Die Große Jugendkammer des Landgerichts München I hat den Angeklagten Kevin G. heute wegen Mordes in Tatmehrheit mit versuchter Brandstiftung zu einer Jugendstrafe von 8 Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Das Gericht hat sich zudem die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten.

Nach den Feststellungen des Gerichts hat der Angeklagte seine Mutter mit insgesamt 23 Schlägen mit einem Handbeil gegen den Kopf getötet. Anschließend habe er im Keller des Wohnhauses seiner Eltern noch Feuer gelegt.

Der Angeklagte habe in Tötungsabsicht gehandelt, er habe einen absoluten Vernichtungswillen aufgewiesen. Den Beweggrund für die Tat sah die Jugendkammer in einem Motivbündel, das sich aus den teilweise bizarren Gedankengängen des Angeklagten gespeist habe. Man dürfe nicht glauben, alles nachvollziehen zu können, was den Angeklagten zu der Tat angetrieben habe, so Stephan Kirchinger, der Vorsitzende Richter. Um dem Tatmotiv auf die Spur zu kommen, müsse man sich auf die Denkstrukturen des Angeklagten einlassen. Das bestimmende Moment sei die eigene Absicht der Selbsttötung gewesen. Der Angeklagte habe sich eine eigene Lebensrealität geschaffen, die ihm einen Halt gegeben habe. Er habe befürchtet, diesen Halt durch einen geplanten Umzug seiner Eltern, mit denen er noch unter einem Dach gelebt habe, zu verlieren. Hierin habe ein Teil des Motivbündels gelegen. Der Angeklagte habe nach eigenen Angaben darüber hinaus schon längere Zeit geplant, einen Menschen sterben zu sehen.

Der Angeklagte habe seine Mutter heimtückisch getötet. Anders als Staatsanwältin Johanna Heidrich konnte sich die Kammer aber aufgrund der verzerrten Denkstrukturen des Angeklagten nicht vom Vorliegen der sonstigen niedrigen Beweggründe als weiterem Mordmerkmal überzeugen.

Der Angeklagte leidet nach den Feststellungen des Gerichts an einer kombinierten Persönlichkeitsentwicklungsstörung. Die Kammer folgte damit der Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen Prof. Freisleder und ging infolgedessen auch von einer nur eingeschränkten Schuldfähigkeit aus. Die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten sei erheblich beeinträchtigt gewesen, wobei die Einsichtsfähigkeit unbeeinträchtigt geblieben sie. Der Angeklagte habe gewusst, dass er seine Mutter nicht töten durfte. Er habe nicht etwa an einer Realitätsverkennung gelitten.

Nachdem der Angeklagte an einer Persönlichkeitsentwicklungsstörung leidet, wendete die Kammer Jugendstrafrecht an, da davon auszugehen sei, dass er sich in seiner Persönlichkeit bei zielführender Behandlung noch entwickeln könne.

Aufgrund der Schwere der Schuld des beispiellosen Verbrechens, einem „Abschlachten“ der eigenen Mutter auf brutalste Art und Weise, könne die Tat nur mit einer Jugendstrafe sanktioniert werden.

Zugunsten des Angeklagten berücksichtigte die Kammer sein umfassendes Geständnis und seine fehlenden Vorstrafen. Zu seinen Lasten wertete das Gericht die unfassbare Brutalität des Geschehens und das Leiden der Geschädigten. Der Angeklagte habe zudem mit Tötungsabsicht gehandelt.

Der Angeklagte sei in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen. Der Angeklagte hatte angekündigt, dass er die Tat wieder begehen würde, damit müsse man, so der Vorsitzende Richter Stephan Kirchinger, von dem Angeklagten alles – auch das Schlimmste – erwarten. Es bestehe damit eine erhebliche Gefahr, dass der psychisch kranke Angeklagte weitere Straftaten von erheblicher Schwere begehe. Zusätzlich sei aber eine Jugendstrafe am oberen Ende des denkbaren Strafrahmens erforderlich, um dem Sühnegedanken, der auch im Jugendstrafrecht Anwendung finde, Geltung zu verschaffen. Dem Angeklagten, der die Dimension der von ihm begangenen Tat noch nicht erfasst habe, müsse das Unrecht der Tat noch einmal deutlich vor Augen geführt haben.

Zuletzt ordnete das Gericht den Vorbehalt der Sicherungsverwahrung an. Hiermit wird insbesondere die denkbare Konstellation erfasst, dass die psychische Erkrankung des Angeklagten in der Unterbringung in der Psychiatrie erfolgreich behandelt wird, er aber dennoch weiterhin für die Allgemeinheit gefährlich bleibt. Das Gericht dürfe hier angesichts der hohen Gefährlichkeit des Angeklagten kein Risiko eingehen.

Das Institut der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung eröffnet die Möglichkeit, in einem zweiaktigen Verfahren die Verhängung der Sicherungsverwahrung im Urteil zunächst vorzubehalten und über die Anordnung in einem Nachverfahren bis zum Ende der Strafvollstreckung zu entscheiden. Bei Jugendlichen und Heranwachsenden ist die Anordnung der Sicherungsverwahrung schon im Urteil anders als bei Erwachsenen gesetzlich nicht vorgesehen.

Das Gericht ordnete die Fortdauer der Untersuchungshaft an.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft München I steht das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, das binnen einer Woche ab heute eingelegt werden müsste.

(c) LG München I, 16.04.2024

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