demokratischen Parteien, sich sehr selbstkritisch mit der eigenen Rhetorik, insbesondere in Bezug auf das Thema Geflüchtete, auseinanderzusetzen und zu überprüfen, ob sie dem Ernst der Lage angemessen ist.“
PMK „links“
Die Anzahl der Straftaten der PMK „links“ hat sich 2024 im Vergleich zum Vorjahr mit 1.159 mehr als verdoppelt. Nahezu ein Drittel der Straftaten stehen in einem Zusammenhang mit der Europawahl, insbesondere in Form von Sachbeschädigungen an und Diebstählen von Wahlkampfmitteln. Die linksmotivierten Gewalttaten bilden den größten Anteil in der Gewaltkriminalität insgesamt. Zahlreiche Gewalttaten wurden dabei im Zusammenhang mit Demonstrationen begangen. Die Gesamtzahlen bilden im Zehn-Jahresvergleich den dritthöchsten Wert.
PMK „sonstige Zuordnung“
Alle Fälle, die nicht unmittelbar einem spezifischen Phänomenbereich zugeordnet werden können, werden unter „sonstige Zuordnung“ in der PMK Statistik erfasst. Das sind häufig auch Taten von Reichsbürgern oder sogenannten Selbstverwaltern. Die Anzahl der Straftaten im Bereich der PMK „sonstige Zuordnung“, also der Delikte, die politisch motiviert, aber keinem spezifischen Phänomen zuzuordnen waren, ist im Jahr 2024 mit 2.266 Taten sehr deutlich angestiegen (2023: 1.515). Das entspricht dem zweithöchsten Anteil nach der PMK „rechts“ in der Gesamt-PMK.
Eine Auffälligkeit bildet auch weiterhin das Phänomen der selbsternannten Reichsbürger und Selbstverwalter. Die Anzahl der Straftaten in diesem Bereich hat sich um 81 verringert, sie liegt jetzt bei 95 (2023: 176). Dabei hat es sich häufig um Beleidigungen (16), Volksverhetzungen (15) und Bedrohungen (15) gehandelt; es waren aber auch 12 Gewaltdelikte zu verzeichnen.
PMK „ausländische“ und „religiöse Ideologie“
Für den Bereich der ausländischen Ideologie sind die Taten von 449 aus dem Vorjahr auf 436 Taten leicht gesunken. Die Taten lassen sich zumeist einer israel- oder judenfeindlichen bzw. pro-palästinensisch geleiteten Ausrichtung zuordnen.
Im Bereich der religiösen Ideologie hat die Bedrohung durch den islamistisch geprägten Extremismus/Terrorismus weiterhin eine herausragende Bedeutung. Die Anzahl der in diesem Zusammenhang registrierten Straften ist im Vergleich zum Vorjahr von 106 auf 129 angestiegen. Die in Niedersachsen erfassten terroristischen Straftaten sind in fünf Fällen aus einer religiösen Tatmotivation begangen worden und in drei aus einer ausländischen Ideologie. Im Zehn-Jahresvergleich liegt mit 8 Taten ein Tiefstand im einstelligen Bereich vor. Ein terroristisches Anschlagsgeschehen ist nicht eingetreten.
Innenministerin Behrens: „Die Anzahl der terroristischen Straftaten ist im vergangenen Jahr weiter zurückgegangen und weist den niedrigsten Wert im Zehnjahresvergleich auf. Der islamistisch motivierte Terrorismus stellt jedoch auch weiterhin eine ernstzunehmende Gefahr dar, die wir nachhaltig und mit höchster Priorität bekämpfen. Dazu gehört aktuell insbesondere der Umgang mit Rückkehrerinnen und Rückkehrern aus den sogenannten Jihad-Gebieten. Islamisten versuchen zudem weiterhin, insbesondere junge Menschen mit Migrationshintergrund für ihren Kampf gegen unsere Lebensweise zu gewinnen und zur Begehung von Straftaten anzustacheln. Vor allem durch das Internet radikalisierte Einzeltäter stellen unsere Sicherheitsbehörden für immense Herausforderungen.“
Eine aufwachsende Erscheinungsform sind auch Straftaten, bei denen ein Zusammenhang mit dem Themenfeld der Hybriden Bedrohung anzunehmen ist (25, Vorjahr: 23). Dahinter stehen Drohnensichtungen, Sachbeschädigungen, aber auch drei Branddelikte. Im Bereich der Spionage hat sich die Fallzahl mit 18 im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. In 14 Fällen handelt es sich um Drohnenflüge, die den Tatbestand eines Verstoßes gegen das Luftverkehrsgesetz erfüllten.
