Nach zwei Jahren pandemiebedingter Einschränkungen hat sich im Jahr 2022 das gesellschaftliche Leben weitgehend normalisiert. Dies galt auch für den Gerichtsalltag und -betrieb. Machte die Pandemie vielfältige Schutzmaßnahmen notwendig, wie die Maskenpflicht in den öffentlich zugänglichen Bereichen des Gebäudes, die Ausgabe von Corona-Selbsttests, die Schließung kleiner Sitzungssäle, die Bereitstellung von Plexiglas-Abtrennungen, das Führen von Telefonkonferenzen oder die Abhaltung von mündlichen Verhandlungen und Besprechungen im Videoformat, so kehrte 2022 allmählich die Normalität in den Alltag der Gerichtsangehörigen und Besucher zurück. In der Verwaltungsgerichtsbarkeit, der infolge ihrer Zuständigkeit für die infektionsschutzrechtlichen Streitigkeiten in der Coronakrise eine Schlüsselrolle zukam, ist eine Normalisierung im Laufe des Jahres 2022 auch bei den Eingangszahlen sichtbar geworden: Waren im Sachgebiet Infektionsschutzrecht im Jahr 2020 am Verwaltungsgericht Düsseldorf 275 und im Jahr 2021 sogar ca. 550 Verfahren eingegangen, sank deren Zahl im vergangenen Jahr auf rund 220 Streitigkeiten ab, wobei die Mehrzahl der Eingänge in der ersten Jahreshälfte verzeichnet wurde. Hinzu kamen noch weitere pandemiebedingte Rechtsschutzgesuche in anderen Sachgebieten, etwa im Schulrecht, im Beamtenrecht oder im Versammlungsrecht, die jedoch im Vergleich zu den beiden Vorjahren ebenfalls rückläufig waren. Im Bereich der Corona-Soforthilfen sind allerdings Anfang 2022 550 Klagen eingegangen, nachdem die zuständige Bezirksregierung Düsseldorf Ende Dezember 2021 (Teil-) Rückforderungsbescheide erlassen hatte.

Insgesamt entsprechen die Verfahrenszahlen des Jahres 2022 in etwa dem Niveau des Vorjahres. Das Gericht hat gut 12.500 Eingänge registriert; etwa 4.500 (36 %) waren Asylverfahren, die damit gegenüber 2021 um mehr als 22 % angewachsen sind. Damit spiegelt sich die 2022 zu beobachtende Zunahme der Zuwanderung in die Europäische Union im Anstieg der gerichtlichen Asyleingänge wider: Laut EU-Asylstatistik beantragten im vergangenen Jahr fast eine Million Menschen in der Europäischen Union Asyl (hierin sind die ukrainischen Staatsangehörigen nicht eingerechnet, die einen besonderen Aufenthaltsstatus erhalten haben). Ein Viertel aller Asylanträge wurde hierzulande gestellt, obgleich das von EU-Mitgliedstaaten umgebene Deutschland nach der Dublin III-Verordnung für kaum ein Asylverfahren zuständig wäre, sondern das Land der Erstaufnahme. Dass das Dublin-System seit geraumer Zeit von den Mitgliedstaaten als gescheitert angesehen wird, ist bekannt. Gleichwohl ist es geltendes Recht, dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Geltung verschaffen möchte. Das BAMF stellt mit gerichtlich überprüfbaren Bescheiden fest, wenn ein in Deutschland gestellter Asylantrag unzulässig ist, weil ein anderer Mitgliedstaat für dessen Prüfung zuständig ist, und ordnet die Rückführung des Asylbewerbers dorthin an. Die Zahl der gegen solche Bescheide gerichteten Klagen und Eilanträge ist in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, so auch am Verwaltungsgericht Düsseldorf, nach wie vor hoch: Insgesamt gingen 2022 1.667 sog. Dublin-Verfahren (946 Klagen und 721 Eilanträge) beim Gericht ein; erledigt wurden im gleichen Zeitraum 1.338 Verfahren (642 Klage- und 696 Eilverfahren). Die Dysfunktionalität des Systems wird daran deutlich, dass Rückführungen in den jeweils zuständigen Staat trotz negativen Ausgangs der Gerichtsverfahren kaum erfolgten. Dies führt nach Ablauf entsprechender Fristen dazu, dass Deutschland doch für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig wird und hier ein Asylverfahren durchgeführt werden muss. Gegen den insoweit ergehenden Bescheid des BAMF steht den Betroffenen wiederum gerichtlicher Rechtsschutz offen. Selbst in den – zu wenigen – Fällen erfolgter Rückführungen in den nach der Dublin III-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat kommt es nicht selten vor, dass Asylbewerber umgehend wieder nach Deutschland einreisen und ihre Asylbegehren hier weiterverfolgen.

