
Bundesratspräsidentin Anke Rehlinger gehörte bei den Feierlichkeiten zum 75. Jahrestag der Schuman-Erklärung im französischen Scy-Chazelles zu den Ehrengästen. Frankreichs Außenminister Robert Schuman hatte die berühmte Rede vom 9. Mai 1945 in dem kleinen Ort im Département de la Moselle ausgearbeitet. In seiner historischen Ansprache schlug er die Gründung einer Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vor – die Schuman-Erklärung gilt seither als Geburtsstunde der Europäischen Union.
Auf Einladung des Präsidenten des Département de la Moselle, Patrick Weiten, nahmen neben der Bundesratspräsidentin auch Ehrengäste aus der Großregion Saar-Lor-Lux-Rheinland-Pfalz-Wallonie teil. Zu ihnen gehörten unter anderem Oliver Paasch, Ministerpräsident der Deutschsprachigen Gemeinschaft in Belgien, die luxemburgische Forschungsministerin Stéphanie Obertin und der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer.
Europa als Garantie für Sicherheit und Freiheit
In ihrer kurzen Ansprache am Denkmal „Flamme der Freiheit“ im Garten des Schuman-Hauses erklärte die Bundesratspräsidentin: „75 Jahre nach der französischen Initiative leben wir heute in einer Europäischen Union mit 450 Millionen Menschen. Was für ein Sprung in der europäischen Verständigungspolitik, in der Einigung Europas! 75 Jahre danach feiern wir heute zusammen einen ganz besonderen Europatag!“. Mit Blick auf die mutige Entscheidung im Jahr 1950, im Kernbereich der europäischen Wirtschaft zusammenzuarbeiten, forderte Rehlinger: „Europa braucht diesen Mut und das Bekenntnis zueinander auch heute. Wir alle zusammen müssen für die Menschen in der Europäischen Union Sicherheit gewähren und Freiheit garantieren. Nicht erst seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Aber seit dieser Zeitenwende noch einmal mehr.“
Zusammenarbeit nur fünf Jahre nach Kriegsende
In ihrer Rede ließ Rehlinger die Ereignisse im Frühsommer 1950 Revue passieren. Kaum zu fassen sei es im Nachhinein, dass sich nur fünf Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs im beschaulichen Scy-Chazelles der französische Außenminister dazu entschlossen habe, der Regierung der Bundesregierung Deutschlands die Zusammenlegung der Kohle- und Stahlindustrie beider Länder vorzuschlagen. Bundeskanzler Konrad Adenauer habe diesen Vorschlag sofort angenommen, bot sich doch die Chance, dass Deutschland erstmals nach dem Krieg gleichberechtigt in eine internationale Organisation aufgenommen werden könne.
Riesensprung in Richtung europäische Einigung
Schuman nannte seinen Plan einen Sprung ins Unbekannte. Doch sei es ein Riesensprung in Richtung einer europäischen Einigung gewesen, so Rehlinger. Nur ein Jahr später wurde die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) gegründet. Neben Deutschland und Frankreich traten ihr Italien, die Niederlande, Belgien und Luxemburg als Gründungsmitglieder bei. Die sogenannte Montanunion war die erste einer Reihe supranationaler europäischer Institutionen, die schließlich zur heutigen Europäischen Union wurden.
Deutsch-Französische Freundschaft
Rehlinger betonte, wie wichtig es Schuman gewesen sei, die jahrhundertealte Gegnerschaft zwischen Frankreich und Deutschland zu überwinden. Der Weltfrieden sei nur mit einem geordneten und lebendigen Europa zu erreichen. Abschließend ging Rehlinger auf die Lehren aus der Geschichte ein: „80 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg sind die Deutschen – um mit Willy Brandt zu sprechen – ein Volk guter Nachbarn geworden. 75 Jahre nach dem Schuman-Plan sind wir vor allem Frankreich für den beherzten Sprung ins Ungewisse dankbar. Wir sind reich belohnt worden: mit Freunden als Nachbarn!“
Auf den Spuren Robert Schumans
Während der Feierlichkeiten in Scy-Chazelles besichtigten die Ehrengäste die letzte Ruhestätte Schumans in der Kapelle St. Quentin, die Skulptur „Hommage aux Pères fondateurs“ des Künstlers Zurab Tsereteli vor dem Robert-Schuman-Haus sowie das Arbeitszimmer, in dem die Erklärung verfasst wurde.
Bundesrat, 09.05.2025