Beim Jahrespressegespräch der Bayerischen Verwaltungsgerichtsbarkeit in Würzburg zog die Präsidentin des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, Andrea Breit, Bilanz über die aktuelle Lage. Im Zentrum standen steigende Verfahrenszahlen – vor allem im Asylrecht –, die Herausforderungen der Digitalisierung sowie der geplante Ausbau der Gerichtsbarkeit. Trotz hoher Belastung gelingt es den Gerichten, ihre Arbeitsfähigkeit zu sichern und Reformen wie den digitalen Akteneinsatz zügig umzusetzen.

    Am 2. Juli 2025 lud die Bayerische Verwaltungsgerichtsbarkeit zum jährlichen Pressegespräch – diesmal am Verwaltungsgericht Würzburg, das als Gastgeber der zeitgleich stattfindenden Präsidententagung fungierte. Im Mittelpunkt stand die bayernweite Lage der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Andrea Breit, Präsidentin des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, präsentierte den Zustand und die Herausforderungen der bayerischen Verwaltungsgerichtsbarkeit in bemerkenswerter Klarheit. Unterstützt wurde sie durch Hubert Strobel, Präsident des Verwaltungsgerichts Würzburg, der ergänzende Einblicke aus der Perspektive seines Hauses gab.

    Die Präsidententagung – organisatorischer Kompass der Gerichtsbarkeit

    Die Präsidententagung der Bayerischen Verwaltungsgerichte, die jährlich an wechselnden Gerichtsstandorten stattfindet, widmet sich bewusst nicht juristischen Fallbesprechungen, sondern administrativen Fragen der Gerichtsverwaltung. Da Bayern – anders als andere Bundesländer – keinen gesonderten Geschäftsbericht für seine Verwaltungsgerichtsbarkeit veröffentlicht, wird das Pressegespräch im Rahmen dieser Tagung zur zentralen Gelegenheit, über Geschäftslage, Herausforderungen und Perspektiven öffentlich zu informieren.

    Zwischen Normalität und Ausnahmezustand

    Im Rückblick auf das vergangene Jahr wurde deutlich: Die Arbeitsbelastung an den Verwaltungsgerichten Bayerns entwickelt sich in Wellen – getrieben von politisch sensiblen Rechtsgebieten. Wie schon in den Jahren 2015 bis 2018 sorgt das Asylrecht erneut für einen deutlichen Anstieg der Eingangszahlen. Während die Gerichte zwischenzeitlich Entlastung erfahren hatten, verzeichneten sie im Jahr 2024 wieder spürbare Zuwächse – rund 25 Prozent mehr Asylverfahren im Vergleich zum Vorjahr. Landesweit summierten sich die Asylklagen auf über 15 000 – eine Steigerung um zwei Drittel gegenüber 2022. Der Anstieg wirkt sich unmittelbar auf die Gerichte aus: Auch die Zahl der unerledigten Verfahren wächst erneut.

    Ein maßgeblicher Treiber dieses Trends ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), das in Vorbereitung auf die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) derzeit mit Hochdruck Altverfahren abarbeitet. Die Folgen sind bis in die Sitzungssäle spürbar.

    Konzentration zur Effizienzsteigerung

    Um die Verfahren besser zu bewältigen, greift eine bayerische Besonderheit: Durch Rechtsverordnung der Staatsregierung können bestimmte Herkunftsstaaten zentral einem Verwaltungsgericht zugewiesen werden. Das Verwaltungsgericht Würzburg etwa ist derzeit schwerpunktmäßig für Asylverfahren aus der Türkei zuständig – inklusive einer Vielzahl von Verfahren, die zuvor in Mittelfranken beim Verwaltungsgericht Ansbach anhängig waren.