Die Gesamtzahl der Erledigungen des Gerichts lag mit rund 12.200 Verfahren ebenfalls auf dem Level des Vorjahres, ca. 4.573 Erledigungen (37,5 %) betrafen das Asylrecht. Hier hatten im Bereich der Klageverfahren 14,6 % Erfolg, 6 % waren teilweise erfolgreich; knapp 40 % der Asylklagen wurden abgewiesen; die übrigen Verfahren wurden auf andere Weise erledigt. 64,5 % der Asyl-Eilanträge blieben erfolglos, während ca. 25 % ganz oder teilweise erfolgreich waren. Hauptherkunftsländer waren – wie bereits in den vorherigen Jahren – Syrien, der Irak, Afghanistan und die Türkei. Am Ende des Jahres 2022 waren am Gericht noch knapp 9.700 Verfahren anhängig, etwa ein Drittel hiervon Asylverfahren.

Die Verfahrenslaufzeiten haben sich gegenüber 2021 kaum verändert: Im Durchschnitt wurden die Klageverfahren innerhalb eines Jahres erledigt. Eilverfahren dauerten 2022 durchschnittlich 1,7 Monate.

Nachdem während der Hochphase der Corona-Pandemie von Abschiebungen weitgehend abgesehen wurde, hatte das Gericht im vergangenen Jahr wieder eine deutliche Zunahme sog. Abschiebungsschutzanträge vollziehbar ausreisepflichtiger Personen zu verzeichnen. Auch andere ausländerrechtliche Verfahren betreffend den Aufenthaltsstatus in Deutschland aufhältiger Ausländer sind infolge der Zuwanderungswelle spürbar angestiegen.

Darüber hinaus sind vermehrt Klagen von Drittstaatlern eingegangen, die über ein Aufenthaltsrecht in der Ukraine verfügt haben und aufgrund des Krieges aus dem Land geflohen sind. Anders als ukrainische Staatsangehörige, die sich zum Zeitpunkt des Kriegsausbruchs in der Ukraine aufgehalten haben, profitieren diese Drittstaatler grundsätzlich nicht in gleichem Maße von der Privilegierung der sogenannten Massenzustrom-Richtlinie wie ukrainische Staatsangehörige.

2. Ausblick auf 2023

a) Ausländerrecht

Im Bereich des Ausländerrechts erwartet das Gericht eine verstärkte Inanspruchnahme, unter anderem aufgrund neuer gesetzlicher Regelungen. Im Zusammenhang mit dem Anfang 2023 eingeführten sogenannten Chancen-Aufenthaltsrecht (§ 104c AufenthG) ist abzusehen, dass es nicht nur zu Rechtsschutzverfahren nach Ablehnung einer solchen Aufenthaltserlaubnis, sondern auch verstärkt zu sog. Untätigkeitsklagen kommen wird. Verschiedene Ausländerbehörden haben dem Gericht bereits signalisiert, aufgrund der übrigen Belastung, nicht zuletzt durch die Befassung mit ukrainischen Kriegsflüchtlingen, Anträge auf Erteilung eines Chancen-Aufenthaltsrechts vorerst nicht bearbeiten zu können. Die Untätigkeitssituation führt letztlich dazu, dass das Gericht die Arbeit der Behörde erledigt und die Voraussetzungen für die Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis erstmals prüft.

