Mit Urteil vom  26.04.2023 hat das Amtsgericht Hannover durch den Richter am Amtsgericht Wiehe  über eine Klage entschieden, mit der der Kläger verlangte, dass die Beklagte,  seine Nachbarin, es unterlässt, auf ihrem Grundstück in Hannover verwilderte  Tauben anzulocken oder anlocken zu lassen, so wie dies durch die Fütterung  verwilderter Tauben in ihrem Garten oder die Haltung von Tauben in auf dem  Grundstück aufgestellten Volieren geschehen sei.

Zum Sachverhalt:

Die Parteien sind Eigentümer  zweier nebeneinander liegender, mit Reihenhäusern bebauter Grundstücke in  Hannover Groß-Buchholz. Die Beklagte hielt seit längerer Zeit in zwei auf der  Terrasse ihres Reihenhauses aufgestellten Volieren zwei erblindete Stadttauben.  Zudem brachte sie in den Volieren von ihr oder ihrer Tochter im Stadtgebiet  aufgefundene verletzte Stadttauben in unterschiedlicher Zahl in den Volieren bis  zur Gesundung und Auswilderung unter. Schließlich fütterte sie in ihrem Garten  Singvögel und einen Igel.

In einem zwischen den  Parteien streitigen Ausmaß und einer zwischen den Parteien streitigen  Häufigkeit besuchten Schwärme von Stadttauben das Grundstück der Beklagten.  Hierdurch fühlte sich der Kläger in der Nutzung seines Grundstückes  beeinträchtigt, weil diese Taubenschwärme sich unter anderem auch auf sein  Hausdach, seinen Balkon, seine Terrasse und erhöhte Plätze in seinem Garten  setzten, hierbei ihren Kot hinterließen und zudem Gurren und Fluggeräusche  verursachten.Der  Kläger behauptete im Verfahren, die Beklagte locke die Taubenschwärme durch die  in den Volieren gehaltenen Tauben und durch Fütterungen an. Die Tauben würden  sich in großer Zahl auf den umliegenden Dächern versammeln, die umliegenden  Balkon- und Gartenflächen verkoten und kontaminieren. Der Dreck dringe durch  die Fenster in die Wohnungen ein, auch würden die Tiere gegen die Fenster  fliegen und dort Verschmutzungen hinterlassen.

Die Beklagte  bestritt, die Tauben zu füttern. Nicht auszuschließen sei allerdings, dass  einzelne Körner aus den Volieren fallen würden, an denen sich die Stadttauben  bedienen würden. Die Belastung durch die Stadttauben seien jedoch deutlich  geringer als vom Kläger vorgetragen. Sie bestritt, dass die Tauben die Balkon-  und Gartenflächen der Nachbarn kontaminierten oder gar gegen die  Fensterscheiben flögen. Der Taubenschwarm halte sich nur in den Morgenstunden  und niemals länger als ca. eine Stunde auf den umliegenden Dächern und dem  Grundstück auf. Im Laufe des Tages besuche lediglich eine Gruppe von fünf bis  zehn Tieren für etwa eine Stunde das Grundstück, um sich dort auszuruhen und zu  trinken. Die Beklagte sah sich überdies aus ethischen Gründen in der Pflicht,  die beiden erblindeten Tauben in den Volieren zu halten und kranke Tiere bei  sich aufzunehmen, bis sie gesund gepflegt seien. In letzter Zeit würden sie nur  noch im geringeren Ausmaß Tauben bei sich aufnehmen, demgemäß würden sich auch weniger wildlebende Tauben auf dem Grundstück einfinden. Die Beklagte ist der  Ansicht, als Eigentümerin zur Haltung der Tauben berechtigt zu sein, weil sie  sich hierzu als Tierschützerin verpflichtet sehe und eine Belästigung der  Nachbarn nicht stattfinde. Ohnehin würden sich die Tauben an den  unterschiedlichsten Stellen im Stadtgebiet niederlassen, ohne dass dies den  Eigentümern vorgeworfen werden könne.

