Absperrung des Zugangs zu der Elbinsel Entenwerder zur Errichtung eines Protestcamps anlässlich des G20-Gipfeltreffens wie auch die Untersagung des Camps und das Verbot von Schlafzelten waren rechtswidrig
Mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung am 4. Mai 2022 hat das Verwaltungsgericht Hamburg festgestellt, dass die zeitweilige Absperrung des Zugangs zu der Elbinsel Entenwerder zur Errichtung eines Protestcamps anlässlich des G20-Gipfeltreffens durch die Polizei und die zunächst erfolgte Untersagung der Errichtung des Protestcamps wie auch die zeitlich darauf folgende Untersagung von Schlafzelten, Duschen und Küchen rechtswidrig waren (21 K 264/18).
Der Kläger plante anlässlich des G20-Gipfeltreffens eine Veranstaltung in Form eines Protestcamps, die zunächst auf dem Gelände des Hamburger Stadtparks stattfinden sollte. Der Kläger meldete die geplante Veranstaltung als Versammlung bei der Versammlungsbehörde an. Vorgesehen war eine Dauerveranstaltung mit einer eigenen Infrastruktur, die u.a. Küchen, Waschmöglichkeiten und Zelte für Übernachtungen vorsah. Die Versammlungsbehörde vertrat die Auffassung, dass die Veranstaltung jedenfalls in ihrer Gesamtheit nicht dem Versammlungsrecht unterfalle. Das Bezirksamt Nord lehnte die Erteilung einer Genehmigung für die Nutzung des Stadtparks ab.
Das Protestcamp war Gegenstand mehrerer gerichtlicher Eilentscheidungen. Mit Beschluss vom 28. Juni 2017 verpflichtete das Bundesverfassungsgericht die Beklagte über die Duldung der Veranstaltung auf der Grundlage des Versammlungsrechts neu zu entscheiden (1 BvR 1387/17).
Der Kläger meldete daraufhin bei der Beklagten hilfsweise an, das Protestcamp mit bis zu 5.000 Personen auf der Elbinsel Entenwerder durchzuführen. Als Infrastruktur waren u.a. mobile Toiletten, Waschmöglichkeiten, Küchen und bis zu 1.500 kleine Schlafzelte vorgesehen. Die Beklagte bestätigte dem Kläger die Anmeldung und verfügte eine Reihe von Beschränkungen, u.a. hinsichtlich der Schlafplätze. Der Bescheid bezog sich inhaltlich auf den Stadtpark als ursprünglichen Veranstaltungsort, zugleich wurde dem Kläger aber untersagt, das Protestcamp im angemeldeten Zeitraum im Elbpark Entenwerder durchzuführen. Ein daraufhin im Hinblick auf die Durchführung des Protestcamps durchgeführtes Eilverfahren war vor dem Verwaltungsgericht teilweise erfolgreich (Az. 75 G 3/17). Das Verwaltungsgericht stellte klar, dass es dem Kläger nach dieser Entscheidung vorläufig erlaubt sei, das Protestcamp im Elbpark Entenwerder nach Maßgabe seiner Anmeldung zu errichten.
Am 2. Juli 2017 fand sich der Kläger gegen 12:00 Uhr auf der Elbinsel Entenwerder ein. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Polizei den Zugang zur Halbinsel Entenwerder mit Fahrzeugen und einer Vielzahl von Einsatzkräften abgeriegelt. Seitens des Einsatzleiters der Polizei vor Ort wurde dem Kläger mündlich zunächst mitgeteilt, dass kein Camp auf der Elbinsel Entenwerder errichtet werden dürfe. Im Verlauf des Tages entschied die Versammlungsbehörde, den Elbpark Entenwerder auf einer begrenzten Fläche als Versammlungsort zuzulassen, allerdings ohne die vom Kläger begehrte Infrastruktur (Schlafzelte, Duschen und Küchen). Die auf der Grundlage des Versammlungsgesetzes erlassene Verfügung wurde dem Kläger am Abend des 2. Juli 2017 zugestellt.
Die Polizei ließ die wartenden Personen zunächst nicht auf das Gelände. Erst gegen 20:30 Uhr wurden die polizeilichen Absperrungen aufgehoben und den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Zutritt auf das Gelände ermöglicht. Neben den Veranstaltungszelten errichteten einzelne Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch Schlafzelte. Einsatzkräfte der Polizei betraten gegen 22:30 Uhr das Gelände, um die Zelte zu entfernen. Es wurden diverse Schlafzelte sichergestellt. Bei dem Einsatz wurde in diversen Fällen unmittelbarer Zwang gegen Teilnehmerinnen und Teilnehmer angewendet, bei dem die Polizei auch Pfefferspray einsetzte. Zudem kam es zu Identitätsfeststellungen durch die Polizei.
Ein zuvor bereits erhobener Eilantrag gegen die Verfügung vom Abend des 2. Juli 2017 blieb vor dem Verwaltungsgericht ohne Erfolg (Az. 75 G 8/17). Auf die Beschwerde des Klägers änderte das Hamburgische Oberverwaltungsgericht am 5. Juli 2017 (Az. 4 Bs 148/17) den Beschluss des Verwaltungsgerichts ab. Nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts durften bis zu 300 Schlafzelte für jeweils max. 2-3 Personen aufgestellt, Waschgelegenheiten errichtet sowie eine Küche zur Selbstversorgung aufgebaut werden. Zu einer Errichtung des Camps kam es in der Folge nicht mehr.
Auf die Klage des Klägers hat das Verwaltungsgericht in seiner heute bekannt gegebenen Entscheidung festgestellt, dass die Absperrung des Zugangs zur Entenwerder Halbinsel rechtswidrig war. Auch darüber hinaus war die Klage teilweise erfolgreich. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts stellte das angemeldete Protestcamp (jedenfalls in erheblichen Teilen) eine Versammlung im Sinne von Art. 8 Abs. 1 GG dar. Vor diesem Hintergrund sei die nicht näher eingegrenzte, insbesondere nicht zeitlich klar befristete Verfügung, mit der die Errichtung des Protestcamps zunächst untersagt wurde, ebenso wie die im Rahmen der späteren Verfügung erfolgte vollständige Untersagung des Aufstellens von Schlafzelten, des Errichtens von Duschen und des Aufbaus von Küchen rechtswidrig gewesen. Soweit sich der Kläger darüber hinaus auch gegen polizeilichen Maßnahmen gegen einzelne Teilnehmerinnen und Teilnehmer gewandt hatte, blieb seine Klage schon mangels eigener Betroffenheit ohne Erfolg.
Weitere Einzelheiten werden sich aus der schriftlichen Urteilsbegründung ergeben, die derzeit noch nicht vorliegt. Gegen die Entscheidung können die Beteiligten innerhalb eines Monats nach Zustellung des schriftlichen Urteils die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung zum Hamburgischen Oberverwaltungsgericht einlegen.
Quelle: Verwaltungsgericht Hamburg, Pressemitteilung vom 5. Mai 2022