In bereits bei Gericht anhängigen Verfahren, in denen Ausländer auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels klagen, wird sich die Frage stellen, ob die bisherigen Klagebegehren mit Blick auf die Möglichkeit, den neuen Aufenthaltstitel nach § 104c AufenthG zu erlangen, obsolet werden.

b) Paradigmenwechsel im Asylrecht durch den EuGH

Einen Paradigmenwechsel im Asylrecht hat der Europäische Gerichtshof mit Entscheidung vom 15. Februar 2023 (C-484/22) eingeleitet, wonach bereits im Asyl-verfahren bei Erlass der Abschiebungsandrohung durch das BAMF auch sogenannte inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse wie familiäre und gesundheitliche Gründe, die einer Abschiebung entgegenstehen könnten, zu prüfen sind. Bisher war dies allein den Ausländerbehörden vor Durchführung der konkreten Abschiebung vorbehalten. Dies wird aus Sicht des Gerichts, jedenfalls bis zu einer etwaigen Novellierung durch den Gesetzgeber, dazu führen, dass der Prüfungsaufwand im asylrechtlichen Verfahren erheblich steigt. So werden voraussichtlich auch Fragen des schützenswerten Umgangs der betroffenen Person mit Kindern und Ehegatten in Deutschland, möglicherweise sogar der Reisefähigkeit, bereits im asylrechtlichen Verfahren zu prüfen sein. Neben dem Gericht werden hierdurch auch andere Behörden, wie beispielsweise die Jugendämter, mutmaßlich stärker belastet. Auch ist zu erwarten, dass es zu Mehrfachprüfungen durch das Gericht kommen wird. Zwischen ablehnendem Asylbescheid und der eigentlichen Abschiebung vergeht in der Regel erhebliche Zeit. Abgelehnte Asylbewerber werden daher vor einer Abschiebung – wie bereits heute – gerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen, in dessen Rahmen die Fragen nach Gesundheitszustand oder der Auswirkungen einer Abschiebung auf das Wohl eines Kindes ggf. erneut zu prüfen sind.

c) Anstehende Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Düsseldorf

Ein Blick in den Geschäftsverteilungsplan erhellt, für welch verschiedenartige Rechtsgebiete das Gericht zuständig ist. Hinter abstrakten Begriffen wie Planfeststellungsrecht, Baurecht, Subventionsrecht, Straßenverkehrsrecht, Informationsfreiheitsrecht, Beamtenrecht oder Kommunalrecht stehen vielfältige Anliegen von Bürgern, aber auch Streitigkeiten von Beamten mit ihrem Dienstherrn oder zwischen kommunalen Organen, etwa zwischen Ratsfraktionen und dem Rat oder dem Bürgermeister. Folgende Verfahren von öffentlichem Interesse aus der Mitte der Gesellschaft stehen im Laufe des Jahres voraussichtlich zur Entscheidung an (die genauen Termine der mündlichen Verhandlungen werden in den monatlichen Terminvorschauen veröffentlicht):

Klagen gegen die CO-Pipeline

Nach rechtskräftigem Abschluss des Leitverfahrens 3 K 1599/07 (Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf von Mai 2011, Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen von August 2020 – 20 A 1923/11 – nach Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von Dezember 2016 – 1 BvL 10/14 – sowie Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts von Dezember 2021 – 4 B 10.21 -) sind im Jahr 2022 insgesamt 16 Klagen betreffend die Kohlenmonoxid-Rohrfernleitung („CO-Pipeline“) von Köln-Worringen nach Krefeld-Uerdingen aus den Jahren 2007 bis 2009 und 2018 zurückgenommen worden. 27 Klageverfahren aus den Jahren 2007 bis 2010 sowie 2018 sind bei der zuständigen 3. Kammer des Gerichts zu Jahresbeginn noch anhängig gewesen. Von diesen richten sich 8 Klageverfahren gegen planfeststellungsrechtliche Entscheidungen der Bezirksregierung Düsseldorf, die übrigen 19 Klageverfahren betreffen Besitzeinweisungsbeschlüsse dieser Behörde. Zunächst stehen die planfeststellungsrechtlichen Verfahren zur Entscheidung an:

Den Auftakt machten am 28. Februar 2023 die Klagen zweier privater Klägerinnen aus Hilden und Ratingen gegen den Planfeststellungsbeschluss von Februar 2007 in der aktuellen Fassung von August 2018. Diese Klagen hat das Gericht abgewiesen (Pressemitteilung vom 28. Februar 2023). Am 2. Mai 2023 ist die Verhandlung über die Verbandsklage des BUND gegen den Planänderungsbeschluss der Bezirksregierung Düsseldorf von August 2018 vorgesehen. Am 13. Juni 2023 werden schließlich die mündlichen Verhandlungen der gegen einzelne Planänderungsentscheidungen aus 2008 und 2009 gerichteten Klagen der Städte Duisburg, Hilden, Langenfeld und Solingen folgen.

