Sachverständige sehen in den von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP vorgeschlagenen Änderungen am Regierungsentwurf zur Änderung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG), zur Änderung der Heizkostenverordnung und zur Änderung der Kehr- und Überprüfungsordnung (20/6875) eine Verbesserung. Zugleich wiesen sie in der zweiten öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Klimaschutz und Energie dazu am Montag auf aus ihrer Sicht nach wie vor bestehende Defizite hin. Das Gesetz soll nach dem Willen der Koalition noch in dieser Woche im Bundestag verabschiedet werden.
Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung und Mitglied des Präsidiums Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW), begrüßte, dass nach einem „ungewöhnlichen Beratungsverfahren“ eine Lösung gefunden wurde, wenn auch das Verfahren „am Vertrauen genagt“ habe. Sie und andere Sachverständige hoben die Verzahnung der GEG-Novelle mit dem noch nicht vorliegenden Entwurf eines Wärmeplanungsgesetzes hervor, weil die Wärmewende auch eine „Infrastrukturwende“ sei. Während das GEG die Häuser und Eigentümer adressiere, gehe es in der kommunalen Wäremplanung um die Netze. Kritisch merkte Andreae unter anderem an, dass es auch im geänderten Entwurf unklare Rechtsbegriffe gebe. Es müsse nachgeschärft werden, „damit klar ist, worüber wir reden“. Zu spüren sei ein „gewisses Misstrauen“ im Hinblick auf die Wasserstoffnutzung im Wärmebereich. Diese eine „kleine Option“, etwa bei einem schwer umzubauenden Bestand.
Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), forderte „praxisgerechte Erfüllungsziele“ und Technologieoffenheit. Die Verknüpfung von GEG und kommunaler Wäremplanung müsse flächendeckend sein. Wasserstoffnetz-Ausbaugebiete seien jetzt vorgesehen und damit ein „Paradigmenwechsel“ erfolgt. Es gebe nach wie vor viel Skepsis und Misstrauen vor allem gegenüber Wasserstoff im Wärmebereich und gegenüber Netzbetreibern. Eine Belastung blieben auch die im Gesetz vorgesehenen Regresspflichten. Mit der Wärmeplanung erhielten die Menschen vor Ort Planungssicherheit, sagte Liebing. Die geplante zeitliche Abstufung zwischen großen und kleineren Kommunen bei der Wärmeplanung sei sachgerecht. Die Übergangsfristen müssten gewährleisten, dass keine Fakten geschaffen werden, die die Wärmeplanung konterkarieren könnten.
Kay Ruge vom Deutschen Landkreistag sagte, die Vollzugsfähigkeit des Gesetzes müsse geprüft werden. Die Änderungen der Koalition wiesen in die richtige Richtung. Aus der Verzahnung mit der kommunalen Wärmeplanung folge aber kein Anspruch auf Umsetzung. Richtig sei, dass Biomasse stärker berücksichtigt werde, womit auch Holzpellets gemeint seien. Ruge kritisierte zu viele detaillierte Einzelregelungen, die die Umsetzung erschwerten.
Marianna Roscher vom Deutschen Städte- und Gemeindebund befürwortete, dass die kleinen Gemeinden bei der Transformation mitberücksichtigt werden, da es sich um ein gesamtgesellschaftliches Projekt handele. Fehlanreize müssten vermieden werden, um die spätere Wärmeplanung nicht zu konterkarieren. Christine Wilcken vom Deutschen Städtetag hob hervor, dass flächendeckende Beratungsangebote sichergestellt werden müssten. Die Fristen für die kommunale Wärmeplanung bis 2026 bei großen und 2028 bei kleineren Kommunen sah sie kritisch und rief dazu auf, die Umsetzung noch stärker in den Blick zu nehmen, denn diese erfordere Investitionen.
Helmut Bramann, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Sanitär Heizung Klima, sah noch viele offene Fragezeichen und empfahl, einen „Flicktenteppich“ bei der Beratung zu vermeiden. Berater gebe es nicht im Überfluss, was zu einem Hindernis auf dem Modernisierungspfad werden könnte. Als unverständlich bezeichnete Bramann, dass Stromdirektheizungen in schlecht gedämmten Gebäuden gepuscht werden sollen, auch Luft-Luft-Wärempumpen arbeiteten dort sehr ineffizient.
Für Markus Staudt, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Heizungsindustrie, hat die „medial verkorkste Kommunikation“ zu Verunsicherung geführt, auch bei der Heizungsindustrie. Die positive Entwicklung der Branche sei ins Wanken geraten. Es müssten Produktionsprozesse geplant werden, die Industrie kenne aber die Rahmenbedingungen und die nachgefragten Technologien nicht. Klarheit könne auch die Förderung schaffen. Die Entwicklung der Förderanträge sei rückläufig, Attentismus sollte vermieden werden. Staudt riet zu einem Wahlrecht zwischen dem bisherigen und dem künftigen Fördersystem.
