Der CDU-Wirtschaftspolitiker Christian Freiherr von Stetten hält die von der Koalition von CDU/CSU und SPD beschlossene Senkung der Körperschaftsteuer in fünf Schritten um jeweils nur einen Prozentpunkt ab 2028 „für zu spät und zu zaghaft“. In einem Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“ erklärte von Stetten, der Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses des Deutschen Bundestages ist, die Senkung der Körperschaftsteuer ab 2028 habe die SPD in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt „und viele Wirtschaftsverbände haben dies bereits stark kritisiert“. Von Stetten verlangte auch zusätzliche Maßnahmen für mehr Wirtschaftswachstum: „Die geplante ,Turboabschreibung’ ist ein Instrument, um die Unternehmen und Selbstständigen zu mehr Investitionen zu bewegen, aber es darf nicht das Einzige bleiben.“

Das Interview im Wortlaut:

Frage: Kanzler Merz will Deutschland zu einer Wachstumslokomotive zu machen. Da sieht die jüngste Prognose der EU-Kommission von 0,0 Prozent wie ein Stoppsignal aus. Glauben Sie, dass es mit einer Turboabschreibung für Unternehmen gelingen wird, die Lokomotive in diesem Jahr in Bewegung zu setzen?

Von Stetten: Zahlreiche politische Maßnahmen der letzten Regierung haben die wirtschaftliche Rezession vertieft. Die geplante „Turboabschreibung“ ist ein Instrument, um die Unternehmen und Selbstständigen zu mehr Investitionen zu bewegen, aber es darf nicht das Einzige bleiben. Die wirtschaftliche Stagnation drückt sich nicht allein im Rückgang des BIP aus, sondern auch in den Unternehmensinsolvenzen, die allein letztes Jahr um 16,8 Prozent auf 22.400 gestiegen sind. Hinzu kommen Betriebe, die einfach zugemacht haben, oder zahllose Unternehmen, die mit ihren Produktionsstandorten ins Ausland abgewandert sind. Deshalb wird jegliches Signal, das wir jetzt politisch senden, Mut machen, die Stimmung ins Positive kehren und die wirtschaftliche Wende einleiten.

Frage: Die Unternehmen ächzen unter einer hohen Steuerlast. Kommt die Senkung der Körperschaftsteuer ab 2028 und dann noch in homöopathischen Dosen nicht zu spät?

Von Stetten: Die Steuerbelastung für Unternehmen ist in Deutschland deutlich höher als in vergleichbaren Volkswirtschaften. Deshalb ist es unabdingbar, die Steuerlast für Unternehmen zu senken. Die Absenkung der Körperschaftsteuer in fünf Schritten um jeweils nur einen Prozentpunkt und das erst ab 2028 halte ich daher für zu spät und zu zaghaft. Diesen Passus hat die SPD in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt und viele Wirtschaftsverbände haben dies bereits stark kritisiert. Ich hoffe, dass es unabhängig vom Koalitionsvertrag möglich sein wird, mit dem Bundesfinanzminister über eine Entbürokratisierung der Steuergesetze zu sprechen. Außerdem sollten höhere mittelstandsfreundliche Freibeträge bei der Zinsschranke und gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen bei Mieten und Pachten vereinbart werden.

Frage: Die hohen Energiekosten haben zu Betriebsschließungen und Arbeitsplatzverlusten geführt. Reicht eine Senkung der Stromsteuer, um die Unternehmen zu entlasten?

Von Stetten: Nein, deshalb hat unsere neue Wirtschaftsministerin Katharina Reiche auch gleich vom ersten Tag an klare Ziele und Maßnahmen verkündet: 1. mehr Freiheit für Unternehmerinnen und Unternehmer und weniger Regulierungen. 2. Energetische Versorgungssicherheit zu bezahlbaren Preisen in Kombination mit dem Bau von 20 Gigawatt neuen Gaskraftwerken. 3. endlich einen sichtbaren Bürokratieabbau von 25 Prozent durch Vereinfachungen und Streichungen. 4. Die Stärkung des Außenhandels. Deutschland größte Stärke war stets der Export, die Handelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur- und ASEAN-Staaten, ebenso wie mit Indien und Australien. Die Handelsstreitigkeiten mit den USA, die einer unserer wichtigsten Handelspartner sind, müssen beigelegt und ein Freihandelsabkommen angestrebt werden. Als Abgeordnete ist es jetzt unsere Aufgabe, diese Reformen als Gesetzgeber voranzutreiben.