Mehr als 450 Klagen zu Corona-Soforthilfen vor der Entscheidung

Nachdem die zuständige 20. Kammer mit Urteilen vom 16. August 2022 in drei repräsentativen Verfahren entschieden hatte, dass die Rückforderungsbescheide der Bezirksregierung Düsseldorf zu den sog. Corona-Soforthilfen rechtswidrig waren, hat jüngst das Oberverwaltungsgericht NRW die Berufungen zurückgewiesen (Pressemitteilung vom 17. März 2023). Die Kammer ist zuversichtlich, die noch anhängigen rund 450 Klageverfahren im Laufe des Jahres erledigen zu können.

Jugendmedienschutz Hauptsacheverfahren – Untersagung von ausländischen Porno-Websites, Sperrverfügung gegen Access-Provider

Nachdem die 27. Kammer des Gerichts mit Beschlüssen vom 30. November 2021

– bestätigt durch Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nord-rhein-Westfalen vom 7. September 2022 – die Untersagung von pornografischen Internetangeboten zypriotischer Anbieter im Eilverfahren als rechtmäßig angesehen hatte, stehen nunmehr die Hauptsacheverfahren am 4. April 2023 zur mündlichen Verhandlung an. Im Kern streiten die Beteiligten weiter darum, ob von EU-Auslandsgesellschaften, deren Programm weltweit abrufbar ist, die Einhaltung des deutschen Jugendschutzrechts eingefordert werden kann und ob die deutschen Behörden in diesem Zusammenhang überhaupt befugt sind, gegen EU-Auslandsgesellschaften vorzugehen, oder ob nicht vielmehr die Behörden am Sitz des jeweiligen Betreibers zuständig wären.

Im Zusammenhang mit diesen Verfahren ist auch eine Klage eines großen Telekommunikationsunternehmens in seiner Eigenschaft als sog. Access-Provider anhängig, mit der sich das Unternehmen gegen eine Verfügung der Landesanstalt für Medien NRW wendet, mit der ihm die Sperrung einer Domain eines pornografischen Internetangebots aus dem EU-Ausland aufgegeben wird.

Medienrecht: Klagen gegen Public-Value-Liste der Landesmedienanstalt

Mehrere Anbieter von Fernsehprogrammen wehren sich dagegen, dass ihre Programme nicht in die sog. Public-Value-Liste gemäß § 84 Abs. 5 Medienstaatsvertrag aufgenommen worden sind. Angebote, die von den Landesmedienanstalten als inhaltlich und qualitativ werthaltig und daher gesellschaftlich wünschenswert bestimmt wurden, müssen demnach z.B. auf Benutzeroberflächen von Smart TVs prominent platziert werden, um sie so in den Fokus der Nutzer zu rücken.

Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V. klagt auf Mitwirkung am islamischen Religionsunterricht in NRW

Im Mai 2021 hat eine aus islamischen Organisationen bestehende Kommission ihre Arbeit aufgenommen, die dem Land NRW als Ansprechpartner für die Gestaltung des islamischen Religionsunterrichts dient. Die Mitgliedschaft in der Kommission setzt u.a. voraus, dass die islamische Organisation die Gewähr dafür bietet, eigenständig und staatsunabhängig zu sein und die Verfassungsprinzipien, die Grundrechte der Schüler sowie die Grundprinzipien des freiheitlichen Religionsverfassungsrechts des Grundgesetzes zu achten. Die Landesregierung NRW geht davon aus, dass der – bei der zuständigen 18. Kammer klagende – Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V. diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Denn er pflege Verbindungen zu islamischen Organisationen, die verfassungsfeindliche Tendenzen aufwiesen. Dagegen wendet sich der Zentralrat, der eine Beteiligung in der Kommission anstrebt. Die mündliche Verhandlung findet am 3. Mai 2023 statt.