Die Polizei Niedersachsen stellt sich auf diese neuen Erscheinungsformen ein und setzt das Personal sowohl im Landeskriminalamt Niedersachsen (LKA) als auch bei den Fachkommissariaten Staatsschutz in den Polizeidirektionen zielgerichtet mit neuem Aufgabenzuschnitt auch zur Bekämpfung hybrider Bedrohungslagen ein. Aktuell erarbeitet ferner eine Expertengruppe weitere konzeptionelle Grundlagen für die Bekämpfung hybrider Angriffe.
Behrens: „Im vergangenen Jahr wurden entscheidende Veränderungsprozesse erfolgreich umgesetzt. Wir haben bei der Polizei Bürokratie abgebaut, Regelungen vereinfacht und Ressourcen zur Bekämpfung der PMK gebündelt. Dies führt zu einer weiteren Professionalisierung und gezielteren Aufgabenwahrnehmung in diesem Bereich. Die Einführung eines flächendeckenden Gefährdungsmanagements hat sich bewährt. Die speziell für den Aufgabenbereich der Präventionsarbeit ausgebildeten Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter leisten vor Ort mit vielen weiteren Akteuren unglaublich wichtige Netzwerkarbeit.“
Die Anzahl der Gewaltstraftaten der Politisch motivierten Kriminalität ist im vergangenen Jahr auf 333 (2023: 204) angestiegen und liegt damit über dem Zehn-Jahresmittelwert von 265. Den größten Anteil bilden dabei 121 Gewaltstraftaten mit einer linken Tatmotivation (2023: 38), gefolgt von 88 Gewaltdelikten (2023: 66) mit einer rechten Tatmotivation. Im Bereich „Sonstige Zuordnung“ sind die Gewaltdelikte von 78 im Vorjahr auf 84 für 2024 ebenso angestiegen.
Die Anzahl antisemitischer Straftaten als Teil der Hasskriminalität ist von 423 Taten im Vorjahr auf 403 gesunken. Davon sind 285 rechtsmotiviert, gefolgt von 69 Taten mit ausländischer Ideologie.
Die Straftaten gegen Amts- und Mandatstragende sind von 666 auf 489 im Vergleich zum Vorjahr zurück gegangen. Davon waren 90 rechts- und 55 linksmotiviert. 342 Fälle fielen in den Bereich sonstige Zuordnung.
Bei der Hasskriminalität im Bereich der LSBTIQ, frauen- und männerfeindlichen Straftaten, wurden im Jahr 2024 insgesamt 236 Fälle erfasst. 2023 waren es 233, das Niveau bleibt also nahezu gleich. Die meisten Taten fallen in den Bereich der sonstigen Zuordnung, gefolgt von rechtmotivierten Taten.
Innenministerin Behrens: „Nach wie vor haben wir leider eine steigende Tendenz bei Straftaten zu verzeichnen, die gegen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität und Orientierung oder wegen ihres Geschlechts begangen werden. Diese Taten weisen einen hohen Anteil von Hasspostings im Internet auf. Zwar ist es gut, dass diese Taten nun häufiger angezeigt und damit aus dem Dunkel- in das Hellfeld überführt werden, aber mir ist es wichtig zu betonen: Wir werden nicht zulassen, dass Menschen in Niedersachsen wegen ihrer sexuellen Orientierung oder ihres Geschlechts zum Opfer von Straftaten werden! Die Polizei Niedersachsen ist hier stark sensibilisiert und aufmerksam.“
IM Niedersachsen, 05.05.2025