
Die Bundesanwaltschaft hat Anklage gegen fünf staatenlose syrische Palästinenser wegen mehrfachen Mordes, versuchten Mordes, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit erhoben. Die Beschuldigten sollen als Mitglieder regimetreuer Milizen in Syrien unter anderem an Erschießungen von Demonstranten, Folter und der gewaltsamen Unterdrückung von Zivilisten in Yarmouk beteiligt gewesen sein.
Die Bundesanwaltschaft hat am 24. Juni 2025 vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Koblenz Anklage gegen die staatenlosen syrischen Palästinenser Jihad A., Mahmoud A., Mazhar J. Sameer S. und Wael S. erhoben.
Die Angeschuldigten sind – in mehreren Fällen – des Mordes und versuchten Mordes von Zivilisten und zugleich wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen durch Tötung und versuchte Tötung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB, § 211 StGB, §§ 22, 23 StGB) hinreichend verdächtig. Daneben werden ihnen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in Gestalt von Folter vorgeworfen (§ 7 Abs. 1 Nr. 5, § 8 Abs. 1 Nr. 3 VStGB). Allen Angeschuldigten mit Ausnahme des Wael S. werden in diesem Zusammenhang auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Form der Freiheitsberaubung, Mahmoud A. und Mazhar J. in einigen Fällen mit Todesfolge zur Last gelegt (§ 7 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 3 VStGB). Mahmoud A. werden außerdem Kriegsverbrechen des Einsatzes verbotener Methoden der Kriegsführung vorgeworfen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VStGB).
In der zugestellten Anklageschrift ist im Wesentlichen folgender Sachverhalt dargelegt:
Spätestens seit Ende April 2011 ging das vormalige syrische Regime in Syrien mit zunehmend brutaler Gewalt gegen Kritiker im Land vor. Das Ziel war es, die damalige Protestbewegung bereits zu einem möglichst frühen Zeitpunkt zu unterdrücken und die Bevölkerung einzuschüchtern. Hierzu wurden überall im Land tatsächliche oder vermeintliche Oppositionelle inhaftiert, gefoltert und getötet. Anfang 2012 weiteten sich die Spannungen in Syrien zu einem großflächigen Bürgerkrieg aus, bei dem sich insbesondere die staatlichen syrischen Kräfte und bewaffnete oppositionelle Gruppierungen bekämpften.
Jihad A., Mahmoud A., Sameer S. und Wael S. gehörten spätestens ab Anfang 2012 in Syrien den bewaffneten Milizen „Free Palestine Movement“ (FPM) und/oder „Volksfront für die Befreiung Palästinas – Generalkommando“ („Popular Front for the Liberation of Palestine – General Command“, PFLP-GC) an. Die Milizen übten seinerzeit im Auftrag des syrischen Regimes die Kontrolle über Yarmouk aus. Dieses Stadtviertel in Damaskus war aus einem palästinensischen Flüchtlingslager entstanden und überwiegend von Palästinensern bewohnt. Ab Juli 2013 riegelte das syrische Regime Yarmouk vollständig ab, um dadurch die Zivilbevölkerung von weiteren Protesten gegen die damalige Regierung abzuhalten. In der Folge kam es unter den Bewohnern zu einem Mangel an Nahrung, Wasser und medizinischer Versorgung. Die regimetreuen Milizen kooperierten eng mit dem syrischen Militärischen Geheimdienst, insbesondere dessen Abteilungen 227 und 235. Mazhar J. war ab spätestens Frühjahr 2011 in der Abteilung 235, der sogenannten Palästina-Abteilung, tätig und beteiligte sich in dieser Funktion an der gewaltsamen Unterdrückung der Zivilbevölkerung.
Alle Angeschuldigten waren am 13. Juli 2012 in Yarmouk an der gewaltsamen Niederschlagung einer friedlichen Demonstration gegen die syrische Regierung beteiligt. Dabei schossen sie zusammen mit anderen Mittätern gezielt auf Demonstranten. Mindestens sechs Personen verstarben an ihren Verletzungen, weitere Opfer wurden zum Teil erheblich verletzt. Bei einer weiteren Demonstration im August 2012 schoss Jihad A. mit anderen Milizionären erneut auf Zivilisten. Mindestens zwei Personen wurden durch die Schüsse verletzt.
Überdies misshandelten die Angeschuldigten, zum Teil wiederholt, Zivilisten aus Yarmouk massiv körperlich. Die Vorfälle trugen sich zwischen Mitte 2012 und 2014 unter anderem an Checkpoints zu, welche die regimetreuen Milizen eingerichtet hatten, um den Zugang zum Stadtviertel zu kontrollieren. Die Opfer wurden unter anderem mit Fäusten und Gewehrkolben gegen den Kopfbereich geschlagen und mit Fußtritten traktiert. Mehrfach nahmen Jihad A., Mahmoud A., Mazhar J. und Sameer S. Zivilisten gefangen und führten sie dem syrischen Geheimdienst zu. Mehrere der durch Mahmoud A. und Mazhar J. festgenommenen Personen wurden in der Folge getötet oder verstarben auf Grund der lebensfeindlichen Haftbedingungen. Bei zwei Gelegenheiten schlug Mahmoud A. während der Verteilung von Hilfsmitteln auf Zivilisten ein, um damit die Aushändigung von Lebensmitteln zu verhindern und zum Aushungern der Zivilbevölkerung beizutragen.
Die Angeschuldigten wurden am 3. Juli 2024 festgenommen. Sie befinden sich weiterhin in Untersuchungshaft.