Das Gericht hat  der Klage stattgegeben. In den Entscheidungsgründen heißt es auszugsweise:

Der Kläger hat gegen die Beklagte  den Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Nach § 1004 Abs. 1 BGB  kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung  verlangen, wenn das Eigentum beeinträchtigt wird. Sind weitere  Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.  Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Nach dem Ergebnis von mündlicher  Verhandlung und Beweisaufnahme besteht kein Zweifel, dass das Eigentum des  Klägers durch die Taubenschwärme beeinträchtigt wird. Der Kläger hat im Rahmen  seiner Parteianhörung plausibel vorgetragen, in letzter Zeit zwar in etwas  geringerem Ausmaß, jedoch nach wie vor massiv durch die Tauben gestört zu  werden, indem diese das Dach seines Hauses, den Balkon und den Garten anfliegen  und dort ihre Exkremente hinterlassen und ihn durch ihr Gurren und  Flügelschlagen am Aufenthalt außerhalb des Hauses hindern. Dieser Angaben des  Klägers werden durch die Bekundungen der gehörten Zeugen eindrucksvoll  bestätigt. Diese haben übereinstimmend bekundet, dass sich die Taubenschwärme  nach wie vor in großer Zahl vor Ort einfinden, sich insbesondere nahezu  alltäglich auf den Dächern auch des Klägers versammeln und sodann in den Garten  der Beklagten einfliegen.

Ebenso besteht kein Zweifel, dass  die Beklagte hier Störerin im Sinne der genannten Regelung ist. Es beruht  nämlich auf Handlungen der Beklagten oder ihrer Familienangehörigen, dass die  Taubenschwärme sich auf den umliegenden Dächern versammeln und sodann in den  Garten der Beklagten einfliegen. Die gehörten Zeugen haben übereinstimmend  bekundet, dass die Tauben auf den Dächern sitzend Richtung des Gartens der Beklagten  schauen, um sodann nach einiger Zeit dorthin zu fliegen. Dies belegt eindeutig, dass sie hier von Umständen angelockt werden, die ihre Ursache im Bereich des  Grundstückes der Beklagten haben. Dies mag entsprechend der Vermutung der  Beklagten daran liegen, dass sich die Tauben von den in den Volieren sitzenden  Artgenossen angelockt fühlen. Dies mag nach den Umständen daran liegen, dass  sie gezielt gefüttert werden oder dort Futterreste vorfinden, die für andere  Tiere gedacht sind, etwa für die die in den Volieren gehaltenen Tauben, die  Singvögel oder den Igel. Das Verhalten der Tauben belegt jedenfalls eindeutig,  dass die Tauben wegen auf dem Grundstück der Beklagten zu suchender Umstände  angelockt werden, sodass letztlich dahinstehen kann, welche der von der  Beklagten zu vertretenden Umstände hier die maßgebliche Ursache setzt. Hier  liegt es in der Verantwortung der Beklagten, alle Umstände abzustellen, die zu  den massiven Besuchen der Taubenschwärme führen.

Die Beklagte kann sich hier auch  nicht mit Erfolg auf die Regelung des § 906 BGB berufen. Hiernach hat der  Eigentümer eines Grundstückes die Zuführung von Gerüchen, Geräuschen und  ähnlicher von einem anderen Grundstück ausgehender Einwirkungen zu dulden, als  die Einwirkung die Benutzung seines Grundstückes nicht oder nur unwesentlich  beeinträchtigt. Die Beeinträchtigungen sind nicht nur unwesentlich, wie sich  ohne weiteres aus den Bekundungen der gehörten Zeugen ergibt, wonach sich die Tauben nahezu alltäglich in recht großer Zahl auf den Dächern einfinden, dabei  die arttypischen Geräusche verursachen und ihre Exkremente hinterlassen. All  dies wird letztlich von der Beklagten nicht ernsthaft in Abrede gestellt,  sondern lediglich abgeschwächt. Die vorgelegten und in der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommenen Lichtbilder belegen jedoch nicht nur die  große Zahl der sich einfindenden Tauben, sondern auch ihre erheblichen  Hinterlassenschaften.

All dies ist auch nicht als  ortsüblich hinzunehmen. Zwar gehören verwilderte Brieftauben zum Stadtbild. Die  von den Zeugen beschriebene und durch die Lichtbilder dokumentierte Vielzahl  der sich versammelnden Tauben belegen jedoch, dass das Maß dessen, was  üblicherweise in städtischen Gärten kreucht und fleucht, massiv überschritten  wird. Schließlich kann sich die Beklagte auch nicht mit  Erfolg auf die ethische Verantwortung der Menschen für die Fauna in ihrem  Umfeld berufen. Sie muss hier darauf verwiesen werden, andere Lösungen für die Unterbringung der von ihr beherbergten Tauben zu finden. Hinsichtlich der Fütterung  anderer Tiere muss sie durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge tragen, dass  hierdurch die Tauben nicht angelockt werden.

Die Entscheidung  ist noch nicht rechtskräftig.

Az.: 502 C 7456/22

Quelle: Amtsgericht Hannover, Pressemitteilung vom 3. Mai 2023

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