Wir erinnern uns – 70 Jahre zurück: Es ist der 11. März 1952.

Im viel beachteten Prozess gegen den ehemaligen Generalmajor Otto Ernst Remer, der die      Hitler-Attentäter des 20. Juli 1944 verunglimpft hatte, indem er sie als Hoch- und Landesverräter bezeichnete und deshalb wegen übler Nachrede und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener vor dem Landgericht Braunschweig angeklagt war, plädiert leidenschaftlich der damalige Generalstaatsanwalt Fritz Bauer.

„Sie sollen, meine Herren Richter, entscheiden, nicht aus politischen Gründen und nicht irgendeiner Staatsräson zuliebe. Entscheiden Sie, meine Herren Richter, auf Grund des Rechts.“

(Fritz Bauer, 1952)

Fritz Bauer setzte sich vehement, hartnäckig und richtungsweisend für die konsequente strafrechtliche Verfolgung nationalsozialistischen Unrechts ein. Der Prozess gegen Remer war für ihn Anlass, die Geschichte der Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 zu klären und deren uneingeschränkte Rehabilitation zu erreichen.


„Es ist die Aufgabe der Staatsanwaltschaft, Aufgabe der Richter des demokratischen Rechtsstaates, die Helden des 20. Juli ohne Vorbehalt und ohne Einschränkung zu rehabilitieren, auf Grund der Tatsachen, die uns heute bekannt sind, auf Grund des damals und heute, des ewig geltenden Rechts.“

(Fritz Bauer)

Fritz Bauer machte deutlich, dass „Hochverrat“ eine legale Rechtsordnung voraussetzt, die es im sogenannten Dritten Reich nicht gab und dass die eidliche Verpflichtung eines Soldaten zum unbedingten Gehorsam gegenüber einem Menschen unsittlich und nach christlicher Kultur nur gegenüber Gott verbindlich ist.

„Ein Unrechtsstaat wie das Dritte Reich ist überhaupt nicht hochverratsfähig.“

(Fritz Bauer)

Fritz Bauer wollte durch ein demokratisches, unabhängiges Gericht festgestellt wissen, dass die Männer des 20. Juli 1944 keine Hoch- und Landesverräter waren, sondern das Recht auf Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime hatten.

„Einziges Ziel ihrer Handlungen war, Deutschland zu retten. Um deswillen kommt der Tatbestand des Landesverrats nicht zur Anwendung.“

(Fritz Bauer)

Eine historische Wende in der Bewertung des Widerstands, der das Gericht im Ergebnis folgte. An den Vorsitzenden Richter gewandt, der als Offizier selbst in russische Gefangenschaft geraten und emotional betroffen war, schloss Fritz Bauer seine Ausführungen mit den Worten:

„Lassen Sie Ihr warmes Herz für die Kämpfer der Freiheit nicht erkalten durch Ihre furchtbare Erinnerung an die sibirischen Weiten.“

(Fritz Bauer)

Am 15. März 1952 wurde Otto Ernst Remer durch die Strafkammer des Landgerichts Braunschweig unter dem Vorsitz des Landgerichtsdirektors Heppe wegen übler Nachrede in Tateinheit mit der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Es waren sieben Jahre vergangen, seitdem die Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 hingerichtet worden waren. Nun war ihr Handeln erstmals von einem deutschen Gericht als rechtmäßiger Widerstand gegen das nationalsozialistische Unrechtsregime anerkannt. Fritz Bauer hat sich damit um die klare und deutliche Festschreibung des NS-Regimes als Unrechtsstaat und die konsequente Verfolgung von nationalsozialistischen Verbrechen verdient gemacht. Es folgten diesem wegweisenden Signal die Frankfurter Auschwitz-Prozesse.  

Generalstaatsanwalt Rust würdigt Fritz Bauer einmal mehr in dessen beispielhaftem Anliegen:

„Ziel jenes Prozesses vor 70 Jahren war, wie Fritz Bauer selbst in seinem Plädoyer gesagt hat, nicht Zwietracht zu säen, sondern Brücken zu schlagen und zu versöhnen durch die Klärung der Frage: „Waren die Männer des 20. Juli Hoch- und Landesverräter?“ Sie waren es nicht.

Wir bewahren das Andenken an diesen mutigen und beharrlichen Braunschweiger Juristen und stellen bewusst die Erinnerungskultur gegen Geschichtsvergessenheit. Unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung ermöglicht und fordert dies zugleich.“

Nichts gehört der Vergangenheit an, alles ist noch Gegenwart und kann wieder Zukunft werden.“

(Fritz Bauer)

Gerade die letzte These wird in ihrer Aktualität beispielhaft belegt, denn dieser Zeit setzen sich die Strafverfolgungsbehörden – wie seinerzeit Fritz Bauer – erneut vermehrt gegen das Wiedererstarken des Antisemitismus und die Verharmlosung des Holocaust ein, die das friedliche Miteinander in unserer Gesellschaft gefährden und – damals wie heute – nicht unwidersprochen bleiben dürfen.

Quelle: Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig, Pressemitteilung vom 11. März 2022

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