Tempo 30 auf der Merowingerstraße in Düsseldorf

Vor der zuständigen 6. Kammer des Gerichts klagt ein Bürger gegen das von der Stadt Düsseldorf angeordnete Tempo 30 auf der Merowingerstraße in Düsseldorf. Die Geschwindigkeitsbeschränkung wurde als Ersatzmaßnahme für die frühere Umweltspur eingerichtet. Tempo 30 soll die Abgasbelastung durch den Straßen-verkehr zum Schutz der Anwohner so weit vermindern, dass der zulässige Grenzwert von Stickstoffdioxid (40 µg² NO2) eingehalten wird. Der Kläger meint, die Grenzwerte würden gar nicht überschritten. Außerdem habe die Stadt keine Alternativmaßnahmen geprüft. Das Gericht beabsichtigt zu entscheiden, wenn ihm die Zahlen der Schadstoffbelastung für das Jahr 2022 vorliegen.

Nächtliches Tempo 30 auf der Neusser/Düsseldorfer/Moerser Straße in Meerbusch-Büderich

In diesem Verfahren wendet sich ein Bürger gegen die Anordnung von Tempo 30, das zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr über rund 2,2 km auf der Neusser/Düsseldorfer/Moerser Straße in Meerbusch („Hauptstraßenzug“ durch Meerbusch-Büderich) gelten soll. Die Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit soll die Anwohner vor übermäßigem Verkehrslärm schützen. Das Gericht beabsichtigt, über die Klage zu entscheiden, sobald die Zahlen der neuesten Verkehrszählung der Bundesanstalt für Straßenwesen vorliegen. Die angegriffene Tempo 30-Anordnung beruht noch auf den Zahlen des Jahres 2015.

Verlängerung der Taxikonzessionen einer langjährigen Bundestagsabgeordneten

Eine Bundestagsabgeordnete klagt vor der 6. Kammer gegen die Stadt Mönchengladbach auf die Wiedererteilung von drei Taxenkonzessionen, die während ihrer Mandatszeit im Jahr 2021 abgelaufen sind. Die Stadt hat es abgelehnt, die Taxikonzessionen der Klägerin, die im Jahr 2021 wieder in den Bundestag gewählt worden ist, zu verlängern und die Klägerin zugleich für fünf Jahre von der Betriebspflicht zu befreien. Taxis unterliegen als Teil des ÖPNV einer Betriebspflicht. In den Jahren 2013 bis 2021, in denen sie bereits dem Deutschen Bundestag angehörte, hatte die Politikerin ihre Taxigenehmigungen verpachtet. Die Bundestagsabgeordnete beruft sich u.a. darauf, dass nach Art. 48 Abs. 2 des Grundgesetzes Arbeitnehmern nicht gekündigt und Beamte nicht entlassen werden dürften, wenn sie dem Deutschen Bundestag angehörten. Derselbe Schutz müsse auch für sie als Taxiunternehmerin gelten, die auf staatliche Genehmigungen angewiesen sei. Wenn sie ihre Genehmigungen endgültig verliere, könne sie ihren Beruf nicht mehr ausüben, wenn sie aus dem Bundestag ausscheide. Sie müsse sich dann am Ende der Warteliste einreihen und könne auf Jahre hinaus keine neue Taxenkonzession erhalten.

Altägyptische Artefakte vor Gericht

Bei der 1. Kammer sind mehrere Klagen erhoben worden, die Maßnahmen auf der Grundlage des Gesetzes zum Schutz von Kulturgut betreffen. In einem Verfahren begehren die Kläger die Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung nach dem Kulturgutschutzgesetz für mehrere altägyptische Artefakte zum Zweck des Verkaufs ins Ausland. Dabei handelt es sich um einen apotropäischen (Dämonen austreibenden/Unheil abwendenden) Stab, eine Perlenhalskette, eine Hes-Vase (Ritualgefäß für Wasserspende) und ein Pektoral (Brustschmuck) in Form einer goldenen Plakette. Diese Gegenstände haben einen Wert von insgesamt knapp 1,2 Millionen Euro und waren von Mai 2019 bis April 2020 Teil der Ausstellung „PharaonenGold“ im UNESCO Weltkulturerbe Völklinger Hütte. Das Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW hat den Ausfuhrantrag mit der Begründung ab-gelehnt, es bestünden erhebliche Zweifel, dass die Kläger Eigentümer der Artefakte seien. Es bestehe der Verdacht, dass sie aus Raubgrabungen stammten. In drei weiteren Verfahren wendet sich der Kläger jeweils gegen die Sicherstellung von mehreren altägyptischen Artefakten durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW. Dabei handelt es sich um ein Sarkophag-Paneel, eine Brosche und eine Sargmaske, die der Kläger jeweils im Jahr 2020 in den USA ersteigert und nach Deutschland eingeführt hat. Die Beteiligten streiten insbesondere darüber, wie das 2016 in Kraft getretene Kulturgutschutzgesetz auszulegen ist, ob die Artefakte nationales Kulturgut der Arabischen Republik Ägypten sind und ob sie unter Verstoß gegen ägyptisches Recht aus dem Land gebracht wurden.

