Im Auftrag des bayerischen Justizministers Georg Eisenreich hat das renommierte Institut für Zeitgeschichte München-Berlin (IfZ) die NS-Vergangenheit der Juristen Dr. Otto Palandt (1877-1951) und Dr. Heinrich Schönfelder (1902-1944) erforscht.

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sich sowohl für Palandt als auch für Schönfelder eine substanzielle Identifikation mit der nationalsozialistischen Ideologie klar belegen lässt. Minister Eisenreich: „Namensgeber für Gesetzessammlungen und Kommentare müssen integre Persönlichkeiten sein. Palandt und Schönfelder waren Nationalsozialisten und haben die Pervertierung des Rechtsstaats in der NS-Zeit unterstützt und vorangetrieben. Deshalb war die Umbenennung der beiden juristischen Standardwerke richtig und notwendig.“

Der Verlag C.H.BECK hat die Streichung der Namensgeber Palandt und Schönfelder im Juli 2021 bekanntgegeben.

Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hat seinerzeit die Umbenennung dieser Werke sehr befürwortet. Prof. Dr. Klaus Weber: „Der Verlag hatte sich in diesem Zusammenhang entschlossen, die Namen aller Werke zu ändern, deren Namensgeber in der NS-Zeit eine aktive Rolle gespielt hatten. Die neuen Forschungsergebnisse haben das Bild von Palandt und Schönfelder nochmals abgerundet. Sie bestätigen uns, 2021 die richtige Entscheidung getroffen zu haben.“

Die Historiker des IfZ kommen zu folgenden Ergebnissen: 

  • Otto Palandt: Als Beamter und Richter habe er nach 1933 „dem Nationalsozialismus rückhaltlos gedient“ und „insgesamt zu einer Vertiefung der nationalsozialistischen Unrechtsauffassung beigetragen“. Der langjährige Präsident des Reichsjustizprüfungsamts habe von 1933 bis 1943 maßgeblich daran mitgewirkt, den Weimarer Rechtsstaat abzuschaffen: „In diesem Sinne war Otto Palandt ein wichtiger Dozent und Lehrer des NS-Unrechtsstaats, ein Protagonist des NS-Regimes, der mit großer Eigeninitiative und viel Engagement ganz maßgeblich zur Um- und Durchsetzung der politisch-ideologischen Vorgaben hinsichtlich der juristischen Ausbildung und des Prüfungswesens beitrug.“
  • Heinrich Schönfelder habe bereits in der Weimarer Republik zu den „rechtsextremistischenDemokratiefeinden“ gehört. In seiner 1926 erschienenen Dissertation habe Schönfelder für die Einführung einer faschistischen Diktatur in Deutschland plädiert. Schönfelders antisemitische und antisozialistische bzw. antikommunistische Haltung habe insbesondere Niederschlag in einer von ihm ab 1929 verlegten Heftreihe mit Prüfungsfällen gefunden. In diesen für die Vorbereitung von Studentinnen und Studenten auf die juristischen Staatsexamina konzipierten Bänden habeSchönfelder die Fallbeispiele vielfach suggestiv und manipulativ entlang antisemitischer und antisozialistischer Stereotype konstruiert. Während des „Dritten Reichs“ habe er sich „vorbehaltlos mit den Zielen des Nationalsozialismus identifiziert und als Beamter und Richter zu deren Umsetzung beigetragen“.

Eisenreich: „Die Studie des IfZ hat bereits vorliegende Erkenntnisse, aber auch Vermutungen bestätigt und neue und unbekannte Aspekte aus dem Leben von Palandt und Schönfelder ans Licht gebracht. Sie belegt, in welchem Umfang diese beiden Namensgeber juristischer Standardwerke in das NS-Unrecht verstrickt waren. Ich möchte mich bei den Verfassern der Studie für ihre Arbeit herzlich bedanken. Antisemitismus und Rechtsextremismus haben in unserer Gesellschaft keinen Platz. Alle Juristinnen und Juristen müssen aus dem dunkelsten Kapitel unserer Vergangenheit und dem beispiellosen Zivilisationsbruch lernen. Deshalb ist es wichtig, sich mit den gravierenden Folgen von rechtsstaatlichen und ethischen Maßstäben losgelösten juristischen Handelns auseinanderzusetzen.“

Minister Georg Eisenreich hat die Ergebnisse des Gutachtens gemeinsam mit Institutsdirektor Prof. Dr. Andreas Wirsching und dem Autor der Studie, Dr. Lutz Kreller am Mittwoch, 28. Juni, bei einer öffentlichen Veranstaltung im Münchner Justizpalast vorgestellt. Im Anschluss diskutierten namhafte Experten unter dem Titel „Braune Paten? Otto Palandt, Heinrich Schönfelder und der Nationalsozialismus“ über die Bedeutung der Studie für Justiz und Rechtswissenschaft. Prof. Dr. Andreas Wirsching moderierte eine Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Pascale Cancik von der Universität Osnabrück, Dr. Lutz Kreller und Prof. Dr. Klaus Weber, Mitglied der Geschäftsleitung des Verlags C.H. Beck.

Hintergrund:

Die Standardwerke „Palandt“ (der wohl wichtigste Kurzkommentar des Bürgerlichen Gesetzbuchs) und die bekannte Gesetzessammlung „Schönfelder“ gehörten jahrzehntelang zur Grundausstattung von Juristen – bei Gerichten und Staatsanwaltschaften, in Rechtsanwaltskanzleien, bei Behörden und Unternehmen. Der „Palandt“ heißt inzwischen „Grüneberg“, benannt nach dem BGH-Richter Dr. Christian Grüneberg. Aus „Schönfelder“ wurde „Habersack“, benannt nach dem früheren Präsidenten des Deutschen Juristentages, Prof. Dr. Mathias Habersack.

Kurzfassung des IfZ-Gutachtens hier zum Download:
https://www.ifz-muenchen.de/fileadmin/user_upload/Presse/Downloads/IfZ_Gutachten_Palandt-Schoenfelder_Zusammenfassung.pdf

Das vollständige Gutachten im Auftrag des bayerischen Justizministeriums wird noch in diesem Jahr in einer Reihe des IfZ veröffentlicht werden.

(c) StMJ, 29.06.2023

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