Martin Sabel, Geschäftsführer des Bundesverbandes Wärmepumpe, plädierte dafür, am Ziel festzuhalten, bis 2030 sechs Millionen Wärmepumpen einzubauen, weil sonst die Klimaziele nicht zu schaffen seien. Deutschland und Ungarn seien Schlusslichter beim Wärempumpeneinbau in Europa. Die Wärmepumpenindustrie brauche einen starken Heimatmarkt. Die verzögerte Lenkungswirkung aufgrund der Fristen bis 2026 und 2028 sollte aus seiner Sicht durch Förderung und Anreize kompensiert werden. Wie Staudt sah auch er die Gefahr des Attentismus. Die Leute warteten auf eine bessere Förderung, Aufträge würden storniert.
Sebastian Bartels, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, diagnostizierte aus Mietersicht eine deutliche Verbesserung gegenüber dem ursprünglichen Regierungsentwurf. Die Kappungsgrenze für die Umlegung von Modernisierungskosten auf die Mieter liege nun bei 50 Cent pro Quadratmeter und Monat. Damit würden Mieter nicht mehr belastet als bisher. Auch sei vorgesehen, dass die Mieter die Umlage der Modernisierungskosten als finanzielle Härte ablehnen könnten. Für Bartels können aber auch 50 Cent eine höhere Mehrbelastung sein, sodass er empfahl, die Kappungsgrenze bei überdurchschnittlich großen Wohnungen auf 25 Cent pro Quadratmeter abzusenken. Ärgerlich ist aus seiner Sicht, dass die Umlage auf Dauer möglich ist und nicht nur bis zur Amortisierung der Modernisierungskosten angelegt ist. Auch könne Technologieoffenheit für die Mieter sehr teuer werden, wenn der Vermieter auf Biogas oder Wasserstoff setze.
Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes, nannte die Kappungsgrenze von 50 Cent ebenfalls eine „sinnvolle und gute Idee“. Zum Einwand der finanziellen Härte durch den Mieter sagte er, für den Mieter hänge die Härte nicht davon ab, welches Motiv der Vermieter verfolge. Siebenkotten beklagte, dass es keine Begrenzung mehr bei den Heizkosten gebe, die von den Mietern getragen werden müssten.
Axel Gedaschko von der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland wies darauf hin, dass Eigentümer immer auch die geplante EU-Gebäuderichtlinie im Hinterkopf haben müssten. Ohne einen mittelfristigen „Speedbonus“ werde keine Rechnung mehr aufgehen, Vermieter könnten dies vom Eigenkapital her auf Dauer nicht stemmen. Den Härtefalleinwand für Mieter lehnte Gedaschko ab. Hier müsse der Staat geradestehen und nicht der Vermieter haftbar gemacht werden. Wenn Wohngeld zur Verfügung steht, sollte aus Sicht Gedaschkos kein Härtefall geltend gemacht werden können. Eine optimale Förderung sah er nur bei der reinen Wärmepumpe.
Kai H. Warnecke, Präsident von Haus & Grund Deutschland, hielt es für richtig, den Gesetzentwurf erst zu beschließen, wenn Wärmeplanungsgesetz und Fördergesetz danebenliegen. Die unterschiedliche Behandlung von Mietern und Vermietern erschließe sich ihm nicht. Der Indexmietvertrag werde de facto abgeschafft. Man könne nicht Eigentümer zu etwas verpflichten und gleichzeitig fordern, dass die Miete nicht erhöht werden darf. Die Kappungsgrenze von 50 Cent stellte den Mieterschutz über den Klimaschutz.
Jutta Gurkmann, Geschäftsbereichsleiterin Verbraucherpolitik beim Verbraucherzentrale Bundesverband, sagte, die Vorgabe, zu einem Anteil der erneuerbaren Energien von 65 Prozent zu kommen, sei nicht mehr sichergestellt, die Koalition bleibe hier hinter ihrem eigenen Anspruch zurück. Dass auch ab 2024 noch Gasheizungen eingebaut werden können, stelle die Klimaziele infrage. Kritisch sah Gurkmann auch, dass es nicht mehr um den effizienten Einsatz von Energie, sondern nur noch um die Einsparung von Treibhausgasemissionen gehe. Energieeffizienz sollte ihrer Ansicht nach nicht hinten anstehen. Eine verpflichtende Energieberatung solle Verbraucher vor falscher Entscheidung schützen, daher werde eine unabhängige Energieberatung gebraucht.
Professor Fritz Söllner von der Technischen Universität Ilmenau sagte, Emissionen, die an einer Stelle eingespart werden, würden an anderer Stelle wieder freigesetzt, insgesamt ergebe sich kein Reduktionseffekt. Zwar enthalte der Gesetzentwurf nun Verbesserungen im Detail, am grundsätzlichen Problem ändere sich aber nichts. Das Gesetz sei ökologisch ineffektiv, stellte Söllner fest.
(c) HiB Nr. 509 vom 03.07.2023