Mehrere hundert Klagen syrischer Wehrdienstentzieher

Nachdem der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 19. November 2020 (C-238/19) eine starke Vermutung dafür angenommen hatte, dass die Wehrdienstverweigerung durch das syrische Regime als ein Akt politischer Opposition ausgelegt wird und mit einem Verfolgungsgrund in Zusammenhang steht, stellten zahlreiche syrische Schutzsuchende, denen zuvor (nur) der subsidiäre Schutz zuerkannt worden war, einen Asylfolgeantrag mit dem Ziel der Zuerkennung des Flüchtlingsstatus. Mehr als 250 solcher Verfahren gingen bei der 17. Kammer des Gerichts ein. Das Bundesverwaltungsgericht hat am 19. Januar 2023 (1 C 1.22) entschieden, die Plausibilität der Zuschreibung der oppositionellen Haltung stehe unter dem Vorbehalt der tatsächlichen Prüfung durch Behörden und Gerichte. In der Folge verzichteten Verfahrensbeteiligte in zahlreichen Verfahren auf Anfrage der Kammer auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Dies ermöglichte der Kammer, bereits eine nennenswerte Anzahl dieser Verfahren – bislang ausnahmslos abschlägig – zu entscheiden. Angesichts der noch beträchtlichen Zahl an vergleichbaren Verfahren beim BAMF steht allerdings zu erwarten, dass die Thematik das Gericht auch weiterhin stark beschäftigen wird.

Informationszugang zu Akten der Landesregierung NRW zu sogenannten „Cum-Ex“-Transaktionen der WestLB AG

Vor der 29. Kammer klagen die wirtschaftlichen Eigentümer der Warburg Bank gegen das Land NRW, vertreten durch das Justizministerium, auf Informationszugang zu sämtlichen Akten der nordrhein-westfälischen Landesregierung zu so-genannten „Cum-Ex“-Transaktionen der WestLB AG, insbesondere für die Jahre 2005 bis 2011. Dabei begehren sie vor allem Zugang zu Unterlagen zum Erwerb von Aktien an der Daimler-Chrysler AG im Wert von 9 Milliarden Euro am Tag der Hauptversammlung, dem 4. April 2007, und zum anschließenden Verkauf nach nur zwei Wochen. Ferner geht es ihnen um den Zugang zu dem Schriftverkehr der Landesregierung mit der Bankenaufsicht BaFin im Zusammenhang mit dieser Transaktion durch die WestLB, dabei insbesondere zu dem der Landesregierung vorliegenden, durch die BaFin veranlassten externen Gutachten, das Eigentümern der WestLB übergeben worden ist, sowie den Verwaltungsakten des Justizministeriums, die den Ermittlungsverfahren gegen ehemalige Organe der WestLB und ihrer Nachfolgeorganisation, der Portigon AG, wegen „Cum-Ex“-Transaktionen zugrunde liegen. Das Justizministerium hatte dem Informationszugangsantrag teilweise stattgegeben. Die Einsichtnahme in Berichte der ermittelnden Staatsanwaltschaften sowie in einzelne Vorbereitungen bzw. Vorlagen des Finanzministeriums hatte es verweigert.

