In ihrer Sitzung am 26.05.2025 hat die Satzungsversammlung auf Vorschlag des zuständigen Ausschusses beschlossen, die Frist zur Beibringung der besonderen praktischen Erfahrung von drei auf fünf Jahre anzuheben. 63 Mitglieder stimmten für den Antrag (bei 6 Gegenstimmen und 3 Enthaltungen).

Anlass für die Anpassung des Nachweiszeitraums war insbesondere, dass sich die Frist von drei Jahren in den vergangenen Jahren zu einer nur noch schwer überwindbaren Zugangsschranke entwickelt hat. Dies würde dem ausdrücklichen Wunsch der Satzungsversammlung widersprechen, welcher der Beschlussfassung über die Voraussetzungen für die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnungen im Jahr 1995 zugrunde lag.

Die Satzungsversammlung ist der Auffassung, dass sich das Berufsbild und auch der Berufsalltag von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten so stark verändert hat, dass es einer Anpassung der FAO bedarf, um die Realität entsprechend abzubilden.

Grundsätzlich besteht unter den Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten weiterhin ein großes Interesse am Erwerb einer Fachanwaltschaft, da sie neben dem Ausweis der besonderen Qualifikation erhebliche wirtschaftliche Vorteile mit sich bringt. Bürgerinnen und Bürger suchen ebenso wie Unternehmen gezielt nach Fachanwältinnen und Fachanwälten, die „Marke“ Fachanwaltschaft ist auf dem Markt etabliert. Der Zuwachs an neuen Fachanwältinnen und Fachanwälten hat sich dennoch in den letzten Jahren erheblich verringert, bei einigen Fachanwaltschaften hat die Anzahl der Fachanwältinnen und Fachanwälte insgesamt sogar abgenommen. Betroffen sind sowohl etablierte als auch neue Fachanwaltschaften. Auffallend ist ein Rückgang bei Fachanwaltschaften, die besonders von Rechtsanwältinnen bevorzugt worden sind, z.B. im Familienrecht oder Sozialrecht. All dies lässt sich nicht allein mit dem allgemeinen Rückgang der Anzahl von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten erklären. Das Berufsbild jüngerer Kolleginnen und Kollegen hat sich nachhaltig verändert. Die Anzahl von Kanzleineugründungen ist erheblich gesunken, es gibt mehr angestellte und weniger selbstständig tätige Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte.

Die FAO geht bisher davon aus, dass Anwältinnen und Anwälte in Vollzeit tätig sind, in den Jahren ab der Einführung der Verordnung waren dies vor allem bei Partnerinnen und Partnern in der Regel weit mehr als 40 Wochenstunden. Dies entspricht allerdings zur Überzeugung der Satzungsversammlung nicht mehr der gelebten Realität.

Das Fallaufkommen geht kontinuierlich zurück, d. h., die Zahl der für Nichtfachanwältinnen und Nichtfachanwälte auf dem Markt verfügbaren Fälle hat sich in erheblichem Umfang reduziert. Der Anteil teilzeitbeschäftigter Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte nimmt stetig zu. Die erforderlichen Fallzahlen zu erreichen, wird zunehmend schwieriger.

Der Erwerb einer Fachanwaltschaft ist überdies für Rechtsanwältinnen, die familiäre Zusatzaufgaben übernehmen, erheblich erschwert und hat zu einem Rückgang vor allem von Fachanwältinnen geführt.

Zudem ist der Erwerb einer Fachanwaltschaft für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die in ländlichen Regionen tätig sind, nur schwer möglich, da die notwendigen Fälle nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind, um diese innerhalb des bisherigen Zeitraums zu sammeln.

Durch die nun beschlossene Verlängerung des Nachweiszeitraums werden einheitlich die bestehenden Probleme und Benachteiligungen verringert. Den Veränderungen auf dem Rechtsdienstleistungsmarkt und den Entwicklungen in der Anwaltschaft, dem modernen Berufsbild und der „Marke“ Fachanwaltschaft werden Rechnung getragen. Der Nachwuchs wird gefördert. Die Vorgabe der 1. Satzungsversammlung, dass die Anzahl der praktischen Fälle keine schwer überwindbare Zugangsschranke sein soll, wird nun für alle Fachanwaltschaften gleichermaßen erfüllt.

Die Qualitätssicherung bleibt erhalten, da dieselbe Anzahl von Fällen und Fallquoren nachgewiesen werden muss, wie bislang auch, nur die nachzuweisende Falldichte wird verringert. Das theoretische und praktische Wissen wird auf diese Weise über einen längeren Zeitraum aktuell gehalten und kann daher sogar zu einer Qualitätssteigerung führen.

Die Chancengleichheit für Rechtsanwältinnen nun wird deutlich verbessert. Teilzeittätige Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte erhalten eine realistische Chance, die von ihnen angestrebte Fachanwaltschaft zu erwerben.

Der § 5 Abs. 1 S. 1 FAO in seiner neuen Fassung wird lauten:

Der Erwerb besonderer praktischer Erfahrungen setzt voraus, dass die Antragstellerin oder der Antragsteller innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Antragstellung im Fachgebiet als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt persönlich und weisungsfrei bearbeitet hat.

Hintergrundinformationen

Die Satzungsversammlung ist ein unabhängiges Beschlussorgan, das organisatorisch bei der BRAK angesiedelt ist. Sie beschließt im Rahmen der Ermächtigung nach § 59b II BRAO die Regeln der Berufsordnung der Rechtsanwälte (BORA) und der Fachanwaltsordnung (FAO). Ihre rund 120 Mitglieder umfassen direkt gewählte Delegierte der regionalen Rechtsanwaltskammern, die Präsidenten der regionalen Rechtsanwaltskammern und den Präsidenten der BRAK. Stimmberechtigt sind jedoch nur die Delegierten der Rechtsanwaltskammern.
Die nächste Sitzung der Satzungsversammlung findet am 01.12.2025 in Berlin statt.

BRAK, 26.05.2025

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