    Bis zum 30. Juni 2025 gingen am VG Würzburg rund 3 000 Asylverfahren ein – rund fünfmal so viele wie im Vorjahreszeitraum. Etwa 1 000 dieser Verfahren betreffen Antragsteller aus der Türkei. Hinzu kommen zahlreiche Verfahren mit Bezug zu Afghanistan und Somalia. Der Personalstand bleibt hingegen knapp: 28 Richterinnen und Richter schultern das wachsende Asylaufkommen neben allen übrigen Verwaltungsstreitigkeiten.

    Das Asylrecht – Prüfstein der Effizienz

    Trotz hoher Belastung liegen Bayerns Verwaltungsgerichte bei den Verfahrenslaufzeiten im Bundesvergleich gut: Im Durchschnitt dauert ein Verfahren rund 11 Monate. Rheinland-Pfalz, wo bestimmte Herkunftsstaaten schon seit Jahren zentral bearbeitet werden, erreicht teilweise Laufzeiten von unter sechs Monaten – ein Maßstab, dem sich auch Bayern annähern möchte.

    Dabei stellt das neue GEAS einen bevorstehenden Umbruch dar. Ab Mitte 2026 soll europaweit einheitlich geregelt sein, wie Schutzsuchende behandelt, Verfahren geführt und Entscheidungen getroffen werden. Für Deutschland bedeutet das unter anderem beschleunigte Verfahren an den Außengrenzen der EU und strengere Rückführungsregeln. Schon jetzt treibt das BAMF die Bearbeitung alter Fälle voran – mit direkten Auswirkungen auf das Arbeitspensum der Verwaltungsgerichte.

    Digitalisierung: Fortschritt mit Bedacht

    Ein Lichtblick im ansonsten dichten Arbeitsprogramm ist die Digitalisierung: Seit dem 1. Juli 2025 führen die bayerischen Verwaltungsgerichte ihre Akten durchgehend elektronisch. Damit wurde das Ziel des bundesgesetzlich vorgeschriebenen Umstiegs bis spätestens Anfang 2026 nicht nur erreicht, sondern vorzeitig erfüllt.

    Auch der Einsatz Künstlicher Intelligenz wird vorsichtig erprobt – vorerst dort, wo keine unmittelbare richterliche Entscheidungsfindung betroffen ist. Ein Beispiel ist das KI-gestützte System EMIL, das in Asylverfahren etwa tagesaktuelle Entwicklungen im Herkunftsland analysiert. So kann etwa auf Knopfdruck beantwortet werden, welche Relevanz ein Anschlag in einer irakischen Stadt für ein konkretes Verfahren haben könnte. EMIL soll die richterliche Arbeit nicht ersetzen, aber sinnvoll ergänzen – insbesondere dort, wo Kapazitäten fehlen.

    Gerichtsausbau: Plattling kommt

    Ein weiteres strukturelles Signal setzte am selben Tag der Bayerische Landtag: Mit dem Beschluss zur Gründung eines siebten Verwaltungsgerichts in Plattling soll der Regierungsbezirk Niederbayern ab 2028 ein eigenes Verwaltungsgericht erhalten. Die neue Kammerstruktur und die geplanten 50 neuen Stellen sollen den Zugang zum Recht weiter verbessern und eine nachhaltige Entlastung bringen.

    Fazit: Stresstest bestanden – aber nicht überstanden

    Das Jahrespressegespräch 2025 offenbarte ein Justizsystem, das mit Weitsicht auf Veränderungen reagiert. Die bayerischen Verwaltungsgerichte stehen unter erheblichem Druck – und dennoch gelingt es ihnen, Effizienz und Rechtsstaatlichkeit im Gleichgewicht zu halten. Der Umbau ist in vollem Gange: mit digitalem Akteneinsatz, ersten Schritten in Richtung KI, klarer Strukturpolitik und personeller Weichenstellung.

    Doch der Druck bleibt hoch – insbesondere im Asylrecht. Und so ist die Botschaft von Präsidentin Breit ebenso nüchtern wie ermutigend: Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Bayern stellt sich den Herausforderungen – mit Pragmatismus, Verfassungstreue und einem offenen Blick für die Zukunft.

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