Einsicht in die Dienstanweisung für den Einsatz von Tasern der Polizei

Auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes NRW begehrt der Kläger vom Land NRW Einsicht in die Dienstanweisung für den Einsatz von Distanzelektroimpulsgeräten (sog. Taser) der nordrhein-westfälischen Polizei. Die Taser werden seit Beginn des Jahres 2021 von der Polizei NRW getestet. Das Land ist der Ansicht, der Herausgabe der Informationen stehe entgehen, dass durch die Bekanntgabe einsatztaktische Spezifikationen bekannt und hierdurch die Interessen des Landes beeinträchtigt würden.

Hohe Anzahl an Verfahren zu Wettvermittlungsstellen

Bei der 3. Kammer sind derzeit 180 Klageverfahren anhängig, mit denen jeweils von der Bezirksregierung Düsseldorf eine glücksspielrechtliche Erlaubnis für eine Wettvermittlungsstelle (zur Vermittlung von Sportwetten) erstrebt wird; davon betreffen allein 41 Klageverfahren Standorte in Duisburg, 31 in Düsseldorf und 24 in Wuppertal. Die Erlaubnisbehörde hat den ganz überwiegenden Teil der Anträge unter Verweis auf die räumliche Nähe zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe abgelehnt. Nach den gesetzlichen Vorgaben soll regelmäßig ein Mindestabstand von 350 Metern Luftlinie nicht unterschritten werden; dieser reduziert sich unter bestimmten Voraussetzungen (bestandskräftige Baugenehmigung für die Wettvermittlungsstelle an einem bestimmten Stichtag) auf 100 Meter. Bei einem kleinen Teil der Klageverfahren geht es um den (mangelnden) Abstand zu Spielhallen oder zu anderen Wettvermittlungsstellen. Neben zahlreichen objektbezogenen Argumenten wie beispielsweise der konkreten Berechnung des Abstandes oder den Öffnungszeiten der jeweiligen Schule bzw. Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe wird in allen Verfahren die Europarechts- und Verfassungswidrigkeit der zugrunde liegenden nordrhein-westfälischen Gesetzesbestimmungen zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrages geltend gemacht.

Klage gegen Errichtung eines Amazon Verteilzentrums in Düsseldorf-Reisholz

Die IDR-Entsorgungsgesellschaft mbH wendet sich vor der 4. Kammer gegen eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Amazon Verteilzentrums an der Bahnstraße in Düsseldorf-Reisholz. Die IDR-Entsorgungsgesellschaft mbH wurde mit dem Zweck gegründet, Sonderabfälle in Düsseldorf und in der Region Mettmann zu sammeln und einer Entsorgung zuzuführen. Hierzu betreibt sie an der Oerschbachstraße in Düsseldorf-Reisholz ein Sonderabfalllager (Entsorgungszentrum Düsseldorf-Reisholz). Sie macht geltend, das Verteilzentrum halte den nach dem Störfallrecht notwendigen Abstand zu ihrem Störfallbetrieb nicht ein und verstoße daher gegen das Rücksichtnahmegebot. Die Landeshauptstadt Düsseldorf steht auf dem Standpunkt, dass ein Verstoß gegen das Abstandsgebot nicht vorliege, weil das Verteilzentrum kein Schutzobjekt im Sinne des Störfallrechts sei und die Sicherheitsabstände zudem einhalte.

Streit über Hahnenschreie und Bienenvölker in der Tannenhofsiedlung in Düsseldorf-Vennhausen

Eine Anwohnerin klagt gegen die Landeshauptstadt Düsseldorf auf ein Einschreiten gegen Hahnenschreie und Bienenvölker in der Tannenhofsiedlung in Düsseldorf-Vennhausen. Kern des Rechtsstreits ist die „Ortsüblichkeit“ der Haltung von Hühnern und Bienen in der Tannenhofsiedlung.

Klagen gegen Drogenhilfezentrum in Krefeld

Nachbarn klagen vor der 16. Kammer gegen die Baugenehmigung zur Umnutzung einer Kindertagesstätte an der Schwertstraße in Krefeld zu einem Drogen-hilfezentrum mit einem Drogenkonsumraum und haben auch einen Eilantrag eingereicht. Sie fürchten Beeinträchtigungen des (Wohn-)Umfelds.