Frage: Der Automobilbau, der Maschinenbau, die Chemie und die Stahlindustrie befinden sich in der Krise. Welche Branchen haben überhaupt eine Zukunft in Deutschland? Bleibt Deutschland eine Industrienation?

Von Stetten: Deutschland muss Industrienation bleiben, sonst können wir uns den hohen Standard in Medizin und sozialen Bereichen nicht länger leisten. Alle Branchen und Unternehmen haben in Deutschland ihre Chance auf Existenz und Wachstum, wenn wir die wesentlichen Maßnahmen zügig umsetzen. Was die Wirtschaft niederdrückt, sind Energiepreise, Bürokratie, Steuern und starre Arbeitszeitmodelle. Das sind die „Bremsklötze“ im internationalen Wettbewerb. Es sind Hindernisse für Wachstum und Wohlstand und Folgen einer Wirtschaftspolitik, die in den letzten Jahren hier nicht gegensteuerte.
Zahlreiche dieser Probleme sind hausgemacht und müssen jetzt auf den Prüfstand. Das Gute daran ist, dass wir es umgestalten und ändern können. In ihrer Antrittsrede im Deutschen Bundestag hat Ministerin Reiche 20-mal das Wort „Wachstum“ genannt, das zeigt den Fokus unserer neuen Wirtschaftspolitik, Wachstum als Grundlage für alles.

Frage: Welche Maßnahme will die Koalition zuerst durch den Bundestag bringen – die Streichung des Lieferkettengesetzes zwecks Bürokratieabbau?

Von Stetten: Das Lieferkettengesetz ist das beste Beispiel für gut gedacht, aber schlecht gemacht. Ausufernde Bürokratie ist das Symptom eines Staates, der nicht funktioniert. Unnötige Vorschriften, Richtlinien und Berichtspflichten lähmen den Mittelstand und die im Koalitionsvertrag vereinbarten 25 Prozent Abbau müssen zügig durch Vereinfachungen und Streichungen erreicht werden.

Frage: Die Koalition hat sich auf ein – schuldenfinanziertes – Investitionsprogramm von 150 Milliarden Euro in dieser Legislaturperiode verständigt. Solche Programme hatten früher oft nur eine Strohfeuerwirkung. Was ist dieses Mal anders?

Von Stetten: Bisher hat der Deutsche Bundestag noch keine einzige Milliarde an neuen Schulden beschlossen. Wir haben nur beschlossen, dass wenn nach Überarbeitung der Haushaltspläne und Streichung zahlreicher unnötiger Ausgaben es dann notwendig sein würde, zusätzliches Geld für Infrastrukturprojekte auf Schuldenbasis zu finanzieren. Dann wäre diese Verschuldung mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Milliarden für die Infrastruktur müssen mit einem Regulierungsabbau gekoppelt werden, denn ohne schnellere Verfahren bleibt der Aufschwung aus.

Frage: Wie soll sichergestellt werden, dass die Milliarden nicht auf den verschiedenen Ebenen versickern?

Von Stetten: Wir haben endlich ein Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung sowie mit Karsten Wildberger einen fähigen Minister, der die dringend notwendigen Reformen anpacken wird. Die Gründung dieses Ministeriums ist mehr nur ein neues Ministerium. Es ist eine wichtige Zukunftsentscheidung für unser Land. Es geht um ein modernes und digitales Deutschland – schlank in seinen Prozessen und in seiner Verwaltung. Unser Staat muss zügiger werden mit einer Verwaltung, die den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Unternehmen einen schnelleren, einfacheren Service und bessere Dienstleistungen bietet. Gleichzeitig heißt Staatsmodernisierung auch weniger Gesetze: Gesetze, die klarer und leichter umzusetzen sind, Verwaltungsabläufe, die man versteht, weniger Bürokratie, und vor allem eine, die auf die gestalterische Kraft von Menschen und Unternehmen vertraut. Dann versickert auch kein Geld mehr, sondern kommt da an, wo es gebraucht wird.

Frage: Die Koalition will das Heizungsgesetz abschaffen, aber fällt der Wärmepumpenzwang auch weg?

Von Stetten: Die vergangene Regierung ist auch an dem für viele Bevölkerungskreise nicht nachvollziehbaren Heizungsgesetz rund um die Wärmepumpe gescheitert. Deshalb wird als erste Maßnahme das Betriebsverbot für Heizkessel abgeschafft werden und stattdessen geprüft, wo im Gebäudebereich langfristige CO2-Einsparungen möglich sind.

Deutscher Bundestag, 23.05.2025

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