Klage gegen Kindertagesstätte in der Wildkräutersiedlung in Krefeld-Fischeln

Eine Nachbarin wendet sich gegen die Baugenehmigung zur Errichtung einer Kindertagesstätte in der Wildkräutersiedlung in Krefeld-Fischeln. Sie macht geltend, in der Wildkräutersiedlung gebe es keinen Bedarf mehr für eine Kindertagesstätte, da die Kinder der Bewohner mittlerweile erwachsen seien. Deswegen würden voraussichtlich überwiegend Kinder aus anderen Wohngebieten die Kindertagesstätte besuchen. Dies verursache erheblichen An- und Abfahrtsverkehr. Zudem werde die ohnehin unzureichende Parkraumsituation verschärft.

Photovoltaikanlagen auf Baudenkmälern

Bei der 28. Kammer des Gerichts sind mehrere Klagen anhängig, mit welchen die Erteilung der Erlaubnis zur Errichtung von Photovoltaikanlagen auf den Dächern von Baudenkmälern begehrt wird. Nachdem der Landesgesetzgeber im Zuge der Novellierung des Denkmalschutzgesetzes NRW im Jahr 2022 ausdrücklich festgelegt hat, dass im Rahmen der Erlaubniserteilung insbesondere auch die Belange des Einsatzes erneuerbarer Energien angemessen zu berücksichtigen sind, sind bei den Denkmalbehörden die Anträge auf die Erteilung von Erlaubnissen zur Errichtung von Photovoltaikanlagen auf den Dächern von Baudenkmälern erheblich angestiegen. Bereits der Bundesgesetzgeber hat im Jahr 2022 im Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien entschieden, die erneuerbaren Energien als vorrangigen Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen einzubringen. Im Hinblick darauf ist vermehrt mit entsprechenden Klagen vor dem Verwaltungsgericht zu rechnen.

Photovoltaik versus Baumschutz

Klimaschutz gerät mitunter mit dem Naturschutz in Konflikt. Vor der 9. Kammer klagen zwei Bürger aus Mülheim an der Ruhr auf Erteilung von Ausnahmen bzw. Befreiungen von Verboten der örtlichen Baumschutzsatzung, um zumindest die Kronen zweier auf den öffentlichen Verkehrsflächen vor ihren Häusern stehenden Platanen einkürzen zu lassen. Nach ihrem Vorbringen verschatten sie ihre Dachflächen erheblich, auf denen sie bereits Kollektoren zur Wärmeerzeugung angebracht haben und künftig auch Photovoltaikanlagen errichten möchten.

Förderung von Energieeffizienz

Mit Verfahren, in denen es um Fördergelder für Klimaschutztechnik und Elektromobilität geht, beschäftigt sich die 20. Kammer des Gerichts: Gegenstand sind Subventionen für Wallboxen, Photovoltaikanlagen bzw. elektrische Batteriespeicher für diese sowie Elektrofahrzeuge.

Gleichwertigkeitsprüfungen im Recht der Heilberufe

Die 7. Kammer befasst sich mit einer nicht unerheblichen Anzahl von Klagen von Drittstaatlern, die eine Anerkennung der Gleichwertigkeit ihrer im Ausland erworbenen ärztlichen oder pharmazeutischen Ausbildung begehren, um in Deutschland als Arzt oder Apotheker arbeiten zu können. Da sich die Kontrolle der Authentizität vorgelegter Urkunden etwa von syrischen oder afghanischen Staatsangehörigen wegen der politischen Verhältnisse in den Heimatländern schwierig gestaltet, prüft das Gericht unter anderem auch die Plausibilität der Angaben der Kläger.

3. Die erste Kunstausstellung nach der Pandemie

Die lichtdurchflutete Glasdachhalle des Stahlhofs, der Sitz des Gerichts ist, eignet sich in besonderer Weise für Kunstausstellungen, die vor der Corona-Pandemie regelmäßig dort durchgeführt wurden. Am 27. April 2023 findet erstmalig wieder eine Vernissage zu der Ausstellung „Es ist wieder angerichtet“ statt. Der Düsseldorfer Künstler Holger Stoldt präsentiert seine farbenfrohen Werke bis Ende Juli 2023. Er bekennt sich auch künstlerisch zu seinem Lokalpatriotismus und ist wegweisend für viele Künstler, Düsseldorf in einer neuen Sichtweise darzustellen.

Quelle: VG Düsseldorf, Pressemitteilung vom 22. März 2023

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